Unsere Reisen nach Asien gingen bisher hauptsächlich in Richtung Südostasien oder nach Sri Lanka. Fortschritt und Moderne ist bereits in jedes dieser Länder eingekehrt. Doch die meisten asiatischen Länder haben noch Teile ihrer Ursprünglichkeit bewahrt. In Südkorea verhält es sich anders. Auf den ersten Blick wirkt das Land stark westlich geprägt. Das Land ist sauber und ordentlich. In vielerlei Hinsicht ist es sogar moderner als die meisten europäischen Länder.
Die Menschen kleiden sich wie in Europa. Sie sind extrem erfolgsorientiert und strebsam. Zur Lebensqualität gehört neben der Arbeit inzwischen auch eine abwechslungsreiche Freizeitbeschäftigung und sogar das Streben nach einer sauberen Umwelt. Andererseits verstreichen nach unserer Ankunft in Korea nur wenige Stunden, bis uns einige Dinge sehr kurios vorkommen.
Koreaner betreiben ihre Kommunikation offensichtlich ausschließlich über ihr Smartphone. Egal, wo sie laufen, stehen oder sitzen, ständig klebt das Smartphone vor der Nase. Fast gewinnt man den Eindruck, dass beides zu einer fest verwachsenen Einheit verschmilzt. Es ist bekannt, dass Koreaner unglaublich viel arbeiten, oder zumindest viel Zeit bei ihrer Arbeit verbringen. Jede freie Minute muss somit genutzt werden, um nichts im weltweiten Netz zu verpassen.
Und Internet gibt es in Südkorea wirklich überall. Da kann sich Deutschland ein Beispiel dran nehmen. Wir beobachten in der U-Bahn, wie eine Frau einsteigt, sich neben einen jungen Mann setzt und augenblicklich einschläft. Ihr Kopf kippt auf die Schulter des Mannes. Eigentlich erwartet wir bei so einer Situation eine Reaktion. Doch der Mann ist so sehr mit seinem Spiel im Smartphone beschäftigt, dass es ihm gar nicht auffällt.
Ihr Smartphone vibriert, sie wacht auf, tippt kurz etwas ein und nickt sofort wieder weg. Prompt lehnt sich ihr Kopf erneut an die Schulter des Mannes. 99 Prozent der U-Bahn-Fahrgäste sind vertieft in ihr Smartphone. Sie schauen irgendwelche Basketball-Spiele, blättern sich durch die Klamotten in Online-Shops oder spielen dämliche Spiele. Dass wir sie dabei beobachten, fällt keinem auf. Man verabredet sich für ein gemeinsames Essen ins Restaurant, bleibt dann aber für sich. Wo in anderen Kulturen lebendig miteinander kommuniziert wird, bleiben Südkoreaner in ihrer eigenen Smartphone-Welt wie in einer Blase gefangen. Wie oft Koreaner auf der Straße überfahren werden, weil sie vor lauter Internet unaufmerksam sind? Wir wissen es nicht. Wohl aber entstanden hier mit die ersten Camps mit dem Ziel, der Volkssucht ein Stück weit entgegenzuwirken.
Wir hatten eigentlich gedacht, dass in Korea viel Tee getrunken wird. Stattdessen sind Koreaner regelrecht kaffeesüchtig. Es gibt Cafés, in denen tatsächlich nur Kaffee ausgeschenkt wird. Mit ein wenig Glück gibt es vielleicht noch einen Keks dazu. Bei uns wäre solch ein Laden nicht existenzfähig. In manchen Straßen Koreas hingegen können auch mehrere solcher Cafés direkt nebeneinander bestehen. Die Leute sitzen drinnen, arbeiten am Laptop und schlürfen einen Kaffee nach dem andern.
Kurios ist für uns die Frage »hot or cold?« Wer will schon einen kalten Kaffee? Dabei gibt es richtig guten Kaffee in Korea. Überall sehen wir supermoderne Maschinen, die dazu geschaffen sind, einen perfekten Bohnenkaffee zu kredenzen. Doch was machen die Koreaner aus dem edlen Gebräu? Sie schmeißen Eiswürfel hinein! Die Tasse Kalter Kaffee wird dadurch rund 20 bis 30 Prozent teurer. Es gibt Dinge, die sind so kurios, die muss man nicht verstehen.
Wer viel im Internet ist, weißt auch stets, welches Restaurant in der Stadt gerade hip ist. Ein paar wenige Posts von den richtigen Leuten können reichen, um einen regelrechten Run auszulösen. Vor Ort erweisen sich die Koreaner dann als ein geduldiges Volk. Sie können ewig lang Schlange stehen, auf ihr Essen warten und trotzdem fröhlich lachen. Hier erleben wir das krasse Gegenstück zu dem Tempo, mit dem sie durch irgendwelche Sehenswürdigkeiten flitzen, um ja nichts zu verpassen. Doch Vorsicht: Eine lange Warteschlange ist längst keine Garantie für einen ausgesprochen guten Service.
