Am nächsten Morgen steht bei uns der sehr lange Spaziergang vom Pulverturm und dem Repräsentantenhaus über den Altstädter Ring und der Karlsbrücke bis hin zum Hradschin mit der Goldenen Gasse auf dem Programm. Je nach Zeit (und Ausdauer) wollen wir uns außerdem die Gärten beim Schloss Belvedere und unterhalb der Burg sowie die Parks der Kleinseite anschauen. Als Abschluss des Tages möchten wir danach auf den Laurenziberg zum Petrin. Der Aussichtsturm verspricht einen wunderschönen Blick auf die Moldau, die Altstadt und die Prager Kleinseite.
Angesichts des Mammutprogramms fahren wir zunächst mit der U-Bahn zum Platz der Republik bzw. der Station Námestí Republiky.
Mit U-Bahn zu fahren ist relativ einfach. Denn es gibt nur drei Linien und die Tickets sind die gleichen wie für die Busse und die Tram.
Am Platz der Republik angekommen, sind es nur wenige Schritte bis zum Repräsentanten- und Gemeindehaus (Obecní dum).
Von hier führt der Weg durch den Pulverturm über die Zeltnergasse zum Altstädter Ring, dem Herz der Prager Altstadt. Zunächst aber wollen wir uns das Obecní dum anschauen.
Weite Teile des Prager námestí Republiky sind eher schmucklos. Ein paar Baustellen, einige einmündende Straßen und Bahnschienen und nicht zuletzt die U-Bahn-Schächte bestimmen das Bild.
In Richtung Zeltnergasse jedoch befindet sich mit dem Gemeinde- und Repräsentationshaus (Obecni dum) eines der prächtigsten Gebäude der Stadt. Dementsprechend glamourös ist das Café im Jugendstil eingerichtet.
Das Zücken einer Kamera wird hier allerdings nicht so gerne gesehen. So winkt mich der Kellner erst durch, nachdem ich ihn ein wenig nerve ...
Als krasser Kontrast ragt neben dem hellen Gebäude der Pulverturm (Prasná brána) in die Höhe. Im Jahr 1475 begonnen, gilt er als architektonisches Gegenstück des Turms der Karlsbrücke. Ende des 17. Jahrhunderts diente er vorübergehend als Pulvermagazin, bevor er 1757 durch Beschuss teilweise zerstört wurde. Bei der Restaurierung im Jahr 1875 erhielt der Turm schließlich sein spätgotisches Aussehen.
Heute ist der Pulverturm Ausgangspunkt von Stadtführungen und Spaziergängen. So laufen auch wir durch den Turm in die Zeltnergasse. Oder besser: in die Bäckergasse. Denn diese buken hier früher die als »Zelten« bezeichneten flachen Kuchen. Mittlerweile natürlich werden in dieser Gasse mehr Postkarten und Souvenirs als Backwaren angeboten.
Dicht an dicht drängen sich die Leute vor dem Altstädter Rathaus. Unzählige Augenpaare blicken (fast) alle nach vorn in dieselbe Richtung. Reiseleiter versuchen, sich Gehör zu verschaffen - zum Teil mit Mikro und kleinen Lautsprechern. Dazwischen betreibt sicher der ein oder andere Taschendieb sein unseliges Geschäft. Hier ein paar Scheine, dort eine Uhr, eine Kette oder auch mal eine ganze Handtasche. In dem Gewühl fällt dies kaum auf.
Tatsächlich zieht das Altstädter Rathaus und seine Astronomische Uhr Tag für Tag mehrere Tausend Besucher in seinen Bann. Dies ganz besonders zwischen 9 und 21 Uhr, wenn zu jeder vollen Stunde Christus und die zwölf Apostel erscheinen. Ein Ereignis, was sicherlich nicht allzu spektakulär ist. Es ist einzigartig.
Das Altstädter Rathaus war ursprünglich ein Bürgerhaus, welches in den Markt hineinragte. Als die Prager im Jahr 1338 das Recht zur Selbstverwaltung erhielten, wurde das Haus jedoch zum Rathaus umgebaut und mehrfach erweitert.
Die Astronomische Uhr kam im Jahr 1410 hinzu und zeigt auf der oberen Scheibe die Uhrzeit, den Monat und die Mondphasen und auf dem untere Teil ein Kalendarium mit den zwölf Tierkreiszeichen und dem Stadtwappen in der Mitte.
Wer will, kann auf den 60 Meter hohen Turm des Rathauses steigen, von wo sich ein guter Überblick über die Altstadt zeigt.
