Nach dem Abstecher zur »Death Railway« fahren wir wieder zurück in Richtung Mawlamyaing. Die Landschaft ist hügelig. So ziemlich jede Erhebung wird von Stupas gekrönt. Bei uns könnten wir wohl eine größere Anzahl an Gipfelkreuzen und Kapellen bestaunen, in buddhistischen Regionen sind es eben kleine Stupas und Tempel.
Bald erreichen wir Mudon und einen eher pragmatischen als eleganten Torbogen, welcher von zwei riesigen Vogelstatuen bewacht wird. Ab hier begleitet uns entlang der Straße zum größten liegenden Buddha der Welt eine schier endlose Reihe mit über 500 lebensgroßen Betonstatuen von Arahant-Schülern Buddhas.
Einst hatte der Mönch Win Sein Taw Ya Sayadaw eine Vision, woraufhin er den Bau des Liegenden Buddhas von Mudon initiierte. Der Mönch wurde schon zu Lebzeiten sehr verehrt, sodass er tatsächlich reichlich Spenden für solch ein gigantisches Bauwerk erhielt. Im Jahr 1991 konnte mit dem Bau begonnen werden. Doch bis zur Vollendung werden sicher noch einige Jahre ins Land ziehen. Der Mönch ist mittlerweile im April 2015 im stolzen Alter von 95 Jahren verstorben. Sein Leichnam wird heute in einem Glassarg aus Thailand aufgebahrt.
Wir indes wollen lieber einen genaueren Blick auf und in das Bauwerk werfen. Denn Win Seins liegender Buddha zählt zu den wenigen Buddha-Statuen, die auch von innen besichtigt werden können. Bei einer Länge von 180 Metern und einer Breite bis zu 34 Metern gibt es in unglaublichen acht Stockwerken 182 verschiedene Kammern, von denen heute einige zugänglich sind. Die Brücke über eine Wasserrutsche bringt uns zum Eingang der Statue.
Während das Äußere der Figur bereits weitgehend mit farbigen Keramikfliesen bedeckt ist, finden wir uns im Innern augenblicklich in einer Baustelle wieder. Durch den Hintereingang fahren laut dröhnende Mopeds in den Kopf des Buddhas hinein. Aber warum sollten sie auch den Parkplatz nutzen, wenn sie ihre Maschinen hier im Schatten parken können?
Immerhin ziehen die jungen Leute ihre Schuhe aus, sobald sie absteigen. Durch eine Bautüre gelangen wir nach außen, zu einer Terrasse mit Blick auf das Gesicht Buddhas. Mit eisernen Wimpern wurde hier auf Details geachtet. Allerdings erschließt sich uns nicht, ob die hier beschäftigten Bauarbeiter mit dem Weiterbau oder bereits dem Sanieren der Statue beschäftigt sind.
In den 182 Kammern sollen die Entstehung und die Bedeutung des Buddhismus' sowie Dioramen, also Geschichten aus den Lehren Buddhas veranschaulicht werden. Einige davon sind bereits fertiggestellt und zeigen unmissverständlich, wie sich die Freuden eines ausgelassenen, unkeuschen Lebens später rächen könnten. Die Darstellungen gehen dabei von erotisch reizvoll mit barbusigen Weibern in so richtig gruselige gestaltete Plastiken mit völlig entstellten Leibern, zertretenen Schädeln und menschenfressenden Ungeheuern über.
Durchquert man alle Kammern innerhalb eines Stockwerks, erreicht man die unschönen, mit Bauschutt und freiliegendem Baustahl überhäuften hinteren Teile der Buddha-Statue. Dem Blick von außen bleiben diese inzwischen verborgen. Für uns aber ist deutlich zu erkennen, dass beim Bau Kriterien wie professionelle Architektur oder Sicherheit bestenfalls zweitrangig waren. Auf Statik spezialisierte Ingenieure würden die Hände über dem Kopf zusammenschlagen – und das auch nur ganz behutsam.
Als Beschäftigte in einem Ingenieurbüro sollte auch ich dieses Bauwerk schleunigst wieder verlassen. Doch wir sind auf Reisen. Und da übersieht man doch so einige Risiken; oder nimmt sie entgegen jeglicher Vernunft mit einem Achselzucken billigend in Kauf. Wir setzen darauf, dass Buddhas Kräfte stärker sind als die Schwerkraft und jeglicher, unsachgemäß verarbeiteter Stahlbeton.
Ausflug nach Mudon zur Wirkungsstätte von Win Sein Taw Ya Sayadaw, der den größten Liegenden Buddha der Welt initiierte. Rundgang durch die inneren Kammern mit buddhistischen Legenden und Glaubensbildern.
Was uns hingegen sehr verwundert, ist die Baustelle direkt gegenüber. 2012 wurde mit dem Bau einer zweiten Monumental-Statue begonnen, welche die gleichen Ausmaße wie der erste Liegende Buddha von Mudon erhalten soll. Nur die Liegerichtung ist bei ihr entgegengesetzt. Was uns angeht, würden wir erst einmal das eine Bauwerk fertigstellen, bevor wir mit dem nächsten anfangen. Stattdessen verschandelt es nun als hässliche Betonbauruine die Landschaft. Doch sollten irgendwann einmal – in wie vielen Jahren auch immer – beide liegenden Buddhas vollendet sein, wird Myanmar mit Sicherheit ein weiteres, beeindruckendes Reiseziel bekommen. Ob es dann auch schön ist, darf dann jeder für sich entscheiden.