Am nächsten Morgen verlassen wir die Tobago Cays, passieren Canouan, Savan und Mustique und nehmen schließlich Kurs auf Bequia. Die Überfahrt dorthin dauert rund fünf Stunden. Zeit für Bobby, erstmals die zwei an Back- und Steuerbord befestigten Angeln ins Wasser zu werfen. Na dann, Petri Heil! Oder doch nicht? Denn zugleich hofft er, dass heute nichts anbeißt, da die Tiefkühltruhe noch vom letzten Fang voll sei.
Die Überfahrt gibt uns Gelegenheit, neue Relationen kennenzulernen. So freut sich unser Skipper, dass das Meer spiegelglatt sei, während ich auf knapp zwei Meter tiefe Wellentäler hinabblicke. Doch es ist kein Witz, denn während der Saison ist das Meer in diesem Bereich der Karibik einiges rauer. Als wir die Isle a Quatre passieren, kommen wir an einem kleinen Frachter vorbei. Es ist ein Moment zum kurz Innehalten.
Mit der Lage auf einem Riff zwischen zwei aus dem Meer ragenden Felsen beweist er, wie schnell Unachtsamkeiten einem Schiff zum Verhängnis werden können. Ob der Frachter jemals wieder frei kommt? Bobby vermutet, dass dies beim nächsten Hurrikan passieren könnte. Dem Bootseigner wird dies wohl nichts nützen, da die Wellen es voraussichtlich in tieferes Gewässer heben werden, sodass es sinkt.
Kurz vor 14 Uhr erreichen wir Bequia. Der Name bedeutet »Insel der Wolken« und stammt aus der Sprache der Arawak. Entgegen der Schreibweise wird Bequia eher wie Bäck-wei ausgesprochen. Und entgegen der Bedeutung ist die 18 km˛ große und bis zu 268 Meter hohen Insel meistens wolkenfrei.
Nachdem wir vor Port Elisabeth in der Admiralty Bay vor Anker gegangen sind, fahren wir mit dem Dingi an den weitläufigen Princess Margret Beach. Wer will, kann sich nahe der Anlegestelle in Jacks Bar, einem hübschen Strandrestaurant stärken.
Uns aber zieht es ans Südende vom Princess Margret Beach, wo wir uns einmal mehr mit Schnorchel und Flossen in die Fluten stürzen. Im Vergleich zur Inselgruppe der Tobago Cays muss man die Erwartungen an die Unterwasserwelt natürlich etwas zurückschrauben. Wobei wir allerdings nach wenigen Sekunden im Wasser auch schon einem Schwarm junger Schwertfische begegnen. Zudem beobachten wir einen Weißgefleckten Schlangenseeaal und einen kleinen blauen Fisch mit hellen Punkten, den wir - wie so oft - leider nicht zu bestimmen wissen. Aber angucken ist ja auch ganz schön.
Kaum zurück an Bord der Blue Wave brechen wir zu unserem zweiten Programmpunkt auf Bequia auf: die Schildkrötenstation oder, wie sie offiziell heißt, die Old Hegg Turtle Sanctuary. Sie befindet sich im Nordosten von Bequia am Park Beach und wurde 1995 durch Orton King gegründet.
Als Ziel der Station nennt der Bequianer, die Echte Karettschildkröte zu schützen. Vor Ort erfahren wir, dass der erfahrene Taucher und Fischer vor seinem Ruhestand noch nicht ahnte, dass ihm seine Liebe und Sorge für die Tiere im Meer diese neue Aufgabe eröffnen sollte.
Doch als Folge der Jagd wegen ihres Fleischs, ihrer Eier und prächtigen Schale nahm die Zahl der Karettschildkröten in einem bedrohlichen Tempo ab. Dies veranlasste Orton King zu dem Versuch, eine Handvoll Jungtiere in einer kleinen Plastikwanne zu halten.
Seine Hoffnung war, die Babys so lange schützen zu können, bis sie groß genug sind, um sich im Meer selbst verteidigen zu können. Der Schutz dieser wenigen Jungtiere war der bescheidene Anfang der Schildkrötenstation von Bequia.
Heute werden die Karettschildkröten fünf Jahre in den Becken der Station gehalten, eh sie an den Strand zurückkehren, an dem sie gefangen wurden. Allein im Jahr 2006 kehrten auf diese Weise mehr als 800 Schildkröten zurück ins Meer.
Bis das Schutzprojekt greifbare Erfolge zeigt, wird jedoch noch eine ganze Weile vergehen. Denn bis die weiblichen Tiere geschlechtsreif werden und nach Bequia zurückschwimmen, dauert es bis zu 25 Jahre.
Als zweite Schildkrötenart leben Köhlerschildkröten in der Station. Sie stammen ursprünglich aus dem Amazonas-Gebiet in Südamerika, wurden jedoch auf einigen Inseln der Karibik ausgesetzt. In freier Wildbahn sind sie am ehesten im Bereich von trockenen Buschland zu finden, wo sie sich von heruntergefallenen Früchten, Gras und Kräutern ernähren.
Besuch der Schildkrötenstation auf Bequia mit Aufnahmen von Grün- und Carettschildkröten.
Auf einem Segelschiff durch die Karibik zu schippern, bedeutet immer auch früh aufzustehen. Bequia macht da keine Ausnahme. Anders als auf Union Island, Mayreau oder in den Tobago Cays brauchen wir hier jedoch nicht mit dem Wasser geizen. Denn bevor wir weiter nach St. Vincent segeln, steuern wir das Versorgungsschiff in der Admiralty Bay an. Neben Frischwasser gibt es bei dem auffallend roten Schiff ab 8 Uhr Treibstoff und Eis. Oder auch kurz nach 8 Uhr, da der junge Mann erst geweckt werden und dann das Eis holen muss, eh er mit einem Dingi auf die Blue Wave zusteuert.
Nachdem das Eis - immerhin eine der wichtigsten Zutaten vom Rum-Punch - sicher verstaut ist, lenkt Bobby die Blue Wave an die Seite des Schiffs. Das Wassertanken geht dann ganz einfach durch eine kleine Öffnung auf dem Deck, die uns bis dahin gar nicht aufgefallen war.
Zugleich wissen wir durch das Tanken auch endlich, dass sich der Wassertank zwischen der Treppe zu unserer Kajüte und dem Frühstücksraum der Blue Wave befindet. So muss einer darauf achten, dass der Tank nicht überläuft. Natürlich ist das Chefsache, wobei Bobby stolz verkündet, dass er den Deckel, durch den er in den Tank schauen kann, erst ein paar Wochen vor unserem Törn eingebaut hat. »Davor hat es immer geknackt, wenn der Tank voll war.«
Vor der Weiterfahrt von Bequia nach St. Vincent heißt es in der Admiralty Bay aufzutanken. Nachdem frisches Eis für den Rum Punch an Bord ist, legen wir am Versorgungsschiff der Bucht an, um auch den Frischwassertank zu füllen.