Eine tragische Legende und ein Füllhorn an Ideen für skurrile Skulpturen bilden die Grundlagen für den Haesindang Park, einem der seltsamsten Orte in Südkorea. Der Weg dorthin führt uns entlang der wunderschönen Küstenstraße am Ostmeer in der Provinz Gangwon.
Nangman Gado, die »Romantic Road of Korea«, soll Familien und Freunden unvergessliche Erlebnisse bescheren. Was mich betrifft, so bin ich gespannt, wie wohl mein völlig unvorbereiteter Ehemann auf der Erlebnis Haesindang Park reagieren wird?
Wir erreichen Sinnam, ein pittoreskes Fischerdorf in der Provinz Gangwon. Unser Ziel ist der kleine Fischerhafen mit seinen bunten Häusern und dem Eingang zum Haesindang Park. Doch schon bei der Ortseinfahrt bekommt unsere Vorfreude einen Dämpfer. Das erste Blechhaus, das wir passieren, wurde über den Asphalt hinweg zur Böschungskante geschwemmt und hängt nur noch mit einer Ecke in der Straße. Es sind Bilder von Taifun-Schäden, welche wir laut den europäischen Nachrichten in Gangneung erwartet hatten. Die Namen der Städte von Korea ähneln sich für das europäische Ohr sehr häufig. Da kann es leicht zu Verwechslungen kommen. Bisher blieben wir von Verkehrsbehinderungen verschont. Nun aber werden wir von eben diesen überrascht.
Das Militär ist gerade am Aufräumen. Die Durchgangsstraße ist bereits weitgehend vom Schlamm und Geröll befreit und sauber. Einzig die Zufahrt zum Hafen ist gesperrt. Ich frage, ob der Haesindang Park überhaupt geöffnet ist? Klar ist er das. Allerdings müssen wir den oberen Eingang nehmen. Es gehört wohl zur koreanischen Ordnungsliebe, dass schon kurz nach einem Unglück alles wieder so gut wie möglich funktioniert. So gut er kann, erklärt mir der Soldat, dass der Taifun das Tal zum Hafen geflutet hat. Die Häuser im Tal ragen nur noch stückchenweise aus dem meterhohen Schutt und Geröll heraus. Uns bietet sich ein Bild der Verwüstung. Überall liegen Teile von Blechdächern, Matratzen und Schränken herum. Sogar eine Waschmaschine wurde durch die Wucht des Wassers ins Freie gespült.
Der Soldat deutet besorgt auf eine Taifun-Karte auf seinem Smartphone. Der nächste Tropensturm sei bereits im Anmarsch. Seine Hoffnung ist, dass dieser an Japan hängenbleibt. Ein Land aber wird ihn sicher abbekommen. Ich schlucke erst mal, denn bei der erwarteten Ankunft des Sturms werden auch wir noch in dieser Region sein. Wir hoffen das beste, sind ob der Verwüstung bestürzt, zugleich aber auch überwältigt von der Kraft des Taifuns Mitag. Es ist so unwirklich und könnte eine Kulisse aus den Universal Film Studios sein.
Noch immer leicht entsetzt vom soeben Erlebten, kommen wir etwas später am oberen Parkplatz des Haesindang Parks an. Kurz vor uns ist eine größere Bus-Reisegruppe eingetroffen, welche gerade ihr Picknick fröhlich ausbreitet. Die Aussicht über den grünen Wald zum Meer ist traumhaft, die Taifun-Schäden scheinen hier oben keinen zu kümmern. 3000 Won kostet der Eintritt in den Park pro Person. Kurz darauf schlendern wir einen hübsch gewundenen und von Kiefern gesäumten Spazierweg hinab in die gepflegte Anlage des Haesindang Penis-Parks.
