»Was hat der, was ich nicht habe???« Gespielt empört, ein wenig verblüfft, vielleicht auch mit einer Spur Neid blickt ein befreundeter Gast zu mir rüber. Nun, zuallererst einmal habe ich einen Cappuccino, der nicht aus dem allgemein zugänglichen Instant-Kaffeeautomaten stammt, sondern mit der Luxus-Kaffeemaschine vom Café nebenan zubereitet wurde. Es liegt nahe, dass da eine gehörige Portion Trinkgeld im Spiel war. Wer mich kennt, weiß es besser. Mit Scheinen nur so um sich zu werfen, überlasse ich gerne anderen.
Also müssen wir den Bogen weiter spannen. Begonnen hat alles bei einem ganz normalen Frühstück, bei dem wir nacheinander zum Büfett gegangen waren. Warum immer einer von uns am Tisch geblieben ist (Vögel, die aufs Frühstück lauern? Bereits sehr volles Restaurant?) wissen wir nicht. Wohl aber hatte der jeweils andere in der kurzen Zeit die Möglichkeit, sich umzusehen und die anderen Gäste zu beobachten. Nichts Besonderes, sollte man meinen. Macht schließlich so ziemlich jeder.
Was wir sahen, hat uns allerdings nachdenklich gemacht. Denn so, wie die Leute hereinkamen, hingen die Mundwinkel eher nach unten. Am Büfett selbst wurde jedwede Auswahl mit strengen Blicken bedacht. Enttäuschung lag in der Luft. Langgezogene Gesichter suchten nach Dingen, die am heimischen Herd Standard sind, die hier aber möglicherweise fehlten. Zu unserem Erstaunen sahen die wenigstens auf, um die Menschen, die das alles gerichtet hatten, zu grüßen oder auch nur anzublicken.
Zuletzt erschreckte uns, wie viele Gäste sich anschließend an den Tisch setzten, um als Nächstes irgendwelche Apps auf dem Smartphone zu bedienen, um virtuelle Tiere einer virtuellen Farm zu füttern oder um sich von einer Daily Soap berieseln zu lassen. Den Gegenüber anschauen? Ja klar, um zu zeigen, welche Weltsensation man gerade im weltweiten Netz entdeckt hat. Oder ist es doch nur ein Selfie mit dem soeben ergatterten Omelette? Wer weiß das schon?
Ein Blick zwischen uns sprach Bände. So einen Start in den Tag wollen wir tunlichst vermeiden. An den nächsten Tagen haben wir darauf geachtet, den Frühstückssaal mit einer freundlichen Mine zu betreten. Wir haben die Menschen, die für unser Wohl arbeiten, herzlich gegrüßt. Und wir sind mit einem Lächeln im Gesicht ans Büfett gegangen und haben uns über die Leckereien gefreut, die das Servicepersonal liebevoll arrangiert hatte.
Sie ahnen schon, worauf es hinausläuft. Denn so »wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus«. Bald schon wusste der Koch bei der Egg Corner ganz genau, wie wir das Omelette am liebsten mögen; wir aber auch ganz gerne »mirrow eggs«, also Spiegeleier zum Frühstück essen. Zugleich begegneten uns die Servicekräfte mit einem Strahlen, welches sie gegenüber anderen Gästen eher selten aufblitzen ließen.
Ebenfalls bald wurde unser subjektives Empfinden von anderen Gästen relativiert. Mit ihnen waren wir uns einig, dass die Servicekräfte dafür bezahlt werden, sie also auch entsprechend zu arbeiten haben. Neu war den meisten jedoch der Hinweis: »Ja, aber es gibt eine Menge Leute, die niemals einen Job annehmen würden, bei dem sie andere bedienen müssten.« Mit dieser Haltung verlassen wir das Restaurant mit einem recht guten Gefühl, was gerne den ganzen Tag anhält.
Dieses Gefühl gipfelte im Hilton Salalah Resort. Dass der Kellner auf der Terrasse, Sherif, ab dem dritten Tag wusste, welchen Wein wir gerne abends trinken und dass Wasser auf jeden Fall Kohlensäure enthalten muss, waren wir gewohnt. Genauso, dass das ukrainische Gesangsduo A&N (Anna und Nathalie) sehr bald die Musikrichtungen kannte, zu denen wir am liebsten tanzen, war nichts wirklich Neues. Die Überraschung ließ bis zum Ende unserer Reise in den Oman warten.
Es war Indah, die zu uns kam. Indah betreut das Café im Hilton und kannte die Zeiten, zu denen wir in etwa bei ihr zu einem Kaffee auftauchten. Ihr zufolge fielen im Hotel verschiedene Typen Gast auf. Da gebe es diejenigen, die sich gerne mitteilen. Andere würde die Ruhe vorziehen und blieben für sich. Wir waren bekannt als »das deutsche Paar, das immer freundlich ist und ein langes Leben haben wird, weil es so viel lacht«. Glauben wir Indah, müssen uns eine Menge Leute nach unserer Abreise vermisst haben.
Andere Gäste werden uns folgen und für Freude und Gesprächsstoff im Hotel sorgen. Was bleibt, ist eine Erkenntnis: »Gegenüber dem Personal reicht erstaunlich wenig Höflichkeit, um einen starken positiven Eindruck zu hinterlassen.« Dass sich als eine Folge drei Angestellte daran beteiligten, mir einen Cappuccino zu bringen, zählt dann zu den Gesten, die nicht nur das Umfeld sprachlos machen, sondern auch uns selber überraschen. Die uns aber auch darin bestärken, unseren Mitmenschen weiterhin freundlich zu begegnen.