Wer zuvor in Istanbul war, wird sich beim Anblick der Sacré-Cœur vielleicht an die Hagia Sophia erinnern. Denn der Entwurf der im sogenannten Zuckerbäckerstil errichteten Kirche wurde durch die Architektur römisch-byzantinischer Kirchen stark beeinflusst.
Anders als die Hagia Sophia am Bosporus wurde die Sacré-Cœur allerdings nicht im 6. Jahrhundert, sondern erst ab dem Jahr 1875 errichtet. Vor dem Bau hatte man einen Wettbewerb durchgeführt, bei dem sich der Entwurf des Architekten Paul Abadie (1812-1884) gegen 78 Konkurrenten durchgesetzt hatte.
Dem Bau waren tiefgreifende Ereignisse vorausgegangen. Den Beginn markierte der gegen Deutschland verlorene Krieg (1870/1871), in dessen Folge sich in Paris mehrere revolutionäre Bürger als »Pariser Kommune« zusammenfanden, um die Absetzung des Kaisers zu verkünden. Gegen den Willen der Zentralregierung versuchten sie, Paris sozialistisch zu verwalten.
Die Autonomiebestrebungen endeten schließlich 1871 in der »Blutigen Maiwoche«, in der die Pariser Kommune von der durch Deutschland unterstützten französischen Armee vernichtend geschlagen wurde. Nach diesen schrecklichen Ereignissen gelobten die französischen Katholiken, auf dem Montmartre ein Gotteshaus als Zeichen der Hoffnung und Besinnung zu errichten.
Bis die Basilika ihrer Bestimmung übergeben werden konnte, verzögerte sich der Bau jedoch. So erwies sich der Untergrund aus Sandstein als sehr schwierig, sodass sich der Bau bis ins Jahr 1914 hinzog. Der Weihe kam schließlich der verheerende Erste Weltkrieg dazwischen, sodass die Sacré-Cœur erst 1919 geweiht wurde. Auch wenn die Kirche seitdem wegen ihrer Optik oft verspottet wurde, zählt sie zu den beliebtesten Zielen in Paris. Wohl auch, weil sich einem von der großen Freitreppe vor der Kirche eine schöne Sicht über das Zentrum der Stadt eröffnet.
Gerne erinnern wir uns an unseren ersten Aufstieg auf die Sacré-Cœur. Damals gab es noch ein Kassenhäuschen, das lediglich von den Besuchern des Turms eine unangemessen hohe Gebühr verlangte, während diejenigen, welche weiter zur Krypta gegangen sind, unbehelligt blieben und - in einem günstigen Moment - auf dem Rückweg von der Krypta nur flugs nach rechts abbiegen mussten, um den Eintritt zu umgehen.
Diese Zeiten sind dank eines Drehkreuzes und dem dazu gehörigen Kassenautomaten leider vorbei. Wer schlank ist, könnte zwar zu zweit durch das Kreuz gehen. Guckt man aber erstmal eine Weile so dumm aus der Wäsche, dass ein Aufpasser aus der Krypta auf einen aufmerksam wird, ist auch diese Möglichkeit versperrt ... )-:
Aber ganz ehrlich: es gibt in Paris genug andere Aussichtsmöglichkeiten, die oft günstiger sind und einem mehr bieten als die Türme der Sacré-Cœur. Zumal bereits der Platz und die Treppe vor der Kirche einen recht guten Überblick über das Montmartre über die Innenstadt bis hin zum Eiffelturm gewähren. Aber wir wollen ja nicht meckern. Schließlich müssen wir wegen ein paar Euro Eintritt nicht gleich hungern und die steife Brise, die uns oben empfängt, hat ja auch was.
Mit anderen Worten: als wir oben angelangt sind und einmal um den mittleren Turm laufen, müssen wir uns gegen heftige Windböen wehren. Da sich bei so einem Wetter aber nur wenige Touristen auf den Turm wagen, entkommen wir dem Trubel der Stadt aber zumindest für eine Weile - auch das ist in einer Stadt wie Paris etwas wert.
Nachdem wir unsere Blicke ausgiebig über die Stadt und den Dunst der Pariser Vororte haben schweifen lassen, zum Eiffelturm hinüber und auf das Treiben vor der Sacré-Cœur hinabgesehen haben, verlassen wir die windigen Türme der Kathedrale. Abgesehen von einem leichten Ziehen in den Beinen fällt uns der Abstieg relativ leicht.
Aber das gehört sich wohl so, dass man spätestens nach dem Spaziergang durch das Montmartre und dem Aufstieg auf die Türme der Sacré-Cœur merkt, wie anstrengend eine gründliche Stadtbesichtigung zu Fuß sein kann.
Verglichen mit unserem ersten Urlaub in Paris, bei dem wir binnen einem Tag auf die Türme der Notré-Dame, der Sacré-Cœur und bis auf die zweite Plattform des Eiffelturms hoch gelaufen sind, aber fühlen wir uns noch relativ gut.
So also reicht uns eine kleine Verschnaufpause auf der weit ausladenden, romantischen Freitreppe vor der Sacré-Cœur zur Erholung, bevor wir auf die Suche nach einem netten Restaurant zurück zum Place du Tertre spazieren. Wenigstens einen Teil der verlorenen Kalorien wollen wir wieder wettmachen.
»Ganz Paris träumt von der Liebe ...«, nein, im unteren Bereich des Montmartre werden eher das Moulin Rouge und die große Mausefalle, sprich: das Pigalle, besungen und gefeiert. Was sich hier hinter all den leuchtenden Eingängen mit den oft drei großen Buchstaben verbirgt, ob es sich lohnt,
hier vielleicht Essen zu gehen oder sich eine der vielen schlüpfrigen Shows anzusehen? Wir haben keine Ahnung. Denn ganz gleich, wie berühmt die Namen im Pariser Rotlichtviertel klingen, so ist es doch bei Weitem nicht das wert, was wir hier wahrscheinlich ausgeben müssten.
Andererseits, wenn wir in unseren Büchern über Paris von »mehr oder minder hübschen Mädchen im Federfummel«, von Busladungen an Touristen, die für recht hohe Eintrittspreise in die Shows geschoben werden und zudem auch noch empfohlen wird, »auf das meist ausgesprochen miese Essen« zu verzichten, so glauben wir auch nicht, allzu viel verpasst zu haben. Nachzulesen ist die Kritik im Lingen »Paris entspannt entdecken und genießen«. Doch zum Hindurchschlendern bietet das Rotlichtviertel einen herrlichen Kontrast zu den heiligen Eindrücken auf dem Gipfel des Montmartre.