Nach dem Mittagessen, gut drei Stunden vor der Schleuse in Esna, stoßen wir uns beinahe den Kopf an der nächsten Überraschung. Dass der vordere Mast gelegentlich umgelegt wird, sind wir ja schon gewohnt. Außerdem aber sind alle Pfeiler umgelegt, sodass sich das Sonnendach nunmehr auf den Stühlen und Liegen stützt.
Ein Blick nach vorne verrät uns den Grund, kommen wir doch unter einer so niedrigen Brücke hindurch, dass wir leicht an den Stahlbeton greifen können. Den Kopf hätten wir uns zwar nicht angeschlagen. Unwillkürlich ziehen wir ihn aber dennoch ein, als wir die Brücke passieren.
Wenige Minuten Nil abwärts ist der Spuk dann auch schon wieder vorüber. Mit vereinten Kräften richtet die Crew das Sonnendach wieder auf, werden die Pfeiler wieder fest mit dem Deck verbunden und der vordere Mast aufgestellt.
Als schließlich die meisten anderen Gäste an Deck sind, sieht es so aus wie immer - und wundert sich der ein oder andere lediglich darüber, dass die Liegen und Stühle ein wenig anders als vor dem Essen dastehen.
Vor Esna verlangsamt sich die Fahrt. Kein Wunder, denn solange hinter einem kein Boot zu sehen ist, bedeutet sich zu beeilen nichts anderes als länger zu warten. Während der Sommermonate herrscht auf dem Nil zwar nicht einmal halb soviel Verkehr wie im Winter.
Die Schleuse aber ist selbst dafür nicht ausgelegt, sodass die Wartezeit durchaus ein bis mehrere Stunden dauern kann. Um diese künftig zu verringern, wird direkt neben der ersten eine zweite Schleuse gebaut. So wie es aussieht, kommen die Arbeiten in dem felsigen Untergrund jedoch nur schleppend voran.
Sobald sich die Kreuzfahrtschiffe dem Eingang der Schleuse nähern, werden sie Ziel der Händler. Mit ihren Ruderbooten kommen sie auch der HS Solaris gefährlich nahe, bevor sie endlich einige Beutel mit Klamotten greifen und hoch aufs Oberdeck werfen. Ein paar Mitreisende weichen zurück,
andere sind belustigt über die Idee, auf diese Weise zu einem Geschäft zu kommen.
Als ich laut überlege, ob dies vielleicht nur ein Ablenkungsmanöver ist, damit ihre Komplizen unbemerkt über die Balkone zu unverschlossenen Balkontüren klettern können, laufen ein paar herunter zu ihrem Zimmer.
Die Meinung, dass ein solches Verhalten der Händler unverschämt sei, teile ich jedoch nicht. Denn längst drängt sich mir der Verdacht auf, dass dies für ein paar der Männer die vielleicht einzige Möglichkeit ist, ein paar ägyptische Pfund oder auch Euro zu verdienen, um ihre Familie mit dem nötigsten versorgen zu können.
Und schlimmer, als bei ihnen etwas für den Galapscha-Abend an Bord der Solaris zu kaufen, finde ich, dass eben dieser Abend einzig aus dem Grund veranstaltet wird, damit die Bordboutique ihre Galapscha-Gewänder verkaufen kann.