Hermaness National Nature Reserve

Wanderung durch ein Seevogelparadies

Die Zufahrt zum Hermaness National Nature Reserve auf Unst ist fast schon abenteuerlich. Eine schmale Straße mit ein paar Ausweichmöglichkeiten führt vorbei am Loch of Cliff zur Bucht von Burra Firth. Wir rechnen schon gar nicht mehr mit einer Bebauung, da erscheinen vor uns die Gebäude mit dem Besucherzentrum von Hermaness. Ein etwas höher gelegener Parkplatz bietet genügend Parkmöglichkeiten für die wenigen Besucher, die es hierher verschlägt. Dort starten wir unsere Tour zum nördlichsten Punkt von Großbritannien, zu einem Ort der Mythen, Nebel und der Vogelschreie.

Video zur Wanderung im Hermaness National Nature Reserve

Wanderung durch das Vogelschutzreservat auf der Halbinsel Hermaness auf Unst. Aufnahmen von den Klippen von Hermaness, von Puffins und Trottellummen.

Legende zur Entstehung der Halbinsel

Der Legende nach sollen auf der Halbinsel einst zwei nordische Riesen, Herman the Giant und sein Erzrivale Saxi, gelebt haben. Beide sollen sich in eine Meerjungfrau verliebt haben, die stets entlang der Küste schwamm. Eines Tages soll die Meerjungfrau den Riesen versprochen haben, für immer mit demjenigen zusammenzubleiben, der ihr bis zum Nordpol folgen könne. Danach stieß sie sich vom Ufer ab und schwamm in Richtung Norden davon. Sowohl Herman als auch Saxi wateten darauf ins Wasser, um ihrer Liebe zu folgen. Fortan waren die Riesen nie mehr gesehen.

Vogelwelt aber ist hier ein Paradies auf Erden geblieben

Für seine Vogelwelt aber ist Hermaness ein Paradies auf Erden geblieben. Hier ist die Heimat der drittgrößten Kolonie von Bonxies in der Welt. Bonxie wird auf den Shetlandinseln die Große Raubmöwe (englisch: Great Skua) genannt. So bekommen wir schon bald nach unserem Aufbruch ein paar Exemplare dieser Art zu sehen. Ein angenehm zu laufender Pfad führt uns in die baumlose Sumpflandschaft. Nach gut einem Kilometer gabelt sich der Weg. Hier halten wir uns links.

Damit folgen wir dem gut ausgebauten Brettersteg zu den Klippen an der Westküste beim Sothers Stack. Immer wieder fliegen große braune Raubmöwen über uns hinweg. Bei ihnen ist Vorsicht geboten. Diese frechen Vögel sind nicht nur geschickte Jäger. Sie machen auch den anderen Klippenbewohnern die Nistplätze streitig und verteidigen diese vehement. Dabei greifen sie gelegentlich selbst Wanderer an. Wir betrachten sie aus der Ferne und bleiben natürlich auf dem Pfad.

Dass wir in dieser Gegend überhaupt Raubmöwen beobachten können, haben wir der Familie Edmondston zu verdanken. Denn lange Zeit waren die seltenen Vögel eine beliebte Trophäe von Tierpräparatoren. Zudem fiel die Brut nur allzu oft Eiersammlern zum Opfer. Beides zusammen führte dazu, dass die Kolonie bis auf drei Brutpaare zusammenschrumpfte. Um die Art auf der Insel Unst zu erhalten, stellten die Edmondstons die Gegend unter Schutz. Danach erholte sich der Bestand der Raubmöwen wieder. In den 1920er Jahren zählten Ornithologen wieder 80 Brutpaare.

Inzwischen ist ihre Zahl auf über 650 gestiegen. Der Rückgang der Great Skua war damit also Auslöser für ein Schutzgebiet, welches auf den ersten Blick einer unfruchtbaren Wüste gleicht, das mit seinen ausgedehnten Moorflächen aber zahlreichen seltenen Pflanzen- und Tierarten einen Lebensraum bietet. Neben den Bonxies nisten auf den Hochflächen von Hermaness die eleganten Sterntaucher, Schnepfen, Alpenstrandläufer, Regenpfeifer und die Schmarotzerraubmöwe.

Wir sind uns sicher: Wo sich so viele Seevögel wohl fühlen, muss es doch auch Papageitaucher geben. Natürlich! Aber erst bei den Klippen, welche für weitere Seevogelarten Brut- und Wohnraum bieten. Kurz vor der Steilküste endet der Brettersteg und ein Naturpfad führt uns vor bis an die Klippen. Dort brüten bis zu 25.000 Paare von Papageitauchern. Als wir zunächst ein Stück weit nach Süden laufen, dauert es nur einen Moment, bis wir den ersten entdecken und beobachten, wie er zu seinem Brutloch watschelt.

Ein paar weitere Papageitaucher sehen wir weiter unten auf einer Gras bewachsenen Terrasse der Klippe. Für mehr ist es an dieser Stelle aber wohl zu stürmisch. Denn auch wenn sich das Wetter bessert und schon fast die Sonne scheint, pfeifen uns kühle Windböen um die Ohren. Einzelne Böen sind so stark, dass wir den Abstand zum Rand der Klippe vergrößern müssen. Die Ränder wirken rutschig und an manchen Stellen sind gefährliche Abbruchkanten markiert.