Der Haesindang Park garantiert seinen Besuchern, mit einer Vielzahl phallischer Skulpturen gut gelauntes Lachen hervorzurufen. Um uns herum hören wir ausgelassenes Lachen und Kichern von Koreanerinnen. Offenbar hält der Park, was er verspricht. Es ist schon erstaunlich, wie wandelbar Menschen sind. Südkorea wirkte auf uns bislang äußerst sittenstreng. Doch hier befinden wir uns plötzlich jenseits jeder Prüderie. Riesige Penis-Statuen grinsen uns an, schmunzeln auf uns herab oder schauen einfach blöd aus der Wäsche – oder woraus auch immer. Selbst die Holzbänke und Steinhocker sind entsprechend geformt. Frauen sitzen darauf und machen kichernd Faxen, während ihre Männer verschämt dreinblicken und Fotos schießen.
Das heute ausgelassene Treiben im Park täuscht über den tragischen Ursprung hinweg: die Legende der jungen Frau Auebawi. Sie hatte einst ihre Liebe einem jungen Fischer versprochen. Eines Tages setzte eben dieser Fischer seine Verlobte Auebawi auf einem Felsen im Meer ab. Sie wollte dort Seegras sammeln, während er versprach, sie später mit dem Boot wieder abzuholen. Doch leider schwang das Wetter um und peitschte ein heftiger Sturm das Wasser auf. Der Fischer eilte ihr zu Hilfe, um sie aus der tosenden See zu retten. Doch Auebawi ertrank, noch eh er sie erreichte. Fortan fingen die Bewohner des Dorfes keine Fische mehr. Sie gaben der rastlosen Seele Auebawis die Schuld, welche alle Fische vertrieb. Bis hierhin sind sich die Geschichten einig, weichen dann aber voneinander ab.
Bei einer Erzählweise erleichterte sich ein Fischer im Meer und fing kurz daraufhin einen Fisch. Einer anderen Legende zufolge sollen sich die jungen Fischer des Ortes regelmäßig ans Meer gestellt haben, um ihren erigierten Penis zu zeigen. Jedenfalls soll sich der Geist Auebawis beim Anblick des männlichen Gliedes so erfreut haben, dass endlich Ruhe einkehrte und die Fische zurückkamen. Um die traurige Seele des Mädchens auch weiterhin zu besänftigen, begannen die Dorfbewohner damit, Statuen von Penissen aufzustellen. Zu Ehren Auebawis gibt es heute einen kleinen Schrein auf der Klippe, an deren Fuß sie starb. Zweimal im Jahr werden hier religiöse Zeremonien abgehalten.
So ernst der Mythos klingt, so lustig ist der in den 1970er Jahren eröffnete Park. Und das gilt sowohl für europäische Touristen wie uns als auch für die koreanischen Besucher. Denn Haesindang ist einer der beliebtesten Parks Koreas. So nimmt so manch ein Besucher für einen Tagesausflug die drei Stunden Fahrt von Seoul hierher und wieder zurück in Kauf. Und das nur, um die chinesischen Tierkreiszeichen als Soldaten in einem Unterstand in Penisform zu sehen. Oder um eine wippende Penis-Kanone zu beobachten. Bei Scherz und Sinnlichkeit war den Künstlern und Machern keine Grenzen gesetzt.
Wem die viele stattliche Männlichkeit irgendwann dann zu viel wird, empfehlen wir einen Spaziergang hinunter ans Meer. Der Küstenabschnitt ist wirklich traumhaft. Auch die hübsche Bepflanzung der Gärten und Rabatten mit unzähligen bunten Blumen hat etwas Aufmerksamkeit verdient. Zuletzt lohnt sich ein kurzer Rundgang durch das Fischereimuseum. Bei unserem Besuch macht dieses zwar einen eher verwaisten Eindruck und sind mehrere Bereiche abgesperrt. Das aber kann ebenfalls eine Folge des Taifuns sein. So schlendern wir schon bald wieder durch den Park und entdecken auf der Treppe im Pinienhain eine Gottesanbeterin. Der Fangschrecke ist das Phallusgehabe egal. Sie sitzt einfach da, wartet auf Beute und freut sich vielleicht darauf, bald einen männlichen Artgenossen vernaschen zu können.