Bevor es zum Wenzelsplatz geht, spazieren wir entlang der Moldau über die Uferpromenade mit den Straßen Smetanova und Masarykova zur Slawischen Insel. 1880 wurde hier eine Veranstaltungshalle samt dem Restaurant Zofín gebaut.
Tagsüber zieht es jedoch überwiegend Familien auf die Insel, die von der Nordseite der kleinen Insel (auch hier bietet sich ein schöner Blick auf die Karlsbrücke) mit Tretbooten auf die Moldau starten.
Uns aber zieht es zur Südspitze der Insel, wo sich ein 500 Jahre alter Wasserturm befindet. Leider aber wird der Turm zurzeit unseres Aufenthalts gerade restauriert, sodass uns anstelle des alten Gemäuers eine Werbung für Veolia-Mineralwasser entgegen grinst.
Dafür aber bietet uns die Insel zumindest eine schöne Sicht auf die prächtigen Häuser der Masarykova Straße und das 1996 errichtete Tanzende Haus an der Ecke zur Resslova.
Nach dem Abstecher über die Slawische Insel spazieren wir über die Uferstraße, passieren das Denkmal zu ehren des Schriftstellers Alois Jirásek und biegen bei der Legií-Brücke nach rechts in die Nationalstraße und zugleich in die jüngere Geschichte von Prag ein.
Denn hier, zwischen dem Nationaltheater auf der rechten Seite und dem Café Slvia auf der linken Seite, schwenkten am 17. November 1989 rund 15.000 Demonstranten in die Nationalstraße ein.
Und genau damit hatte die Regierung ein Problem. Denn die Veranstaltung galt offiziell dem tschechischen Studenten Jan Opletal, der fünfzig Jahre zuvor durch deutsche Nationalsozialisten umgebracht worden war. Ein Verbot der Demonstration war daher nicht möglich,
auch wenn jeder wusste, dass die jungen Leute den Anlass nutzten, um gegen die schlechten Verhältnisse im Land zu demonstrieren. Denn auch wenn die Berliner Mauer wenige Tage zuvor gefallen war, so hielt das Prager Regime dennoch an seinem Kurs und den damit verbundenen Einschränkungen fest.
Als sichtbarste dieser Einschränkungen versperrten Sicherheitskräfte den Demonstranten den Weg hoch zum Wenzelsplatz. Nachdem die Demonstration lange Zeit friedlich blieb, kam es am Abend schließlich zur Eskalation. Die Polizei schlug auf die Studenten ein und drängte sie in Nischen und Eingänge.
Neben 150 Verletzten gab es zum Glück jedoch kein einziges Todesopfer. Dafür aber erinnert heute in einem Durchgang der Nationalstraße (auf der rechten Seite, von der Moldau aus gesehen) eine Plastik mit ausgestreckten Händen und zum Victory-Zeichen geformte Finger.
Wenige Meter weiter erreichen wir den Wenzelsplatz, der allerdings mehr einer Prachtstraße denn einem Platz gleicht. Am unteren Ende des langgezogenen Platzes befindet sich ein kleiner Markt. Es ist Zeit, ein leckeres Trdlo zu genießen. Das ist ein uns bisher unbekanntes Hefegebäck, welches über einer offenen Flamme karamellisiert wird. Jahre später finden wir ähnliches Gebäck auch in anderen Ländern, dass meist als Baumkuchen angeboten wird.
Nach der kurzen Pause kommen wir im oberen Teil des Wenzelsplatz erst zu einer Gedenktafel für Jan Palach und Jan Zajíz. Danach, auf der anderen Seite der Querstraße, zu einem Gedenkkreuz für Jan Palach, der sich aus Protest vor dem Regime selbst verbrannt hatte.