Nostalgisch geht es mit der Reichenbachfall-Bahn von der Talstation im Aaretal den Berg hinauf. Oben erwartet die Fahrgäste ein tosendes Naturschauspiel. Der Reichenbachfall wirkte bereits auf Sir Arthur Conan Doyle dramatisch, sodass er diesen als würdigen Sterbeort seines Serienhelden auserkoren hatte. Durch den britischen Arzt und Schriftsteller hat sich der Wasserfall längst zu einem Pilgerort für Sherlock Holmes-Fans entwickelt. Uns selbst zieht es jedoch weiter hoch ins Gebirge. Denn an das Reichenbachtal grenzt eine bezaubernde Moorlandschaft. Das Chaltenbrunnen-Moor zählt zu den am besten erhaltenen Moorgebieten der Schweiz, welches wir bei einer längeren Rundwanderung kennenlernen wollen.
Aufnahmen zu unseren schönsten Wandertouren in der Schweiz
Wir starten die Rundwanderung in Schattenhalb, der kleinen Nachbargemeinde von Meiringen. Das Hotel Tourist, unsere Unterkunft, ist für diesen Ausflug günstig gelegen. Hier können wir das Auto stehen lassen. Denn bei der Talstation der Standseilbahn gibt es nur wenige Parkplätze für Ausflugsgäste. Überhaupt wirkt das Areal dort etwas seltsam. Es gehört zur Privatklinik Meiringen. Vor Ort hat es den Anschein, als wird der Zugang nur wegen der Nostalgiebahn gewährt. Während die Patienten ihren Morgenkaffee im Klinikrestaurant schlürfen, steuern wir also auf die Bahn zu. Wir sind etwas zu früh dran, denn diese nimmt erst um 9 Uhr ihren Betrieb auf.
Für Schweizer Verhältnisse sind die Tickets relativ günstig. Außerdem herrscht am frühen Vormittag angenehm wenig Andrang. Mit uns nutzt lediglich ein weiteres Paar die erste Fahrt des Tages. So ruckeln wir alsbald in den hölzernen Wagen schräg nach oben. Nach wenigen Minuten passiert unsere Kabine das Pendant der Standseilbahn. Damit ist die halbe Strecke geschafft. Natürlich wirbt auch die Reichenbachfall-Bahn mit der Geschichte von Sherlock Holmes. Dabei kam Sir Arthur Conan Doyle bereits im Jahr 1893 ins Haslital. Und die Holmes-Episode »Das letzte Problem« spielt sogar im Jahr 1891. Allerdings konnte weder der Schriftsteller noch seine Romanfigur die Bahn nutzen. Es gab sie noch nicht, sodass sie sich zu Fuß zum Wasserfall hinauf mühen mussten.
So romantisch die Nostalgiebahn auch ist, sie bescherte ihren ersten Betreibern deutlich höhere Kosten als Einnahmen. Als 23. Standseilbahn der Schweiz nahm die Reichenbachfall-Bahn am 8. Juni 1899 offiziell den Betrieb auf. Die Freude währte nur kurz. Bereits dreieinhalb Jahre später verfügte das Bundesgericht die Zwangsliquidation wegen finanzieller Probleme. 1904 bekam die Bahn einen neuen Betreiber. Doch auch dieser blieb glücklos und schlitterte 1907 in den Konkurs. Im Sommer 1914 musste der Betrieb dann für längere Zeit eingestellt werden.
Durch den Ersten Weltkrieg blieben die Touristen fast völlig aus. Erst am 1. Juli 1922 konnte sie den Sommerbetrieb wieder aufnehmen. Seitdem ist der Betrieb konstant. In den folgenden Jahrzehnten wurde die Bahn mehrmals modernisiert und automatisiert. Die letzte große Sanierung war zwischen 1998 und 2004. Mit nachgebauten Holzwagen auf den originalen Fahrgestellen wurde die Bahn für die nächsten 100 Jahre fit gemacht. So bringt sie auch uns heute auf eine Höhe von 843 Metern zur ersten Aussichtsplattform des Reichenbachfalls.
