Die ehemalige Silla-Hauptstadt Gyeongju bildet an sich bereits ein riesiges Freilichtmuseum. Die Koreaner bezeichnen die Stadt liebevoll als »Museum ohne Mauern und ohne Dach«. Das mit dem Dach mag vielleicht stimmen. Doch als wir in Richtung dem Daereungwon Park spazieren, stehen wir urplötzlich vor einer unüberwindbaren Mauer. Mit einer Länge von 1,6 Kilometern umschließt diese den Park der Großen Tumuli oder auch Tombs wie vor Ort zu lesen ist. Außerdem hat sie lediglich zwei Öffnungen, im Süden und im Norden.
Das Areal ist Teil der UNESCO-Welterbestätte »Historische Stätten von Gyeongju«. Da kommt man um die Abgabe eines Obolus nicht umhin. Hier werden wir Zeuge, wie sich Automatismus und Service miteinander vereinbaren lassen. Um Warteschlangen vor den Kassen zu vermeiden, sind die Tickets an Automaten zu lösen. Und für einen reibungsfreien Ablauf sorgen die Angestellten, welche als eine Art Handlanger zwischen den Besuchern und der Technik fungieren.
Einen Steinwurf vom Eingang entfernt, befindet sich ein idyllischer Kiefernwald. Der Fußweg mäandriert hindurch, eh er Kurs auf die nächste Mauer nimmt. Ein Tor, verziert mit dem Yin-Yang-Symbol, öffnet sich zum Grab von König Michu lsageum, dem 13. Herrscher des koreanischen Königreichs Silla. Wie folgen dem Schild Tomb.
Er war der Begründer der Kim-Dynastie und regierte von 262 bis 284 nach Christus. Wir spazieren um den Tumulus herum, um einen ersten Eindruck von der Größe solcher Gräber zu gewinnen. Mit einer Höhe von 12,40 Meter und einem Durchmesser von 56,70 Meter gehört es zu den größten Hügelgräbern von Daereungwon.
Vor dem Grab des König Michu steht ein mächtiges Gebilde aus Granit. Es ist der so genannte Sunghyejeon-Schrein, bei dem einst Gedenkgottesdienste abgehalten wurden. Heute klettern Kinder darauf herum. Zumindest solange, bis eine schrille Trillerpfeife ertönt. Dann ist der Spuk binnen Sekunden vorbei.
Die Kletterei gehört zu den Dingen, die in Korea bei solchen Stätten gar nicht gerne gesehen werden. Wer auf einen der Grabhügel hinaufsteigt und sich erwischen lässt, erwarten sogar Strafen bis zu 20 Millionen Won. Während unserer Reise entsürich dies etwa 15.000 EUR. Alternativ drohen zwei Jahre Gefängnis.
Um das Grab von König Michu rankt sich eine Legende. Nach dem Tod des Königs fielen japanische Truppen in das Silla-Reich ein. Die Angreifer waren zahlenmäßig so stark, dass dem Reich eine bittere Niederlage bevorstand. Doch als alle Hoffnung verloren schien, stieg plötzlich eine riesige Armee aus König Michus Grab empor.
Sie soll die Angreifer geschlagen haben. Anschließend verschwanden die Geistersoldaten wieder. Allerdings hinterließen sie Bambusblätter, welche ihnen aus den Ohren wuchsen (das steht wirklich so in der Geschichte). Die Blätter blieben vor dem Grab am Boden liegen. Ob die Geister der Grund für die doppelte Ummauerung sind?
Insgesamt befinden sich 23 Königsgräber im Park des Daereungwon. Sie stammen aus der Ära der Drei Königreiche, welche sich über die Jahre 57 v. Chr. bis 660 n. Chr. hinzog. Hier fanden die Könige unter mit Gras bewachsenen Hügeln ihre letzte Ruhestätte. Lange Zeit standen Wohnhäuser zwischen den Erdhügeln. 1975 wurden die Häuser abgerissen, die Gräber freigelegt und in der Folge untersucht. So entstand die Hauptakttaktion von Gyeongju, in der sich heute einer der wichtigsten Selfie-Points der koreanischen Halbinsel befindet. Die Mulde zwischen zwei kleineren Gräbern bietet den perfekten Blick auf das Doppelhügelgrab Hwangnam Daechong.
