Wer in Prag war und nicht über die Karlsbrücke lief, der war nicht wirklich in Prag. Denn ganz abgesehen davon, dass diese Brücke zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten Prags zählt, ist sie außerdem die wichtigste Verbindung zwischen der Altstadt und der Prager Kleinseite.
So sind in unseren zwei Reiseführern gleich drei Spaziergänge beschrieben, die hier über die Moldau führen. Doch auch ohne diese wären wir an den nur vier Tagen in der Stadt mehrmals über die Brücke gelaufen.
Nachdem eine erste hölzerne Brücke aus der Mitte des 12. Jahrhunderts im Jahr 1342 einem Hochwasser zum Opfer fiel, befahl Kaiser Karl IV. im Jahr 1357 den Bau einer neuen, diesmal steinernen Brücke.
Die Ausmaße dieser neuen, 520 m langen und 10 m breiten Brücke sind selbst für heutige Maßstäbe noch beachtlich. Damals war es ein architektonisches und statisches Meisterwerk. Wie schwierig es war, über die Moldau eine Brücke zu errichten, zeigt, dass die Karlsbrücke bis 1836 der einzige Übergang über den Fluss in Prag blieb.
Kaum sind wir auf dem ersten Brückenpfeiler angelangt, zieht eine kleine Tür auf der linken Seite unsere Aufmerksamkeit auf sich - der Eingang zum Altstädter Brückenturm. Wie die Karlsbrücke wurde auch er unter Kaiser Karl IV. errichtet und gilt heute als einer der schönsten gotischen Türme in Europa.
Denn im Gegensatz zu den üblichen Türmen diente der Brückenturm nicht allein militärischen Zwecken, sondern erfüllte schon damals repräsentative Aufgaben.
Karl IV. nämlich hatte sich für seine Nachfolger eine neue Trasse ihrer Krönungszüge einfallen lassen - und diese führte genau über die Brücke zwischen der Kleinseite und Altstadt.
Bis ganz nach oben (47 Meter) sind es 138 Stufen. Die Treppe aber ist angenehm zu bewältigen, Begegnungsverkehr ist möglich. Oben angelangt bietet sich uns ein schöner Rundblick über die Altstadt mit ihren vielen Türmen,
die Kleinseite und die Burg Hradschin mit dem Veitsdom, die Moldau und natürlich die Karlsbrücke mit ihrem bunten Treiben selbst.
Nachdem das Innere mehrfach umgestaltet wurde, befinden sich heute neogotische Balkendecken im ersten und zweiten Stockwerk. Im Obergeschoss ist die Decke außerdem mit Wappen der Böhmischen Kronländer und Prager Städte verziert.
Auf der Brücke selbst herrscht reger Andrang. Einige Künstler nutzen diesen Besucherstrom, um ihre Bilder und Karten an den Tourist zu bringen. Daneben sehen wir mehrere Urlauber, die sich vor Ort porträtieren oder mit wenigen Strichen karikieren lassen.
Auch hören wir einen Musiker, der eine ganze Reihe an Instrumenten am Körper trägt und es versteht, eine regelrechte Traube an Zuhörern um sich herum zu versammeln. Doch aufgepasst, denn auch auf der Brücke treiben sich Taschendiebe herum, weswegen die Karlsbrücke inzwischen mit Kameras überwacht wird.
Zunächst völlig ohne Statuen errichtet, finden sich heute 30 Heiligenstatuen auf der Karlsbrücke. Die älteste von ihnen, die Statue des Heiligen Johannes von Nepomuk, stellten die Prager 1683 auf.
Nach einer Legende soll der Beichtvater der Königin den Zorn König Wenzels IV. auf sich gezogen haben, weil er nicht verraten wollte, was die Königin ihm zu beichten habe. Wahrscheinlicher jedoch ist, dass Nepomuk einem antiklerikalen Anfall des Königs zum Opfer fiel. Nach einem peinlichen Verhör anno 1393 ließ ihn Wenzel IV. in die Moldau werfen, um Folterspuren zu vertuschen.
Frei erfunden halten wir hingegen, dass die Zunge des schweigsamen Beichtvaters nach dessen Exhumierung im Jahr 1719, 316 Jahre nach seinem gewaltsamen Tod, noch lebendig gewesen sein soll. Sicher aber ist, dass der Brückenheilige heute die beliebteste Figur der Karlsbrücke ist. So soll es Glück bringen, wenn man das Relief des Heiligen berührt.
In der Praxis sieht das dann so aus, dass der Hund auf der linken Seite und der Oberkörper und Rock einer Frau auf der anderen Seite blitzblank gestreichelt sind. Bis zum Nachmittag bildet sich eine lange Schlange vor dem Relief.