Es ist Ostern. Grund genug für die Prager, einen kleinen Markt zwischen dem Altstädter Ring und der Karlsgasse aufzubauen. Livemusik und Auftritte verschiedener Tanz- und Folkloregruppen laden zum Verweilen ein, Souvenirs und Kitsch warten in den Auslagen auf ihre Käufer. Nicht zu kurz kommen darf da natürlich auch das leibliche Wohl. So locken Haxe vom Grill, Deftiges aus der Pfanne und der Gulaschkanone, aber auch allerlei Gebäck an die Stände.
Uns selbst zieht es zu einer Trdlo-Bäckerei. In Fließarbeit wird hier Hefeteig zu Zöpfen ausgerollt und über eine etwa fünf Zentimeter dicke Metallrolle, dem Trdlo oder Drehspieß, gewickelt. Danach wird der weiche Teig mit Milch eingepinselt und Kristallzucker bestreut. Im dritten Schritt schließlich wird die Rolle mit dem Teig in ein Gestell über einen Gasgrill mit offener Flamme gehängt. Wenig später ist der Zucker karamellisiert und der Teig gebacken und gebräunt. Im letzten Schritt teilt eine Frau das Gebäck in handgerechte Portionen. Unser Urteil: einfach lecker!!!
Der richtige Name des gebräunten Hefegebäcks ist Skalicky trdelnik, in Prag oft auch nur Trdelnik genannt. Wer sich daran daheim probieren möchte, braucht dazu ein Kilogramm Mehl, fünf Eier, 200 g Zucker, Milch, 20 g Hefe, zerstoßene Walnüsse, Aprikosenkerne oder Mandeln, Schmalz, Pflanzenöl, 150 g Butter, Vanille- und Puderzucker (miteinander vermischt).
Und so könnte es klappen:
Zucker, Hefe und Mehl mit Milch zu einer Hefemesse verarbeiten, dann Eigelb und Eiweiß (nicht alles nehmen) sowie die übrigen Zutaten beimengen und zu einem weichen Teig verrühren. Bei Zimmertemperatur gehen lassen.
Den Teig in fünf Stücke schneiden und zu Zöpfen formen. Nochmals gehen lassen, bevor sie auf den gefetteten, hölzernen oder metallischen Drehspieß gerollt werden.
Den auf den Tredlo gerollten Teig mit Eiweißschnee bestreichen und mit den gestoßenen Walnüssen, Mandeln oder Aprikosenkernen bestreuen (unsere waren ganz einfach mit Zucker) und über einer offenen Wärmequelle backen, bis er goldbraun ist. Dabei stetig drehen und gelegentlich mit etwas Fett oder Öl bestreichen.
Wenn die Trdelniks fertig sind, leicht abkühlen lassen und mit der Mischung aus Vanille- und Puderzucker bestreuen.
Nur wenige Meter vom Altstädter Ring entfernt laden Oldtimer (und solche, die so aussehen) zu einer teuren Rundfahrt durch Prag ein. Ob man da aber mehr sieht, als wenn man zu Fuß durch die Gassen der Altstadt spaziert, ist zwar unwahrscheinlich.
Um die Blicke von ein paar anderen Urlaubern auf sich zu lenken aber reicht es - die Prager selbst haben sich längst an den Anblick gewöhnt.
Für all diejenigen, welche über die Karlsbrücke flanieren möchten, macht die Fahrt allerdings kaum einen Sinn. Denn die Brücke ist nur für Fußgänger frei.
So laufen auch wir ein kurzes Stück über die Malé und biegen kurz darauf in die Karlsgasse ein. Hier entdecken wir eines der für Prag typischen Schwarzlichttheater, in denen die Künstler in schwarz gekleidet sind und mit Lichtern und fluoreszierenden Gegenständen teils effektvolle, teils unheimliche, meistens aber kitschige Darstellungen aufführen. Gleich neben einem dieser Schwarzlichttheater findet sich ein Marionettentheater, welches wir allerdings genauso links liegen ließen wie das Klementinum, einst ein Kolleg der Jesuiten, auf der rechten Seite der Karlova.
Verärgert blickten die Anwohner des Jan-Palach-Platzes auf die Dreharbeiten eines Films, der hier im Jahr 2000 gedreht wurde. Sicher wäre der ein oder andere am liebsten rausgegangen, um die Accessoires eines Thrillers über das Dritte Deutsche Reich herunterzureißen. Denn als Rutger Hauer »Vaterland« drehte, hing hier alles voller H*k*nkr**z-Fahnen. Es war ein Bild, das vor allem bei den alten Tschechen schlimme Erinnerungen weckte.
Tatsächlich taucht die Freitreppe vor dem Rudolfinum in zahlreichen tschechischen wie auch internationalen Filmen auf. Was allerdings nicht immer ganz glatt lief. Denn als der Streifen »Liga der außergewöhnlichen Gentleman« gedreht wurde und das Team gerade Unterwasseraufnahmen in der Moldau drehte, traf Prag das schlimmste Hochwasser seit 500 Jahren. Die Kulissen riss es mit sich.