Endlich kommen wir zur Sixtinischen Kapelle. Bittet uns am Eingang noch ein Schild, still zu sein, um die andächtige Stimmung zu bewahren, erwartet uns nur einen Schritt weiter ein ganz und gar nicht andächtiges Stimmengewirr. Es ist laut. Daran, die Kapelle auf sich wirken zu lassen oder sich gar innerlich zu sammeln, ist nicht zu denken. Und es ist voll.
Wo immer wir hinblicken, sehen wir uns von etlichen anderen Besuchern umzingelt. Zwar versuchen mehrere Bedienstete mit lautem Rufen, auf die Ge- und Verbote aufmerksam zu machen. Doch in der Menge haben sie verloren. So bleibt ihnen nur, sich auf die Leute zu konzentrieren, welche meinen, in der Kapelle mit dem für Farben schädlichen Blitzlicht fotografieren zu müssen.
Aber das ist wohl die Schattenseite dafür, dass die Sixtinische Kapelle das berühmteste Gebäude innerhalb der vatikanischen Museen ist. Nachdem wir uns einen Platz gesucht haben, an dem man nicht ganz so arg bedrängt wird, schauen wir uns in der Kapelle um. Das heißt, zu allererst richten wir unseren Blick nach oben, befinden wir uns doch unter dem berühmtesten Deckengemälde der Welt. Vier Jahre lang, zwischen 1508 und 1512, arbeitete Michelangelo an dem gewaltigen Werk, welches die Erschaffung der Welt darstellen soll.
Die bekannteste Szene befindet sich in der Mitte des Freskos: die Erschaffung Adams, der am Boden liegt und seinen Zeigefinger dem Schöpfer entgegenstreckt. Aus unserem Reiseführer erfahren wir, dass der Raum zwischen den beiden Zeigefingern die überirdische Kraft Gottes symbolisiert, die den Körper Adams beseelen wird.
An den Seitenwänden sehen wir zwölf Szenen aus dem Neuen und Alten Testament. Sie sind älter als das Deckengemälde und waren ursprünglich 14. Doch zwei Szenen, die Auferstehung Christi und der Streit um den Leichnam von Moses, fielen dem jüngsten Gericht zum Opfer, welches Michelangelo 1522 erstellte.
Zwei der bekanntesten Szenen des Alten und Neuen Testaments stehen sich genau gegenüber: die Bergpredigt von Jesus auf der Nordwand und Moses auf dem Sinai im Süden.
Weitere wichtige Bibelstellen sind auf der Nordseite die Taufe Christi (1. Bild) und die Schlüsselübergabe an Petrus (5. Bild). Unser größtes Interesse aber gilt dem 6. Bild auf der Nordseite: das letzte Abendmahl von Cosimo Rosselli, in welchem der Künstler den Verräter Judas gegenüber von Jesus dargestellt hat und auch Platz für Maria Magdalena, die Geliebte von Jesus, fand. Und wir können sagen: wir haben es mit eigenen Augen gesehen: sie steht wirklich an seiner Seite.
Auf der Suche nach etwas Ruhe scheren wir aus dem Strom der Besucher aus und kommen zur Kapelle Nikolaus. Verglichen mit den großen Sälen und der Sixtinischen Kapelle,
zu der wir erst später kommen, befindet sie sich im ehemaligen Turm des ersten päpstlichen Palastes, den Nikolaus V. umwandeln ließ. Damit zählt die Kapelle zu den ältesten Bauten im Vatikan.
Das Alter und die Enge in dem Raum ist dann wohl auch der Grund, warum man nicht ganz in die Nikolaus-Kapelle gehen kann. Tatsächlich nämlich kommen wir nur bis zu einer Nische direkt vor der Kapelle, jedoch ohne den deutlich größeren Chiaroscuro-Saal wirklich zu verlassen.
Der Name dieses Saals leitet sich aus der Art der Gestaltung mit der »Hell-Dunkelmalerei« ab. Zu sehen sind hier Fresken, die 1517 nach Zeichnungen Raffaels ausgeführt wurden.