Nach dem kurzen Abstecher kehren wir um und folgen der Küstenlinie nordwärts. Immer wieder eröffnen sich uns spektakuläre Aussichten auf die bis zu 170 Meter hohen Klippen. In der Brutsaison sammeln sich hier an die 100.000 Seevögel – eine schier unfassbare Menge. Überall in den Felsen sind die Vögel damit beschäftigt, ihre Brutplätze herzurichten. Andere befassen sich bereits mit der Brutpflege oder ruhen sich kurz aus, bevor sie wieder nach Beute suchen. Manchmal sind es allerdings auch Schafe, die unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Eigentlich sollten sie sich auf den Hochflächen aufhalten. Ein paar führen ihre Jungen indes die Klippe hinunter und weiden mit ihnen an schwindelerregenden Stellen. Wie sie dorthin gelangt sind, lässt sich von oben nur erahnen.

Wanderung bis fast zum Leuchtturm von Muckle Flugga

Bald erreichen wir einen schmalen Bach, der über die Klippe ins Meer stürzt. Wasserfälle – auch die kleinen – geben immer ein dankbares Motiv ab. Hier sind es jedoch erneut die Papageitaucher, die uns einmal mehr begeistern. Immer wieder brechen die so ungeschickt wirkenden Vögel zu Flügen über die Bucht auf, eh sie wieder zur Landung ansetzen und mit ihrem Schnabel ins Gras beißen. Der Rest ist tapsiges Watscheln, Flügel spreizen und mit den Schwanzfedern wackeln.

Aber ungeschickt, das können wir auch. Es ist ein weiterer schmaler Bachlauf, der Annette zum Verhängnis wird. Während Lars zu einer v-förmigen Stelle geht und dort einfach über das Rinnsal hüpft, versucht sie ihr Glück bei einem flacheren Bereich. Genau genommen ist es ein mit breitblättrigem Moos bewachsener Abschnitt, wo sie den Bach nahezu ebenerdig überqueren will.

Nur ein Schritt auf die grüne Moosdecke und … platsch, schon versinkt sie mit dem einen Fuß bis zum Knöchel im weichen Untergrund. Und weil es so schön war bzw. sie keinen Halt findet, landet der zweite Fuß ebenfalls im Moosbachbett. Wer sie kennt, hält sich in solchen Situationen zurück – und weiß doch, dass sie es beim nächsten Mal besser machen wird.

Gelegenheit dazu gibt der Rundweg auf jeden Fall reichlich. So müssen wir auf dem weiteren Weg immer wieder winzige Rinnsale überqueren. Kurz bevor wir auf Höhe des Leuchtturms von Muckle Flugga sind, passieren wir mehrere von Trottellummen bevölkerte Felsen. Unter den Meeresvögeln gibt es keine andere Art, bei der die einzelnen Paare so eng beieinander brüten. Teilweise hat man das Gefühl, als wenn sie Schulter an Schulter stehen.

Normalerweise kommen Trottellumme nur während der Brutzeit an Land und leben ansonsten auf dem Meer. Wo die Kolonien groß und die Brutplätze rar sind, tauchen sie hingegen alle paar Tage auf, um ihren Besitzanspruch zu zeigen. Die Jungtiere gelten als ausgesprochene Platzhocker. Nach etwa drei Wochen stürzen sie sich aber doch das erste Mal von den Klippen ins Meer. In diesem Alter fehlen ihnen noch die Schwungfedern, was heißt: sie stürzen tatsächlich.

Wir selbst biegen beim Leuchtturm nach Süden ab und folgen damit dem Pfad auf den 200 Meter hohen Hermaness Hill. Oben angekommen, erfolgt der Rückweg über das Hochmoor. Durch den hohen Grad der Vernässung ist der Wanderweg an vielen Stellen kaum auszumachen. An einigen Stellen sind es einzig die Brücken, die uns die Richtung vorgeben. Wo sie fehlen, geraten wir hingegen mehrmals in kurze Sackgassen, eh wir einen trockeneren Weg durch das Moor finden.

Klingt mühsam, hat aber auch einen tollen Nebeneffekt: mit fast jedem Schritt wischt das feuchte Gras den Schmutz von unseren Wanderschuhen. Als wir nach knapp drei Stunden wieder bei der Weggabelung ankommen, sehen sie fast wie neu aus. Ab der Gabelung können wir dann auf dem bekannten Weg zum Parkplatz oberhalb des Besucherzentrums zurücklaufen, wo diese einmalig schöne Wanderung endet.

Ausgangspunkt und Anforderung der Wanderung

Die Anfahrt erfolgt ab Lerwick auf Shetland über die A970 und A968 bis zum Fährhafen Toft im Norden der Hauptinsel. Bei Toft setzt man mit der Fähre nach Ulsta über und überquert Yell auf der A968 bis zum Hafen von Gutcher. Dort setzt man mit der zweiten Fähre (es gibt ein Kombiticket für beide Fahrten hin und zurück) nach Belmont auf Unst über. Auf Unst geht es weiter auf der A968 über Baltasound bis zur Abzweigung bei Haroldswick, dort links ab auf die B9068 und dieser über die Enge zwischen dem Burrafirth und dem Loch of Cliff bis zum Parkplatz oberhalb vom Besucherzentrum folgen.

AusgangspunktWanderparkplatz oberhalb dem Besucherzentrum von Hermaness (30 m)
KoordinatenN 60.81270, W 0.87660
Gehzeit3 Stunden, je nach Nässe auch deutlich länger
Distanz8,5 km
Anstiegeca. 350 HM
Gradje nach Nässe T2-3
Einkehrkeine
GPS-DatenWanderung Hermaness gpx
KML-DatenWanderung Hermaness kml

Wanderkarte zum Hermaness Nationalpark

Höhenprofil

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