Am letzten vollen Tag auf den Shetlandinseln wollen wir die nördlichste Region von Mainland erkunden. Bei der Landenge Mavis Grind wechseln wir auf die Halbinsel Northmavine. Laut unserem Reisehandbuch vom Michael Müller soll genau hier »die einzige Stelle der Welt sein, an der man theoretisch vom Atlantik einen Stein in die Nordsee werfen könnte«. Na ja, mit sehr viel Schwung und dem richtigen Wind wäre es wohl möglich. Allerdings ist die Landenge etwas unübersichtlich.
Mit etwas Glück würde Lars es vielleicht schaffen, den Stein so weit zu werfen. Wir verzichten trotzdem auf das Experiment. Zum einen wollen wir keine Schafe verletzen und zum anderen verstehen auch die Shetlander keinen Spaß, wenn man vorbeifahrende Autos abschießt. Laut der Verkehrsschilder ist Mavis Grind übrigens auch der kürzeste Landweg für Otter vom Atlantik zur Nordsee. Ein weiterer Grund, auf das Steine werfen zu verzichten. Sehen tun wir allerdings auch hier nur die Spuren dieser possierlichen Tiere.
Weiter geht es von Mavis Grind zu unserem eigentlichen Ziel von Northmavine, die verlassene Fischerstation von Stennes. Ein Spaziergang entlang der Küste verspricht uns einen herrlichen Blick auf den Felsbogen Dore Holm, begleitet von Robben und Delfinen. Schon bei der Fahrt nach Stennes haben wir Sicht auf den Felsen, der wegen seiner Form auch Elephant genannt wird. Auf die Vorfreude folgt vor Ort Ernüchterung: es stürmt, was das Zeug hält.
Der Wind drückt so schwer gegen die Autotür, dass wir lieber nicht aussteigen. Erst bei Stennes ist es etwas windgeschützter und wagen wir unseren Spaziergang. Draußen blöken uns die Schafe verwundert an. Bei diesem Wetter erwarten sie normalerweise keine Wanderer. Weiter unten tummeln sich ein paar Robben in der Bucht. Nach wenigen Augenblicken an der frischen Luft brechen wir den Spaziergang jedoch auch schon wieder ab und kehren bibbernd zum Auto zurück.
Weiter geht es zum Leuchtturm von Eshaness. Wir sind die einzigen Besucher auf dem großen Parkplatz. Aber wen wundert es? Ungemütlicher kann es kaum werden. Trotzdem gönnen wir uns einen Blick auf den Leuchtturm. Wie beim Leuchtturm von Sumburgh Head kann man sich hier in romantischer Atmosphäre einmieten und die Stürme aussperren. Urlaub fernab der Zivilisation und an einer spektakulären Küste. Auf 61 Meter über dem Meer blinkt das Licht alle 12 Sekunden bis zu 65 nautische Meilen weit. 1974 wurde das Licht des Turms automatisiert und das Haus des Leuchtturmwärters an Privatleute verkauft.
Von hier aus wäre eine schöne Tour entlang der Steilküste möglich. Aber nicht heute. Durch einzelne starke Böen könnte schon ein Schritt zu nah an die Klippen lebensgefährlich werden. Auch die Vögel suchen zwischen den Steinen Schutz und heben sich nur selten in die Luft. Auf Puffins brauchen wir gar nicht erst zu hoffen. Papageientaucher sind kluge Vögel, was in diesem Fall heißt: wenn es stürmt, bleiben sie in ihrer mit Gras gepolsterten Höhle.
Tiefe, ins Land ragende Schluchten, Blowholes und Höhlen lassen einen Spaziergang entlang der Küste recht lang werden. Ganz in der Nähe befinden sich die Holes of Scraada. Die eingestürzten, tiefen Meereshöhlen befinden sich zum Teil mehrere hundert Meter von der Küste entfernt. Bei solch einem zerklüfteten Gelände sollte man vorsichtig sein und bessere Wetterbedingungen als bei unserem Besuch vorfinden.
Wir geben auf und machen uns auf die Suche nach einem Café. Bei einem Caravan-Campingplatz haben wir Pech. Dort ist geschlossen. Aber das Hotel an der St. Magnus Bay ist geöffnet. Wir sind die einzigen Gäste in dem muffigen und etwas unheimlichen Haus. Aber es lohnt sich.
Viel zu tief sitzen wir in den Sesseln am Tisch im Sonnenlicht, das inzwischen durch das Erkerfenster scheint. Der Milchkaffee und das Gebäck dazu sind aber sehr lecker. Beim Dartspielen können wir hier etwas die Zeit vertreiben und was viel wichtiger ist: uns wieder etwas aufwärmen.