Schon kurz nach Erreichen der Prager Kleinseite bemerken wir silberne Pfeile im Straßenbelag. Sie geben den Touristen den Weg in den höher gelegenen Stadtteil Hradschin mit der über 1.000 Jahre alten Burganlage.
Oben angekommen, erschreckt uns der Anblick eines gewaltigen Touristenknäuels am Eingangstor mit den kämpfenden Titanen. Müssen wir da jetzt tatsächlich anstehen, um in die Burg zu kommen?
Etwas ratlos und leicht gefrustet irren wir zwei bis drei Minuten umher, finden dann aber einen anderen Zugang in die Burg. Wofür die Leute angestanden sind (die Gemäldegalerie?), wissen wir nicht. Sicher aber ist, dass die Höfe der Burg frei zugänglich sind. Außerdem, so scheint es uns, sind die Schlangen vor den hinteren Tickethäuschen bei Weitem nicht so lang wie der Auflauf im vorderen Bereich der Burg.
Ob es vorne noch andere Eintrittskarten (Veits-Dom?) gibt als hinten, wissen wir nicht. Wohl aber, dass es hinten Karten für den alten Königspalast, die Nationalgalerie, die St. Georgs-Basilika, die Geschichte der Prager Burg, das Goldene Gässchen und eben auch die Galerie gibt.
Vom zweiten Durchgang der Burganlage führt ein schmaler Durchgang zum Sankt Veits-Dom. Oder auch nicht. Denn nachdem der Dom nach über 1.000 Jahre Bauzeit 1929 endlich fertig gestellt wurde, ist er heute das wohl meist besuchte Gebäude in Prag, vor dem sich bereits am Vormittag endlos erscheinende Menschenschlangen bilden.
Wer sich noch im Durchgang befindet, steht noch nicht an. Wohl aber ist dies der beliebteste und scheinbar auch beste Platz, um die zwei gotischen Türme des Doms sowie den barocken »Großen Turm« mit der 15,1 Tonnen schweren Sigismund-Glocke irgendwie aufs Bild zu bringen. Und da muss man sich erstmal durchkämpfen.
Der Veits-Dom selbst ist heute das geistliche Zentrum von Böhmen. Wer sich die Zeit des ewigen Anstehens nimmt, findet im Innern die Kapelle des Heiligen Wenzels. Sie wurde im Jahr 1345 errichtet und der Jahreszahl entsprechend mit 1345 Halbedelsteinen verziert.
Außerdem befinden sich in der Kathedrale die letzten Ruhestätten der Kaiser Rudolf II. und Karl IV..
Beeindruckend ist sicherlich das Lichtspiel im Dom, das durch 21 bunte Fenster in das Innere strahlt.
Da wir immer noch keine Lust haben, unsere Zeit mit Anstehen zu verbringen, schauen wir uns hingegen die St. Georgsbasilika im Ostteil der Burg an (zwischen Veits-Dom und Goldenes Gässchen).
Sie ist zwar bei Weitem nicht so prächtig, dafür aber immerhin die zweitälteste Kirche in Prag (erbaut 915 bis 922) und, da wir Karten für den kleinen Rundgang mit dem Goldenen Gässchen gekauft haben, für uns frei zugänglich.
Auf der rechten Seite der Prager Burg, direkt über den Wallgärten gelegen, befindet sich der Alte Königspalast. Bis zum Ende des 16. Jahrhunderts diente er als Herrschersitz. Beeindruckender finden wir jedoch, dass innerhalb des Schlosses Märkte und sogar Reitturniere statt fanden.
Genauer im Vladislavsaal, den König Vladislav Jagiello zwischen 1493 und 1502 erbauen ließ. Die Ausmaße des Saals sind gewaltig: über 63 Meter Länge, 16 Meter Breite und 13 Metern Höhe schaffen kunstvoll verschlungene gotische Rippengewölbe eine beeindruckende Raumwirkung.
Wer kennt ihn nicht, den Prager Fenstersturz? Gemeint ist dabei allerdings meistens der zweite Prager Fenstersturz, der im Jahr 1618 den 30jährigen Krieg zwischen Protestanten und Katholiken auslöste.
Die Leidtragenden waren damals die kaiserlichen Statthalter Jaroslav Borsita Graf von Martiniz und Wilhelm Slavata sowie der Schreiber Johannes Fabricius (wo bitte bleibt da die Pressefreiheit?), die aus dem Statthaltersaal des Palastes gestürzt wurden.
Verantwortlich für das Ereignis waren knapp 200 Vertreter der evangelischen Stände, die mit der Aktion gegen Kaiser Rudolf II. protestierten, der zuvor gegen die auch von ihm zugesicherte Religionsfreiheit verstoßen hatte. Was die wenigstens wissen: alle drei Gestürzten überlebten den Sturz.
Als Grund gilt hierfür, dass das Fenster sehr eng war und ein Hinauswerfen damit nicht möglich. Martiniz gelang es gar, sich noch eine Weile am Sims festzuklammern. Auch ist die Mauer der Burg schräg, sodass die drei mehr gerutscht als gefallen sein dürften. Ganz abgesehen davon, dass wegen der kühlen Witterung alle drei schwere Mäntel trugen, die den Aufprall dämpften.
Nach der Besichtigung des Alten Königspalastes verlassen wir die Burg über den zweiten Burghof und schlendern über die Pulverbrücke zu den königlichen Gärten. Schon bald bietet sich uns ein recht guter Blick auf den Veits-Dom (der nun auch endlich als Ganzes aufs Bild passt),
bevor wir wenige Schritte weiter die Ballspielhalle passieren und zur Orangerie kommen. Leider dient diese tatsächlich dem Schutz der kälteempfindlichen Südpflanzen und ist für Besucher geschlossen.
Dank des kühlen Wetters aber finden wir zumindest eine freie Bank und können in aller Ruhe ein paar Minuten mal gar nichts tun, bevor wir weiter durch den Park zum Belvedere spazieren. Von dort übrigens hat man gute Sicht auf die karge Rückseite des Goldenen Gässchens und,
links daneben, den Pulverturm. Neben einem kleinen Rosengarten gibt es beim Sommerpalast ein paar Statuen und einen Springbrunnen inmitten barock gestalteter Beete und Wege. Damit sind wir ein paar Wochen zu früh dran und bleiben nur kurz beim Belvedere.