Kaum stecken wir im Touristengroßstadttrubel, wird uns dieser auch schon wieder zu viel. Aber das ist wohl den vielen Chinesen geschuldet, die quirlig vor der Federal Hall herum wuseln. Wir entziehen uns dem nervigen Treiben über die ruhigere Beaver Street zum Queen Elizabeth II bzw. September 11th Garden. Hier, im Hannover Square, bringt ein englischer Blumengarten etwas Leben in die Stadt.
Er soll an das diamantene Regierungsjubiläum der Queen erinnern, aber auch der 67 Briten und weiteren Opfer des britischen Commonwealth gedenken, die bei der 9/11-Tragödie aus dem Leben gerissen wurden. Die Pflanzen stammen aus dem Garten Prinz Charles, die Fußwege bestehen aus Steinen von Schottland, der Schiefer ist aus Wales und die Poller sind aus London.
Gegenüber des Parks gelangen wir in die idyllische Stone Steet. Sie war die erste kopfsteingepflasterte Straße von New York, was den Namen erklärt. Die Restaurants in der für Manhattan engen Gasse erwarten einige Gäste.
Denn es wird schwer aufgetischt und zwar mit typisch deutschen Festbänken und Biertischgarnituren der Dresdner Brauerei Radeberger. Dazu gehört natürlich auch ein bayerisches Oktoberfest-Restaurant, gleich neben dem Dubliner Irish-Pub. Europa ist allgegenwärtig. Eine Ecke weiter ändert sich die Szenerie.
New York dampft gewaltig. Man kennt es aus Filmen und Serien, wenn eine Dampfsäule aus einem seltsamen Kamin mitten auf der Straße in den Himmel steigt. Eine rund 170 Kilometer lange Dampfleitung zieht sich durch New York und versorgt etliche der großen Gebäude wie das Rockefeller Center. Der Dampf wird für Heizungen und Klimaanlagen genutzt.
Weil der Dampf zu einem gewissen Teil in den Rohren zu Wasser kondensiert, muss dieses abgelassen werden. Sobald das heiße Wasser in den Kanal gelangt, verdampft es erneut und entweicht durch die Gullideckel an die Luft. Da die Infrastruktur Amerikas und auch von New York inzwischen marode ist, zerbersten hin und wieder solche Leitungen und reißen ganze Krater in die Straße.
Zurück am Broadway erreichen wir nördlich des Bowling Greens den Charging Bull. Augenblicklich geraten wir in ein grandioses Aufkommen an Menschen. Was macht dieses Rindvieh so begehrt? Anfangs stieß die Skulptur von Arturo di Modica eher auf Ablehnung bei der New Yorker Verwaltung. Heimlich versuchte Di Modica den Bullen vor der New Yorker Börse abzustellen. Als dies misslang, legte er die gigantische Skulptur stattdessen unter den dort installierten Weihnachtsbaum, als Geschenk für die Stadt und die Welt. Obwohl dies die Presse und etliche Schaulustige anlockte, sollte das Vieh wieder weg.
Ein paar Bedienstete der Stadt, unter anderem der Bürgermeister Ed Koch, ist es zu verdanken, dass der Charging Bull einen dauerhaften Platz beim Bowling Green bekam. Heute gilt er als Zeichen für wirtschaftliche Stärke, was Amerika sicher gut gebrauchen kann. Wenige Fuß vor dem Bullen zeigt eine zweite Skulptur, dass es neben der Stärke aber auch eine gesunde Portion Mut bedarf, um Erfolg zu haben. Verkörpert wird dies von einem kleinen Mädchen, das sich dem schnaufenden Bullen unerschrocken entgegenstellt.
Ob sich die Menschenmasse davor Stärke und Mut erhofft, sei dahingestellt. Der Versuch, das Tier ohne Leute aufzunehmen, stellt zumindest einen Gedulds- oder auch Kraftakt dar. Dem Mädchen davor wird hingegen – wohl auch wegen seiner geringen Größe – kaum Beachtung geschenkt.
Was bleibt, ist die Rückseite des Bullen. Egal ob Männlein oder Weiblein, doch ganz besonders die Chinesen haben ihre Freude daran, dem Tier lüstern an die Eier zu greifen.