Die Koreaner sind von Natur aus prüde. Händchenhalten oder sich Küssen sind in der Öffentlichkeit tabu, ein Fauxpas par excellence. Sittenstrenge gehört zu den Gesellschaftsphänomenen des Landes. Wollust wird hinter Türen versteckt; und wenn es die eines Love Hotels sind. Erst wenn Erotik und Sinneslust in skurriler Kunst verpackt werden, scheinen alle Hemmungen zu fallen. Mit einem Mal wird der Freizügigkeit freien Lauf gelassen. Ausgelassene Koreanerinnen haben wir bereits im Penis Park Haesindang erlebt, als sie sich lauthals lachend auf die Skulpturen stürzten. Bei unserem Besuch im Jeju Love Land verhält es sich ähnlich. Damit setzt sich die Ausgelassenheit unbekümmert fort.
Die ersten Gehversuche im Bereich der Erotik erlebte Jeju nach dem Ende des Koreakriegs. Damals hatte sich die Insel zu einem beliebten Ziel für Flitterwochen entwickelt. Sex vor der Ehe war noch lange danach ein Tabu. Und daran hatten sich insbesondere die Frauen zu halten. Andernfalls liefen sie Gefahr, als unehrbar stigmatisiert zu werden.
Als Folge lernten sich frischvermählte Paare oft erst während der Flitterwochen näher kennen. Etwas sexuelle Aufklärung konnte also nur nützlich sein, weshalb auf der Insel einige Einrichtungen genau diesem Thema gewidmet sind. Auch der Jeju Love Land Park behandelt als Hauptthema die menschliche Sexualität und Lust.
2002 wurden Kunststudenten der Hongik University in Seoul mit den Skulpturen des Parks beauftragt. Am 16. November 2004 konnte dieser eröffnet werden. Es versteht sich von selbst, dass der Zutritt erst ab 18 Jahren gestattet ist. Denn wo auch immer die jungen Studenten ihren Erfahrungsschatz gewonnen haben, bei der weitgehend zügellosen Darstellung konnten sie ihrer Fantasie offensichtlich freien Lauf lassen. Von schlicht erotisch, lasziv oder obszön bis hin zu pervers und abartig ist hier alles vertreten. Das Spektrum reicht von den Penis-Türgriffen bei den Toiletten bis zu den Brüsten der Gartenkunst. Von den Kamasutra Darstellung mal ganz zu schweigen.
Umgeben von einer gepflegten und aufwendig gestalteten Grünanlage, treffen wir auf übergroße Pärchen beim Liebesspiel in außergewöhnlichen Stellungen. Diese Form der Erotik ist explizit, sehr zu Freuden der Koreanerinnen, die sich angesichts der Skurrilität verschiedener Skulpturen schier kaputtlachen. Wenige Schritte weiter verrenken sie sich, um eine sinnliche Pose möglichst getreu nachzustellen.
Es entstehen Bilder, die in keiner Bewerbungsmappe fehlen dürfen. Dann quietscht es hinterm Gebüsch. Nein, Sex machen ist im Jeju Love Land natürlich verboten. Daran hält sich auch jeder. Stattdessen laden interaktive Skulpturen zum Ausprobieren ein. Während eine kichernde Frau an einem quietschenden Rad dreht, vergnügen sich zwei Metallskulpturen darüber. Jetzt bloß nicht fremd schämen.
Wir folgen dem richtungsweisenden Penispfeil bis ins Museum. Auch dieses sollte einst der Aufklärung dienen. Doch die Koreaner gehen mit der Zeit. Egal ob jung oder alt, heute wissen sie mehr über Erotik und Sex, als man ihnen zutraut. So dient ein Teil des Museums inzwischen als Shop für nicht jugendfreie Spielsachen.
Eine Gruppe reiferer Männer lässt sich gerade mit viel »Ohhh« und »Ahhh« diverse Accessoires von der Verkäuferin erklären. Wenige Schritte weiter lassen deren Frauen mit viel Gekicher einen Dildo surren und kreisen. Offensichtlich bereitet das Jeju Love Land viel Freude.
Schließlich spazieren wir wieder zum Ausgang. Neben den ganzen Kamasutra- und Phallus-Skulpturen bietet der Park eine Vielzahl von Photopoints. So können die mehr oder auch weniger Frischvermählten mit Herzchen und sonstigem Kitsch ein Andenkenfoto von sich machen. Hier entstehen romantische Bilder, die später offen gezeigt werden können. Und die vielleicht auch so manch strengen Sittenwächter wieder ein Stück weit besänftigen.