Bei unserem ersten Parisbesuch gelang es mir noch, Annette zu überzeugen, dass es sich meistens nicht lohnt, bis zur oberen Plattform des Eiffelturms zu fahren. Stattdessen sind wir zu Fuß über die Treppen hinaufgestiegen. An meiner Überzeugung, dass es interessanter ist, aus eigener Kraft auf den Eiffelturm zu steigen, hat sich bis heute nichts geändert. Auch, weil man unterwegs ganz andere Einblicke in die Stahlkonstruktion bekommt als bei der Fahrt mit dem Lift.
Daneben lassen sich Bauarbeiterpuppen entdecken, welche die ewige Arbeit des Rostschutzes demonstrieren. Und bei dem Dunst, der fast immer über Paris liegt, reicht die Sicht von ganz oben auch nicht weiter als von der zweiten Plattform. Wie gesagt, an meiner Überzeugung hat sich nichts geändert - aber an meiner Überzeugungskraft.
Zum Glück haben wir es zumindest recht früh aus dem Bett und zum Eiffelturm geschafft, sodass sich die Schlangen vor den Aufzügen in überschaubaren Dimensionen bewegen. Denn mit: »Ich will da ganz hoch fahren«, stellt Annette klipp und klar, dass es mir diesmal nicht gelingen wird, sie die vielen Stufen hinauf zu scheuchen. Sei es drum, lösen wir halt die Tickets für den Lift und quetschen uns eine Viertelstunde später zu ein paar Dutzend anderer Touristen in den Fahrstuhl.
Wobei ich ja zugeben muss, dass es auf diese Art schon angenehmer und schneller nach oben geht und wir während der Fahrt schöne Ausblicke durch die Stahlträger bekommen. So sehen wir bald auf die Seine und den Palais de Chaillot mit seinen vorgelagerten Fontänen herab.
Wer sich für die Geschichte des Eiffelturms interessiert, sollte sich die Ausstellung auf der ersten Besucherplattform anschauen. So werden sich einige Besucher wundern, dass der Turm nach seiner Fertigstellung zur Weltausstellung im Jahr 1889 als Schandfleck oder als tragische Straßenlaterne beschimpft wurde.
Man sah keinen Nutzen in dem Ding, sondern nur etwas Fremdes, das nicht in das Stadtbild passte. 1909 sollte er abgerissen werden. Zum Glück für das Pariser Wahrzeichen erkannte man dann aber den Wert für die Telekommunikation. So wurden durch die Höhe des Eiffelturms erstmals transatlantische Funkverbindungen möglich. Der touristische Wert kam erst viele Jahre später dazu.
Auf der zweiten Plattform (115 m) müssen wir umsteigen, um mit dem nächsten Lift bis hoch auf die obere Aussichtsplattform zu gelangen. Das heißt: nochmals kurz Schlange stehen und dann mit einigen anderen Besuchern ab nach oben auf schwindelerregende 276 Meter über dem Boden!
Es ist unbestritten ein einmaliges Erlebnis, von so weit oben hinab auf die Seine, das Marsfeld zur einen und die Springbrunnen zur anderen Seite des Eiffelturms zu blicken, auf den Invalidendom und die angrenzenden Viertel von Paris zu schauen und seinen Blick hinüber zum Triumphbogen und zur Notre-Dame bis hin zur Sacré-Cœur auf dem Montmartre schweifen zu lassen.
Zuerst einmal ist es aber ein irre windiges Erlebnis. Denn nachdem wir am Fuß des Eiffelturms nur ein laues Lüftchen bemerkten, bläst uns oben ein mittelprächtiger Sturm um die Ohren. Im nächsten Moment haben wir unsere Übergangsjacken so weit wie möglich zugezogen, eh wir uns auf der Plattform umschauen.
Im Vergleich zu meinem ersten Besuch haben wir Glück. Denn weil in der Nacht zuvor ein Sturm über Paris hinwegfegte, ist die Luft bei unserem gemeinsamen Besuch deutlich klarer. Dadurch reicht die Sicht bis in die Vororte von Paris. Weil wir schon früh am Morgen auf die Aussichtsplattform gefahren sind, können wir uns außerdem frei bewegen - was im Sommer, aber auch Herbst nicht selbstverständlich ist. Denn oben haben höchstens 400 Besucher Platz. So kommen wir ganz ohne Gedränge zu einem Büro, in dem eine Wachsfigur von Gustav Eiffel auch heute noch mit seinen Ingenieuren über die Pläne des Bauwerks brütet.