Noch immer schüttet es in Strömen. So huschen wir geschwind von der Hotellobby des Zwekabin zum Bus. Den halben Morgen werden wir mit der Fahrt nach Mawlamyaing verbringen. Das ist gut so, denn im Bus bleiben wir zumindest trocken.
Dafür hält sich die Aussicht in Grenzen. Schade eigentlich, denn unserer Reiseführer verspricht uns herrliche Landschaften mit überfluteten Reisfelder und stattlichen Palmen. Eines davon ist gewiss: die Reisfelder sind überflutet.
Mawlamyaing liegt an der Mündung der Flüsse Thanlwin (auch Saluen) und Gyaing. Die große Insel Bilu Kyun trennt die Stadt vom Golf von Martaban. Ohne die Insel wäre Mawlamyaing ein Küstenort.
Doch die beiden breiten Flüsse haben eine idyllische Inselwelt vor Mawlamyaing gebildet. Zudem befindet sich hier die landesweit längste Brücke von Myanmar. Seit ihrer Fertigstellung im Jahr 2005 hat sie den Nord-Süd-Verkehr um einiges erleichtert.
Durch die Nähe zum Meer und die geschützte Lage »hinter« der Insel Bilu Kyun entwickelte sich Mawlamyaing während der Kolonialzeit zum wichtigsten Umschlagplatz für Teakholz, Reis und Meeresfrüchte. Am nördlichen Flussufer befindet sich deshalb auch heute noch der drittgrößte Hafen von Myanmar.
Bereits die Mon nutzten die Vorteile der Lage und besaßen hier eines ihrer bedeutenden Zentren. Zumindest bis zur Eroberung durch König Anawrahta im Jahre 1050. Dann wurde Mawlamyaing in das Bagan-Reich eingegliedert.
Bleibt die Frage, was man in Mawlamyaing macht, wenn einem der Monsunregen noch immer ärgert? Wir hoffen auf Besserung und verschieben die kolonialen Fassaden und hölzernen Pfahlbauten der Mon auf später. Mit Schirmen bewaffnet flüchten wir in den Neuen Markt. Dieser ist zumindest teilweise überdacht.
So also verbringen wir den Vormittag mit einem Bummel zwischen speziell verpackten Geschenken für Mönche, Hausausstattungen von Buddha-Schreinen, vielen bunten Stoffen und Drogeriemärkten mit europäischen Produkten. Die Kloster- und Tempelrunde in der Stadt legen wir anschließend auf den Nachmittag. Vielleicht haben wir ja dann mehr Glück.
Geschirr, Buddha-Figuren und Gewürze auf dem Markt von Mawlamyaing
Um die Wartezeit bis zu unserem Tempelprogramm etwas zu verkürzen, schnappen wir einen Schirm von unserem Busfahrer und spazieren entlang dem Flussufer zur Jetty Nr. 4. Gleich gegenüber befindet sich das nette Restaurant Bone Gyi. Dort gönnen wir uns Leckeres in süß-sauer, dazu eine feine Suppe und Reis und schon sind wir zufrieden.
Zurück spazieren wir durch die Gassen, nochmals am Neuen Markt vorbei. Leider haben sich die Straßen inzwischen in matschige Schlammwege verwandelt. Wir müssen aufpassen, wo wir hintreten und dass uns kein Unrat in die Sandalen schwemmt.
So laufen wir zurück zum Strand Hotel und sind pünktlich zur Abfahrt auf die »Heiligen Hügel«, die sich hinter Mawlamyaing erstrecken. Beim View-Point inmitten der Hügelkette über Mawlamyaing lässt uns der Busfahrer aussteigen und Juhu – der Regen hat endlich aufgehört. Leider aber bleibt die Aussicht über Mawlamyaing bis auf Weiteres trübe.
Wenige Schritte vom Aussichtspunkt entfernt befindet sich die U Kandi Pagoda. Während das Gebäude einer stählernen Lagerhalle ähnelt, thront mittendrin eine große, goldene Buddha-Figur. Witzig sind die Statuen der dicken Bettelmönche, die mit nur zwei Zähnen wie ein Kaninchen grinsen.
Mein Interesse indes gilt bald einer winzigen Katze, die sich über Streicheleinheiten freut. Anders als die Katzen auf dem Inle-See im Nga Phe Chaung Kloster wollen die Miezen hier kuscheln. Es gibt in Myanmar keine Tierheime. So zieht es Hunde und Katzen zu den Klöstern, wo sie gefüttert werden und sich schnell zu Hause fühlen.
Unser nächstes Ziel ist das Yadanar Bon Myint- oder auch Seindon Mibaya-Kloster. Wir können die Schuhe gleich im Bus lassen. Denn das Treppenlabyrinth, welches uns am Kloster vorbeiführt, reicht bis auf den Gipfel der Kyaik Than Lan Pagode.