Der Reichenbachfall ist eine 300 Meter hohe Kaskade, die sich in sieben Stufen unterteilt. Die Aussichtsplattform der Standseilbahn eröffnet einem den Blick auf den größten der Wasserfälle. Doch so manch Sherlock Holmes-Fan wird sich über das versprochene Naturschauspiel aus tosendem Wasser wundern. Neben der Bespaßung von Touristen dient das Gewässer auch der Stromgewinnung. Somit wird dem Naturjuwel schlichtweg das Wasser abgedreht. Als Folge gibt es ein ständiges Tauziehen zwischen Umweltschutz, Tourismus und dem Stromerzeuger.
Im Mai 2009 wurde im Felsen auf halber Höhe des großen Wasserfalls ein Loch entdeckt. Es entstand wahrscheinlich durch eine Wassermühle, die das Gestein über Jahrzehnte schliff und aushöhlte. Wird es das notdürftige Ersatzspektakel des Reichenbachfalls? Bei üppiger Zufuhr stürzt das Wasser 120 Meter im freien Fall hinab. Das Loch ist nur durch die Drosselung sichtbar.
Bei unserem Besuch teilt sich der Wasserfall bei diesem Fels, sodass nur ein Teil hindurch sprudelt. Doch es gibt auch Zeiten, in denen nur ein Rinnsal durch dieses Novum gurgelt. Ein Einspruch von Umweltorganisationen soll eine noch höhere Wasserentnahme verhindern. Sie wollen eine nackte Felswand abwenden und kämpfen für den Erhalt des rauschenden Naturschauspiels.
Entlang der steilen und teilweise überhängenden Felswand steigt ein Treppenweg nach oben. Dieser verbindet die Bergstation mit dem Gasthaus Zwirgi. Einige Terrassen und Brücken geben den Blick auf den Reichenbachfall frei. Unterhalb vom Gasthaus treffen wir auf die Scheideggstraße.
Mit traditionellem Posthorn kündigt sich hier lautstark der Postbus von Meiringen hoch ins Reichenbachtal an. Und dann gibt es ja noch die legendäre Absturzstelle des Sherlock Holmes. Diese heben wir uns für die zweite Tour bei Meiringen auf. Wir folgen also den Schildern in Richtung Falcheren.
Vorbei an Alpweiden, Weilern und traditionellen Schweizer Holzhäusern bleiben wir gut zwei Kilometer auf der schwach befahrenen Straße. Beim Weiler Falcheren verlässt der Wanderweg die Straße und steigt entlang eines felsigen Bachlauf bergan. Auf den nächsten 400 Metern kreuzen wir einmal die Straße, bevor wir dieser wieder folgen. Es lohnt sich, hin und wieder innezuhalten und den Blick über das Haslital schweifen zu lassen. Nach weiteren 1,3 Kilometern auf der Straße verlassen wir diese endgültig. Stetig bergauf wandern wir nun durch die Weideflächen des Isetwaldes.
Bei einem Kuhstall erreichen wir den Wandelbach. Entlang des Bachs stehen einige Alphäuser. Der Weg führt hinauf von einer Alpe zur nächsten. Bei der Mittleren Wandelalp gibt es mit abgepacktem Alpkäse eine Möglichkeit zur Stärkung. Vorbei am Wasserkraftwerk der Wandelalp nehmen wir den steilen Pfad hinauf. So lassen wir das hübsche Tal des Wandelbachs hinter uns und erreichen bald eine Schotterpiste. Auf dieser öffnet sich nach zwei Kehren die Sicht auf das Chaltenbrunnen-Moor.
Die steilsten Anstiege sind nun geschafft. Eine Tafel informiert über das herausragende Naturschutzgebiet Chaltenbrunnen-Wandelalp. Auf über 1.800 Metern Höhe befinden wir uns beim höchstgelegenen Moor Europas. Es wurde nie abgetorft, weshalb wir es in seinem ursprünglichen Zustand erleben können. Mit dem Kauf 1969 und der Unterschutzstellung 1971 hat der Kanton Bern das Naturdenkmal und dessen Erhalt gesichert. Trotzdem sind die 400 Hektar des Wandelalpkessels bewirtschaftet. Doch der Dienstbarkeitsvertrag lässt ausschließlich die extensive landwirtschaftliche Nutzung zu.
Es scheint auch nicht gewollt zu sein, dass Wanderer im Moor ein Picknick abhalten. Es gibt keinerlei Rastplätze. Auch die Alphäuser wirken wenig einladend. Somit setzen wir uns auf einen der Felsblöcke und genießen unser Vesper bei guter Bergluft. Hinter uns ragen der Wandelhoren (2.303 m) und der Garzen (2.711 m) steil in die Höhe. Vor uns liegen die sanften Hügel des Hochmoors.
