Der Himmel über Jejudo zieht sich langsam mit Wolken zu. Wie praktisch, dass unser Reiseplan der Insel als ersten Punkt den Besuch der Höhle Manjanggul vorsieht. Diese ist gerade mal 14 Kilometer von unserem Hotel am Hamdeok Beach entfernt und somit bald erreicht. Der Besucherandrang hält sich bei unserer Ankunft in Grenzen. Begleitet von einigen Harubang-Figuren, wie sie auf Jeju überall zu finden sind, spazieren wir zum Eingang der Höhle und holen ein Ticket. Schön ist, dass man die Manjanggul Lavahöhle auf eigene Faust erkunden darf.
Die Höhle befindet sich im Gebiet des Flankenvulkans Geomunoreum, bei dessen Ausbrüchen einige Lavaröhren entstanden. Das Ganze geschah vermutlich vor 100.000 bis 300.000 Jahren. Bisher sind acht Einzelröhren aus diesem System bekannt, von denen die Manjanggul Lavahöhle seit 1967 als einzige für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Wegen der besonderen Schönheit der Lavahöhlen ist das Geomunoreum Lavaröhrensystem seit 2007 auf der Liste des UNESCO Weltnaturerbes eingetragen.
Die Manjanggul Lavahöhle misst eine Länge von 7,4 Kilometern. Der Hauptdurchgang ist bis zu 18 Meter breit und 23 Meter hoch. Damit gehört die Höhle zu den größten und längsten Lavahöhlen der Welt. Vor allem jedoch weist sie trotz des hohen Alters gut erhaltene Durchgangsformen auf. In der Höhle lebt die größte, bekannte Fledermauspopulation von Südkorea. 38 Arten und mindestens 30.000 Fledermäuse sollen es sein. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, weshalb nur der erste Kilometer der Höhle für Besucher zugänglich ist.
Durch mehrere Einstürze der Decke entstanden bei Manjanggul drei Eingänge. Wir nutzen den zweiten Eingang, einen von hohen Bäumen umsäumten Schlund in der Erde. Ordentliche Treppen führen sicher und gut beleuchtet hinab in die Höhle. Im Innern laufen wir dann auf dem natürlichen Lavagrund, der angenehm eben, wenn auch teilweise etwas glatt ist. Die Wände sind bunt ausgeleuchtet. Die Fledermäuse bevorzugen wohl auch deshalb die hinteren 6,4 Kilometer der Höhle als Quartier.
Schon nach wenigen Schritten sehen wir in der Höhle gut erhaltene, durch Lava geformte Strukturen. An der Wand zeichnen klare Linien den Lavafluss nach. Wir kommen zum »Turtle Rock«, dem Symbol der Manjanggul Lavahöhle. Hierbei handelt es sich um ein durch Gesteinsschutt entstandenes Lavafloß. Vom Lavastrom mitgerissen, blieb es inmitten der Höhle stecken und verfestigte sich. Die Lava floss weiterhin um dieses Floß herum, sodass sich am Rand des Turtle Rocks Fließlinien bildeten, die mit denen an der Wand korrespondieren.
Am Ende des zugänglichen Bereichs erwartet uns die größte bekannte Lavasäule der Welt. Aus einer höher liegenden Höhle floss die Lava damals durch eine Öffnung herab und bildete diesen 7,60 Meter hohen Pfeiler. Ganz ähnlich entstanden auch mehrere Lavazehen, die sich jedoch nicht zu einer Säule auftürmen konnten. Bei der Lavasäule ist für uns der Umkehrpunkt. Es ist schon erstaunlich, wie lange sich ein Kilometer anfühlt, wenn man durch die Düsternis tappt. Die Wände sind schwarz, glatt und nass. Von der Decke hängen kleine Lava-Stalaktiten aus Basalt und bilden eine unheimliche Struktur. Kein Wunder also, dass die Inselbewohner überzeugt waren, die Höhle wäre von bösen Geistern bewohnt, als sie entdeckt wurde. Doch Spuk hin oder her, der Besuch dieser Höhle ist ein wirklich beeindruckendes Erlebnis.
Bei der Zufahrt zur Lavahöhle ist uns der Kimnyoung Maze Park aufgefallen. Da uns bis zur Abenddämmerung noch etwas Zeit bleibt, gönnen wir uns den Abstecher dorthin. Vor Ort wirkt alles sehr verspielt. Und vor allem rennen jede Menge Katzen umher. Doch was soll's? Schauen wir mal rein. Drinnen empfangen uns weitere Katzen. Die meisten hocken auf einem Regal und schnurren genüsslich vor sich hin. Der Gründer des Kimnyoung Maze Parks, der Amerikaner Frederic H. Dustin, lebte seit 1971 auf Jeju. Nach einem eher unsteten Leben beim Militär, als Lehrer, Goldminenarbeiter, Redakteur und Geflügelfarmer war er dem Wunsch seiner Frau Marie-Louise gefolgt, auf der Insel ein Haus zu bauen. Schon vor der Trauung stand fest, dass beide nur wenig Zeit miteinander verbringen würden. Tatsächlich erlitt Marie-Louise nur zwei Jahre später dem Krebs. Dustin jedoch blieb und pflanzte vor dem gemeinsamen Haus einen Pekannussbaum. Fortan widmete er sein Leben dem Park, um Menschen eine Freude und Katzen ein schönes Leben zu bereiten. Auch der erste Reiseführer über die Insel Jeju im Jahr 1978 geht auf ihn zurück. Am 5. Mai 2018 – dem nationalen Kindertag in Südkorea – schließlich folgte Dustin seiner Marie-Louise ins Grab.
Uns hat der Philanthrop ein Traumfeld hinterlassen. Innerhalb von fast zwei Jahrzehnten hatte er tausende Bäume gepflanzt. Neben dem schlechten Boden, auf dem viele Gehölze schon bald eingingen, trotzte er den Launen der Natur. Diese brach mal in Form eines Taifuns, mal als Waldbrand über den Park hinein. Von all dem ist bei unserem Besuch nichts zu sehen. Vielmehr gleicht der Kimnyoung Maze Park heute einer Kulisse, die mit vielen kleinen Nischen förmlich zu Erinnerungsfotos auffordert. Die Hauptattraktion jedoch ist das große Labyrinth. Es ist ein Irrgarten, wie man ihn sonst nur in Europa, Kanada oder in Harry-Potter-Filmen findet. Die ersten Setzlinge der gewaltigen Koniferenhecke wurden 1987 gepflanzt. Inzwischen hat die Hecke ein ansehnliche Höhe erreicht. Verzwickt jedoch ist die Gestaltung von dem Labyrinth. Denn eigentlich sind es zwei Labyrinthe, von denen der innere vom äußeren umfasst wird. Über Treppen und Brücken sind diese miteinander verbunden. So hat auch Lars so seine Probleme. Er wollte zu den fünf Prozent gehören, die den Irrgarten in Fünf Minuten lösen. Später gab er vor, das Labyrinth als Gesamtes entschlüsseln zu wollen. Wie auch immer – nach 25 Minuten haben auch wir die Zielglocke erreicht und können fröhlich bimmeln. Spaß macht Labyrinth allemal.