Der schweinchenrosa Anstrich wirkt irgendwie befremdlich für ein Kloster. Doch man soll ja nicht (nur) nach dem äußeren Schein urteilen. Und das gilt insbesondere hier. Denn im Innern beherbergt das Gebäude eine ungeahnte kulturhistorische Schatzkammer.
Ein grimmiger Mönch wacht vor den hölzernen Türen. Htet Htet muss sich vor ihm niederknien und in demütige Bittstellung gehen. Der Mönch quittiert dies mit einem Grummeln, aber die Spende nimmt er gerne an und lässt uns eintreten. Unser freundliches Danke ignoriert der alte Mann. Gut, wir sind ja wegen der Schätze hier.
Vor mehr als 140 Jahren nämlich spendete eine Gemahlin König Mindons wunderschöne Teakholz-Schnitzereien an das Kloster. Sie sind bis dato gut erhalten und auch die mit Glasplättchen besetzte Decke glitzert noch immer wunderschön. Engel und bunte Mosaikfenster zeugen hier vom Einfluss der Engländer.
Der Mönch öffnet uns den Zugang zu einem kleinen Hinterraum. Unter dem mit Schnitzereien versehenen Elefantenelfenbein befindet sich das Heiligtum des Klosters. Es ist ein Reliquienschrein mit der Asche Buddhas. Aber auch ein Zahn Buddhas, gleich dem im Zahntempel von Kandy auf Sri Lanka, wird hier verehrt. Lars kann dies kaum glauben und fragt, etwas ungeschickt, ob wir hier die echte Reliquie vor uns haben oder diese an einem anderen Ort sicher verwahrt wird?
Immerhin wird in Kandy ein riesengroßes Brimborium wegen eines Zahns Buddhas veranstaltet, während dieser in einem stillen Kämmerlein für jedermann sichtbar ist und wir weder anstehen noch eine Sicherheitskontrolle über uns ergehen lassen mussten. Doch Htet Htet erläutert: »Wir glauben, dass die Reliquie echt ist. Es gehört zu unserem Glauben. Doch Buddha selbst meint, Reliquien sind nicht wichtig. Die Lehren Buddhas sind wichtig.« So verschieden kann die Auslegung bzw. Handhabung ein und derselben Lehren in unterschiedlichen Ländern sein.
Über das Treppenlabyrinth erklimmen wir anschließend den Berg und erreichen den Gipfel mit der Kyaik Than Lan Pagode. Sie wurde im Jahr 825 gegründet. Ihr Name bedeutet »Pagode des Sieges über die Shan«. Nachdem sie im Lauf der Jahrhunderte mehrfach zerstört wurde, stammt der heutige Bau aus dem Jahr 1831.
Da die Pagode 150 Meter hoch auf einem Bergrücken steht, strömen hier normalerweise am späten Nachmittag viele Leute her, um den Sonnenuntergang über dem Tempelfeld von Bagan zu erleben. Bei unserem ersten Besuch haben wir offensichtlich Pech. Dafür ist der Himmel immer noch zu stark bedeckt.
Durch den vielen Regen ist der Boden außerdem nass und glitschig. Ausgelegte Teppiche schützen vor dem Ausrutschen. Sie sind ebenfalls klatschnass, was sich einigermaßen ekelig anfühlt, andererseits aber auch einigen Dreck von den Fußsohlen schrubbt. Wir machen unsere obligatorische Runde um den Stupa.
Von hier oben haben wir eine weitreichende Aussicht über Mawlamyaing und auf einen imposanten Gebäudekomplex mitten im Stadtkern. Es ist ein Gefängnis aus dem 19. Jahrhundert. Mit Sicherheit zählt es zu den bauhistorisch besterhaltenen Haftanstalten Südostasiens.
Wir lauschen noch eine Weile den gesungenen Gebeten eines Mönchs. War er es, der uns letzte Nacht ein ums andere Mal mit seinem von Lautsprechern verstärkten Singsang geweckt hat? Bis zum Sonnenuntergang müssten wir uns noch eine Weile gedulden.
Trotzdem steigen wir die Treppen hinab zum Pagodenvorplatz. Dort wartet unser Bus auf uns, denn für heute ist Feierabend. Wir können zufrieden sein. Denn trotz des Regens war es uns möglich, mehrere schöne Dinge in Mawlamyaing zu besichtigen.
Ausflug zu den Heiligen Hügeln von Mawlamyaing mit Besuch der U Kandi Pagoda und des Seindon Mibaya-Klosters.
Bevor es richtig dunkel ist, verlassen wir die obere Aussichtsterrasse und kehren zurück auf den Vorplatz der Kyaik Than Lan Pagode. Gegenüber winkt bereits der erste Tuk-Tuk-Fahrer. Wer sagt es denn? Um was für einen altersschwachen Klepper es sich handelt, merken wir allerdings erst, nachdem wir schon drinnen sitzen. Sein Tank besteht aus einer mit Sprit gefüllten Wasserflasche, die neben seinem sowie dem rechten Rücksitz hängt.