Unter diesem, mit 23 Metern höchstem Grab der Anlage sollen König Soji und seine Frau begraben sein. Zumindest wird dies angenommen. Wir denken, der gewaltigen, von Frauen dominierten Besucherschlange ist es gleich, wer oder was dort beerdigt ist. Fröhlich und geduldig warten sie, bis sie an der Reihe sind, das perfekte Foto beim Tomb abzulichten. Als Erosionsschutz ist eine lange Jutematte ausgelegt. So findet auch jeder, Entschuldigung, jede mit sauberen Schuhen zu ihrem Ziel.
Wir begnügen uns mit den freien Plätzen auf den Wiesen zwischen den kuriosen Grashügeln, bevor wir an ein Sammelsurium an großen Steinen aus dem Silla-Reich gelangen. Es handelt sich um Treppenabsätze, Fundamente für Stupas und sonstige Steingebilde, die im Laufe der Jahre bei den Ausgrabungen in und um die Stadt Gyeongju freigelegt wurden. Damit haben wir genug gesehen und begeben uns schon in Richtung des nördlichen Ausgangs. Auf dem Weg dorthin lockt uns der Lotusteich hinter dem Hwangnam Daechong dann aber doch wieder zurück in die Anlage.
Cheonmachong – Hügel des Himmlischen Pferdes
Der Teich bietet eines der schönsten Motive im Daereungwon. Gleich dahinter befindet sich Cheonmachong, der Hügel des Himmlischen Pferdes. Es mag höhere, gewaltigere Gräber im Park geben, sodass wir es schier übersehen hätten. Es wäre ein Jammer, denn es ist das einzige Grab, welches auch von innen besichtigt werden kann. In dem Hügel ist ein kleines Museum eingerichtet, welches Pferdegeschirr aus dem Silla-Reich beherbergt.
Auf einer Sattelmatte ist das Bild des Weißen Himmlischen Pferdes zu sehen. Der Überlieferung zufolge dient das Pferd dazu, die Toten in den Himmel zu tragen. Dazu gibt es goldene Steigbügel und bronzene Pferdeglocken. Aber auch Relikte wie goldene Diademe der alten herrschenden Klasse sowie eine Goldkrone wurden als Grabbeilagen gefunden.
Wir verlassen den Park der Königsgräber von Daereungwon durch das Nordtor und überqueren die Straße. Fast schon unscheinbar zwischen den vielen Grashügeln befindet sich hier die Große Glocke der Silla in einem Pavillon. Gleich gegenüber ist der Noseodong-Park oder auch Noseo-ri.
Kostenlos kann man hier zehn weitere Tumuli besichtigen. Das Nodong-ri-Grab bei Bonghwadae ist mit einem Umfang von 250 Metern sogar das größte Einzelhügelgrab aus dem einstigen Silla-Reich. Auch wenn dieser riesige Hügel mit knorrigen Bäumen bewachsen ist, darf auch dieser nicht bestiegen werden.
Im westlichen Teil des Parks befindet sich das Geumgwanchong, der Goldkronenhügel. Darin fand man die erste der berühmten Goldkronen aus dem Silla-Reich. Daneben steht das Seobongchong, der Hügel des Glücksbringenden Phönix. Große schattige Bäume zieren die Rasenflächen zwischen den Tumuli. Alles in allem ist es ein idyllischer Ort für für ein romantisches Picknick im Grünen. Die jungen Koreaner sind dafür natürlich perfekt gerüstet. Wir indes machen uns langsam auf die Suche nach einem gemütlichen Restaurant.