Nach dem tollen Auftakt bei den Puffins am Sumburgh Head brauchen wir nur wenige Minuten mit dem Auto bis zum Jarlshof. Er zählt zu den Highlights unter den prähistorischen Ausgrabungsstätten von Schottland. Dabei grenzt schon die Entdeckung an eine archäologische Sensation: Als im Jahr 1905 eine Sturmflut über den Landstrich hereingebrochen war, bemerkte der Bauer Mr. Bruce auffällige Grundmauern, die sich im Sand abbildeten.
Nachfolgende Untersuchungen ergaben, dass es sich bei den Mauern um die Reste mehrerer Siedlungen handelt. Diese sind in ganz unterschiedlichen Epochen immer wieder an dieser einen Stelle entstanden, wobei die ältesten Gebäude aus der Bronzezeit stammen. Die dicht aneinander stehenden Gebäude ähneln denen auf Skara Brae auf Orkney.
Besuch der Ausgrabungsstätte von Jarlshof, einem Gebiet auf den Shetlandinseln, das im Lauf der Geschichte immer wieder besiedelt wurde. Eindrücke von einem Wheelhouse, dem Radhaus.
Am auffallendsten ist ein halb zerstörter Broch, der in der Eisenzeit als Wohnturm diente. Darum herum befinden sich mehrere Wheelhäuser. In ihnen lebten die Pikten. Nach ihnen siedelten beim Jarlshof einige Wikinger. Die nordischen Langhäuser sind der handfeste Beweis dafür, dass die Wikinger nicht nur zum Plündern auf die Inseln kamen. Manche Orte wie diesen besiedelten sie auch als Stützpunkt für ihre Raubzüge. Trotz der Bemühungen des Meeres, die Siedlung weg zu schwemmen, stehen heute noch bemerkenswerte Überreste der alten Gebäude. Bis 1950 wurden Grabungen durchgeführt und die Anlage so freigelegt, wie wir sie heute besichtigen können.
Im kleinen Besucherzentrum informiert ein kurzer Film über die Ausgrabungen. Dort bekommen wir auch einen Audioguide, den es allerdings leider nur auf Englisch gibt. So starten wir unsere Tour durch die Vergangenheit. Es ist kein Zufall, dass immer wieder an dieser Bucht Siedlungen entstanden. Die relativ windgeschützte Lage, die flache Bucht zum Fischen und Muscheln sammeln, nahe Süßwasserquellen und fruchtbarer Boden sicherte den Menschen einen guten Lebensunterhalt. Allerdings muss man auch wissen, dass das Klima in früheren Jahrtausenden auf den Shetlandinseln wärmer war als es heute ist.
Die ältesten Funde sind zwar Scherben von Töpferwaren aus der Jungsteinzeit, die ersten Gebäude stammen aber aus der Bronzezeit zwischen etwa 2000 bis 800 vor Christus. Mehrere, dicht gedrängte und ovale Häuser mit dicken Steinmauern sind teilweise unterirdisch gebaut worden. Eine Technik, die den Gebäuden Stabilität und Wärmedämmung bietet. An anderen Stellen sind die Gebäude so angeordnet, dass sie den Wind abhalten.
So gibt es einen Punkt in der Anlage, bei der das Rauschen des nur wenige Meter entfernten Meers nicht mehr als ein Flüstern ist. Daneben gibt es Hinweise für einen Viehstall mitsamt einem Abwasserkanal. Zahlreiche Funde von Waffen und Werkzeugen lassen zuletzt darauf schließen, dass die Menschen schon damals Robben und Wale mit Schwertern jagten und technische Hilfsmittel für die Feldarbeit besaßen.
In den Gebäuden der Eisenzeit finden wir Mahlsteine. Aus der Zeit stammt auch der Broch, ein fünf bis sechs Meter hohes Lagerhaus, von dem leider nur noch die 2,5 Meter hohen Grundmauern vorhanden sind. Die dicken Mauern schützten die Bewohner damals vor Angreifern, dem beständigen Anrollen der Wellen indes hielten sie nicht stand, sodass ein Großteil der Siedlung ins Meer gespült wurde.
Das neben dem Broch stehende Wheelhaus stammt aus der Zeit der Pikten und diente offenbar mehreren Zwecken. Die Innenmauern, welche den Speichen eines Rades ähneln, teilten das Gebäude in mehrere Räume ein. Die Mitte blieb frei für das wärmende Torffeuer und an der Decke wurde der Fisch geräuchert. Die Pikten waren die ersten Christen. In Schiefer gemalte Kreuzformen deuten darauf hin.
Die Langhäuser stammen aus der nordischen Zeit und gehen auf die Wikinger zurück. Sie waren mit Stroh gedeckt und besaßen bereits einfache Rauchabzüge. Hier fanden auch die Tiere Schutz in Ställen und Nebengebäuden die auch als Getreidetrockenraum genutzt wurden. Wolle war ein wichtiges Produkt der Wikinger, worauf Websteine hindeuten. Darüber hinaus hinterließen die Wikinger kunstvoll geschnitzte Löffel, Kämme und Nadeln aus Walknochen.
Als letztes Haus auf der Siedlung entstand eine Burg in der schottischen Zeit. Ein mittelalterliches Bauernhaus aus Stein wurde im 16. Jahrhundert von Robert Stewart, dem 1. Earl von Orkney, zur »neuen Halle« umgebaut, aber im späten 17. Jahrhundert wieder aufgegeben. Heute steht es symbolisch für das Kommen und Gehen der Menschen, die hier immer wieder gute Bedingungen zum Leben vorfanden, bis sie die Gegend dann doch wieder aufgaben. Da die verlassenen Siedlungen in der Folge von Treibgut, Sand und der beständig wachsenden Torfschicht verdeckt wurden, wurden später entstandene Gebäude teilweise über den alten Siedlungen errichtet. Ob die Bewohner der einen Epoche von denen wussten, welche hier vor ihnen lebten, steht in den Sternen.