Damit der Motor den Treibstoff ansaugt, muss er die Flasche nur kurz drücken. Ein paar Anläufe braucht es aber doch, bis das uralte Gefährt anspringt und los knattert. Mit dem vielleicht schlechtesten Tuk-Tuk, was in der Stadt herumfährt, kommen wir wenig später bei unserem Luxushotel an. Dort empfängt uns das Personal mit einem breiten Grinsen. Doch der alte Mann ist glücklich, etwas verdient zu haben.
Wenig später ist der letzte Sonnenstrahl erloschen und wird es Zeit für den Nachtmarkt von Mawlamyaing. Wir machen uns kurz frisch auf dem Zimmer und schon geht es wieder los. Wo sich der Nachtmarkt genau befindet, ist uns bisher zwar noch ein Rätsel.
Doch es muss irgendwo am Ufer des Thanlwin sein. So laufen wir auf gut Glück los und treffen zufällig Htet Htet, die mit einer Kollegin dasselbe Ziel hat. Gut anderthalb Kilometer von unserem Hotel entfernt beginnt es schließlich lecker nach Gegrilltem zu duften.
Entlang der Straße reiht sich eine Garküche an die andere. Frischer Fisch, Garnelen, Fleischspieße und Gemüse liegen im Sortiment. Die Bedienungen strecken uns sofort ihre Menükarten entgegen. Und es sieht wirklich lecker aus. Sollen wir es wagen und hier noch eine Kleinigkeit essen? Warum nicht?
Die Tische sind überwiegend von Einheimischen besetzt. Dazwischen entdecken wir aber auch vereinzelt mutige Touristen. Auf einer riesigen LED-Leinwand flimmern Werbefilme in einer Endlosschleife. Auch wenn die Angebote an unserem Bedarf vorbei zielen, bringt die Leinwand doch etwas Licht auf die Tische.
Wir bestellen uns je eine Portion gebackene King Prawns. Vornweg gibt es die übliche schmackhafte Suppe und danach dauert es eine ganze Weile. Egal, wir beobachten die Leute um uns herum. Hier ist einer der wenigen Orte in Myanmar, an denen uns auch Menschen auffallen, die betteln.
Sie haben Hunger und können sich selbst bei den günstigen Garküchen kein Abendessen leisten. Dafür sind insbesondere die Portionen mit gebratenen Nudeln so groß, dass oft viel übrig bleibt. Die Reste werden in Tüten gepackt und an die Bettelnden weiter gereicht.
Irgendwann bringt uns der Junge mehrere leckere Soßen an den Tisch und kurz darauf stehen zwei große Portionen King Prawns vor uns. Und das für wenig Geld. Laut Htet Htet zahlt hier jeder gleichviel, egal ob Tourist oder Einheimischer.
Und es schmeckt richtig lecker. Dass auch die Qualität stimmt, merken wir schließlich, als wir uns auch am nächsten Tag noch immer pudelwohl fühlen.
Das Strand Hotel zählt zu den Luxusherbergen von Mawlamyaing. Es wurde 2011 eröffnet. Das elegante L-förmige Gebäude ist so etwas wie die Elbphilharmonie der Stadt: bis der 5-Stöckige Bau bezugsfertig war, hatte es ganze neun Jahre gedauert. Allem Luxus zum Trotz findet man aber auch in diesem Prachtbau kleinere Konstruktionsfehler. Oder, was wir uns fragen: wann ist dem Architekt wohl aufgefallen, dass der Laubengang auf der falschen Seite gebaut wurde?
Denn während wir auf dem Weg zum Zimmer die schönste Aussicht auf den Fluss Thanlwin und die Insellandschaft haben, geben die Zimmerfenster die nicht konkurrenzfähige Sicht in den Hinterhof und auf die Stadt frei. Als Folge stellen immer wieder Gäste Tisch und Stühle auf den Gang. Wirkt auf dem allerersten Blick zwar etwas befremdlich, tatsächlich aber haben sie recht damit.
Zum Glück ist dem Architekten zumindest eingefallen, dass ein Hotelzimmer auch ein Bad braucht. Dafür hat er einen winzigen Teil vom Zimmer abgetrennt und Toilette, Waschbecken und eine, bei uns leider undichte Dusche auf engsten Raum gequetscht.
Ansonsten aber ist das Zimmer mit seinem dunklen Holzboden und dem sehr gemütlichen Bett richtig schön. Kaffee können wir uns auch machen und sind somit für die beiden Nächte zufrieden.
Da wir lieber auswärts essen, frühstücken wir nur im Hotel. Das ist zu unserer Freude recht umfangreich und lecker. Leider aber ist es in dem großen Frühstücksraum recht kühl, weshalb man lieber eine zumindest dünne Jacke dabei haben sollte.
In der Kälte fühlen sich zudem die Mücken außerordentlich wohl. Sie schwirren hier zuhauf herum. Egal, wir lassen es uns hier gut gehen und freuen uns, dass wir zu Fuß in die Stadt gehen und auch gut entlang dem Flussufer spazieren können.