Nach der Pause steigt der Pfad von der Wandelalpe nochmals leicht an, bis wir den höchsten Punkt der Tour bei 1.872 Metern Höhe überwinden. Das Hochmoor bietet eine grandiose Aussicht auf die umliegenden Berge. Malerisch unterstrichen wird dies durch die herbstliche Färbung der charakteristischen Flora des Moors. Alles zusammen ist dies eine schöne Belohnung für den langen Aufstieg.
Der anschließende Abstieg erfolgt über die Seilialp. Der Wanderweg passiert kleine Wälder, Tümpel und Moorflächen. Vorbei an der Ober Stafelalp tauchen wir schließlich in den Wald ein. Dort quert der Pfad den Seilibach. So wie wir den Wald wieder verlassen, öffnet sich die Sicht auf den Rosenlauiglescher mit dem Dossen und dem Wellhorn. Durch das Seilibach-Tal schlängelt sich der Schotterweg nun stetig hinab. Beim Wegweiser Seilialp haben wir die Wahl, gemütlich aber länger über die Chaltenbrunnen Säge zu laufen. Wir entscheiden uns für den kürzeren Waldpfad nach Zwirgi.
Der Waldpfad stellt sich als äußerst steil heraus. Nach 1,2 Kilometern und 350 Höhenmetern treffen wir jedoch wieder auf die Scheideggstraße. Dieser folgen wir nun bis zum Gasthaus Zwirgi. Unterwegs kommen wir am Staubecken des Wasserkraftwerks Reichenbach vorbei. Eindrucksvoll ist der in den Felsen geschlagene Stollen, aus dem das Wasser tosend hinausströmt. Inzwischen ist auch das Zwirgi Gasthaus in der Sonne gelegen und lädt zu einem gemütlichen Abschlusshock ein.
Über den Treppenweg kehren wir später wieder hinab zum Reichenbachfall. In der Nachmittagssonne wirkt dieser ganz anders als in den Morgenstunden. Die Standseilbahn bringt uns dann gemütlich nach Schattenhalb. Wir haben für den ersten Tag Meiringen eine beachtliche Tour bewältigt. Die schöne Landschaft und die tollen Aussichten haben sich trotz der vielen Höhenmeter gelohnt. Und obendrein haben wir uns ein leckeres Abendessen im Hotel Tourist allemal verdient.
Meiringen im Haslital ist aus Richtung Bern und Luzern/Zürich jeweils über die Autobahn 8 zu erreichen. Die A8 verläuft stellenweise nur zweispurig über die Bundesstraße. Von Luzern kommend wird dazu noch der Brünigpass überwunden. Meiringen ist beim Brienzersee wie auch beim Brünigpass bereits angeschrieben.
Da wir von Luzern anreisen, nehmen wir die Brünigpassstrasse, Richtung Grimsel, Susten, Meiringen. Wir bleiben immer auf der Hauptstraße nach Grimsel und Susten. So fahren wir durch Meiringen hindurch, überqueren die Aare und erreichen Schattenhalb. Das Hotel Tourist ist direkt an der Straße. Wer jedoch einen Parkplatz benötigt, sollte in Meiringen parken. Bei der Aareschlucht gibt es bisher noch kostenlose Parkmöglichkeiten. Bei der Reichenbachfall-Bahn stehen nur wenige Parkmöglichkeiten zur Verfügung.
Ausgangspunkt | Reichenbachfall-Bahn, Tickets für die Bahn sind bei der Grimselwelt erhältlich. |
Koordinaten | N 46.71947, E 8.18774 |
Gehzeit | 6 Stunden |
Distanz | 16,5 km |
An-/Abstiege | ca. 1130 HM |
Anforderungen | T3, gute Kondition am Berg erforderlich |
Einkehr | Gasthaus Zwirgi, Käse bei der Mittleren Wandelalp, sonst unterwegs keine Einkehrmöglichkeit |
Beschilderung | ab Gasthaus Zwirgi dem Panorama-Rundweg folgen, dann in Richtung Falcheren Isetwald |
GPS-Daten | Wanderung Chaltenbrunnen-Moor gpx |
KML-Daten | Wanderung Chaltenbrunnen-Moor kml |