Die Koreaner lieben Pager. Man gibt an der Theke oder dem Tresen die Bestellung auf und bekommt solch ein Ding in die Hand gedrückt. Sobald es dann irgendwann surrt und blinkt, kann man sein Tablett voll Essen abholen. Am besten räumt man nach dem Essen sein Geschirr auch wieder ab. Wohlgemerkt, wir reden hier von guten Restaurants und keineswegs von einfachen Kantinen. Tatsächlich wird selbst in vielen Hotels erwartet, dass die Gäste ihr Geschirr vom Tisch räumen und auf einen Abräumwagen stellen. »It's too busy!« ist eine beliebte Erklärung für schlechten Service sowie leider auch für Wegwerfgeschirr.
Wir fotografieren wirklich viel. Doch halten sich die Fotos von uns selbst in Grenzen. Koreaner indes brauchen immer auch einen bildlichen Beweis dafür, irgendwo gewesen zu sein. Im Gegensatz zu den Chinesen beschränken sie sich hier nicht auf Selfies. Koreaner lieben Gruppenfotos. Besonders in den Bergen hielt ich ständig eine fremde Kamera in der Hand, verknüpft mit der Bitte, Fotos von irgendeiner Wandergruppe zu schießen. Warum sie dafür liebend gerne Europäer ansprechen, ist ein weiteres Mysterium. Doch auch untereinander fotografieren sie sich gerne und überall. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der akkurat einstudierten Pose. Obligatorisch bilden hierfür Zeige- und Mittelfinder ein V.
Profis formen auch mal beide Hände zu einem V und legen das Kinn hinein. Das fängt beim Kleinkind an und erstreckt sich über sämtliche Altersgruppen. Selbst die Omas halten sich an die Foto-V-Etikette. Zuletzt müssen die Haare stimmen. Insbesondere junge Frauen gehen hier auf Nummer sicher. Sie laufen lieber den ganzen Tag mit einem Lockenwickler im Pony herum, als im Moment des Fotos eine schlecht sitzende Frisur zu riskieren. Fotografieren ist unglaublich wichtig. Lars nimmt die Herausforderung an. Auf Jeju fotografiert er eine Koreanerin, die eine Koreanerin fotografiert, wie sich selbst vor dem Silbergras fotografiert. Dabei bin ich mir sicher: irgendjemand hat die Szene garantiert mit seinem Smartphone zufällig fotografiert.
Bei uns kennt man solche Dinge wie »letzte Tankstelle vor der Grenze«. In Korea gibt es solche Schilder für Toiletten. Wandern ist in Südkorea Volkssport Nummer ein. Es gibt jede Menge Wanderwege, hinauf zu den spektakulärsten Gipfel des Landes. Diese sind gut bis sehr gut ausgebaut. Dabei gilt: Je stärker eine Wandergegend frequentiert ist, umso besser ist die Erschließung. Dazu gehören Toilettenhäuser und eben auch Hinweise wie »letzte Toilette vor dem Gipfel«. Mein erster Gedanke bei so viel Wandervolk war ein »Ih Bäh«! Doch ganz gleich, wo man sich in Korea aufhält, ob Stadt, Wald oder Niemandsland – die Toiletten sind überall piekfein sauber und ordentlich ausgestattet. Teilweise versprühen Anlagen einen feinen Duft oder es ertönt leises Vogelgezwitscher aus irgendwelchen Lautsprechern.
Südkorea ist wohl das einzige Land, wo man ohne Kenntnisse der Vorfahrtsregeln überlebt. Wir hatten schon etwas Bammel vor dem Straßenverkehr in Südkorea. Vor Ort erwies sich jedwede Befürchtung zum Glück als unbegründet. An sich haben wir die Koreaner als ausgesprochen geduldige Autofahrer erlebt. Dies und sicherlich auch die stetige Kameraüberwachung ist wohl mit dafür verantwortlich, weshalb man kaum Verkehrskontrollen im Land sieht.
Die Ampeln haben vielleicht eine etwas ungünstige Schaltabfolge, weshalb Lars aus einem einfachen Reflex heraus bei Rot los und drüber gefahren ist. Es wurde freundlich gehupt, mehr aber auch nicht. Falsche Mautspur auf der Autobahn genutzt? Kein Problem, irgendeine Kamera hat das sicher registriert und die nette Dame bei der Ausfahrt nennt uns lächelnd den Preis.
Lustig schließlich wird es beim Einparken. Auf koreanischen Parkplätzen sind die Parklücken aufs Feinste eingezeichnet. So kann das Fahrzeug nahezu selbständig einparken. Akkurat reiht sich ein Auto ans andere, natürlich rückwärts eingeparkt. Dazwischen stehen wir, krumm und mit der Schnauze vornweg, weil wir keine Einparkhilfe nutzen. Gilt es, auf einem wilden, geschotterten Platz zu parken, verhält es sich genau umgekehrt. Hier versagen die Einparkhilfen.
Damit stehen die Koreaner plötzlich wie der Ochs vorm Berg. Kreuz und quer verteilen sich die Autos im heillosen Wirrwarr. Hier lässt es sich Lars nicht nehmen, als einziger rückwärts und ordentlich einzuparken. Was wir hingegen nie genutzt haben, sind die tollen Parkhäuser in der Stadt. In Hochregallager werden die Autos platzsparend verstaut. Wieder etwas, wo Deutschland lernen könnte,wie schonender Umgang mit Grund und Boden aussieht.