Der zweite und zugleich letzte volle Tag auf der Hauptinsel von Grenada beginnt mit einem Besuch der Rumfabrik Westerhall Estate Ltd.. Die geschichtsträchtige Fabrik - hier befindet sich das älteste Wasserrad in der westlichen Hemisphäre - befindet sich in St. David und erstreckt sich über ein gut 200 Hektar großes Gelände für sich.
Auch wenn hier schon lange kein Zuckerrohr mehr verarbeitet wird, finden sich in der Brennerei noch einige Artefakte und Hilfsmittel der Rumproduktion. Dazu zählen alte, ausgediente Wasserräder, Zuckerrohrpressen, riesige, einst zum Sieden genutzte Gefäße, die überall auf dem Gelände verstreut stehen.
Lohnenswert ist aber auch das kleine Museum der Fabrik. Auf dem ersten Blick besteht es zwar nur ein Sammelsurium alter Gegenstände. Darunter finden sich auch einige Dinge, die man in dem von außen unscheinbaren Gebäudeteil nicht vermutet.
So entdecken wir eine Bordkarte der White Star Line, die den Inhaber für die Fahrt mit der Titanic berechtigt. Offenbar gehörte der Inhaber zu den Glücklichen, welche die nie vollendete Jungfernfahrt überlebt haben.
Ein zweiter Schatz des Museums ist der Oldtimer, ein Willys Overland (Modell 79) aus dem Jahr 1915. Das Fahrzeug wurde von Arnold Williams nach Grenada gebracht, wo es als Taxi genutzt wurde. Obwohl es das erst achte Fahrzeug auf Grenada überhaupt war, trug es die Nummer 18. Als Grund erfahren wir vor Ort, dass sich die Regierung die Nummern 1 bis 10 reserviert hatte, die Fahrzeuge aber noch nicht eingetroffen waren. Die vorangestellten Buchstaben P, H und T wurden erst später eingeführt, als die Anzahl der Fahrzeuge auf Grenada die 400er-Marke überschritt.
Noch vor der obligatorischen Rumprobe spazieren wir durch die parkähnliche Außenanlage der alten Fabrik. Neben einigen hübsch blühenden Sträuchern entdecken wir dabei mehrere auffallend lange und fast fingerdicke Raupen. Sie werden sie Caterpillar-Raupe genannt.
Ein passender Name; denn haben sie ein Blatt erst einmal erreicht, kann man zusehen, wie das Grün binnen weniger Augenblicke in der mächtigen Raupe verschwindet. Immerhin: am Ende soll dabei ein recht schöner Schmetterling herauskommen.
Die nächste Station an der Ostküste ist der Laura Herb and Spice Garden. Er existiert seit 1903 und befindet sich ebenfalls in der Nähe von St. David. 1905 begann die Produktion und Vermarktung der ersten Gewürze und Heilpflanzen. Nachdem immer wieder neue Pflanzen und Gehölze auf dem weitläufigen Gelände getestet wurden, wächst hier heute eine große Anzahl verschiedener Arten, die alle irgendwie nützlich sind.
Auch wenn uns ein Teil der Pflanzen, wie etwa der Kakaobaum, die Bananen-Staude oder auch die bei Schmetterlingen beliebte Lantane, bekannt ist, braucht es eine fachkundige Führung. Ohne ist es kaum möglich, all die Besonderheiten der einzelnen Arten zu erfassen. So bemerkt man nur zufällig das kleine Beet, in dem Langer Koriander wächst. Mit den Blättern werden Fischgerichte verfeinert. Umso auffallender ist eine hoch wachsende und weit verzweigte Tamarinde. Ihre sauren Früchte werden in Zucker eingebacken. Beim Genuss der Süßigkeit wird es dann zur Mitte immer saurer.
Nachdem wir eine Vielzahl Kräuter kennenlernen, die fast alle bei irgendwelchen Frauenleiden helfen sollen, wir über den Namen der weiß und pink blühenden Jump-up-and-kiss-me-Blume schmunzeln und Annette einen natürlichen Lippenstift - gewonnen aus einer rötlichen Frucht - testet, kommen wir zu einem kleinen Baum. Es ist eine Muskatnuss. Aber nicht irgendeine, sondern die Muskatnuss, die von Prinz Edward und Prinzessin Sophie am 25. Februar 2012 gepflanzt wurde.
Schöne Sache. Jetzt fehlt nur noch die Information, warum Angehörige von Königsfamilien ständig das Gefühl haben, überall auf der Welt Bäume pflanzen zu müssen. Aber gut, solange sie sonst keinen Unfug treiben, soll es uns recht sein. Vielleicht trägt das Bäumchen ja irgendwann dazu bei, den Muskatnussexport wieder anzukurbeln. Erste Muskatnüsse hängen trotz des jungen Alters immerhin schon am Baum.
Wer will, kann sich am Ende des Rundgangs mit Gewürzen wie schwarzen, weißen und roten Pfeffer und - falls noch nicht geschehen - mit Muskatnüssen eindecken. Auch frischer Zimt, Gewürznelken, Ingwer und mehrere Sorten Kräutertee werden im Laura Herb and Spice Garden angeboten.
Letztes Ziel unserer zweiten Rundfahrt ist die Bucht La Sagesse im Südosten der Insel. Verglichen mit der Grand Anse Bay ist sie deutlich ruhiger und, abgesehen vom Hotel und Restaurant La Sagesse, weitgehend unbebaut. Der Zugang an den Strand erfolgt durch die Hotelanlage. Ein Schild bittet darum, nicht quer durch das Restaurant zu laufen, wenn man nur an den Strand will. Der Umweg an der rechten Seite des Restaurants lohnt sich. Denn der Strand ist wirklich wunderschön. Während am oberen Ende der Bucht zahlreiche Palmen Schatten spenden, fällt der untere Bereich des feinen Sandstrands sachte zum Wasser hin ab.
La Sagesse Beach auf Grenada
Sowohl das westliche als auch das östliche Ende der Bucht wird von bewaldeten Felsen begrenzt, womit die Bucht nur direkt von Süden einsehbar und zugleich vor hohen Wellen geschützt ist. Die Lage hat allerdings auch ihren Preis. So erklärt Mona, dass eine Übernachtung in einem der wenigen Gästezimmer einiges mehr kostet als in den Hotels am Grand Anse.
Dies stimmt auch, gemessen an den Preisen an anderen Traumstränden - etwa auf den Seychellen - aber halten sich die Kosten noch in einem erschwinglichen Rahmen. Vor allem, wenn man bedenkt, dass das Hotel trotz der wenigen Zimmer einige Leute beschäftigen muss, um die Gäste entsprechend gut versorgen zu können.
Eindrücke von der ehemaligen Rumfabrik Westerhall Estate Ltd. und der traumhaft schön gelegenen Bucht La Sagesse an der Ostküste von Grenada.
Das ist dann auch der Grund, warum das La Sagesse Beachfront Restaurant auch auswärtigen Gästen offen steht. Stolz erklärt die Karte, dass hier ausschließlich frischer, vor Ort gefangener Fisch und Hummer serviert wird und ein Großteil des Gemüses und Obst auf der eigenen Farm im Regenwald angebaut wird. Einem schönen Abend mit Sicht über den Strand in die Bucht sollte damit eigentlich nichts im Wege stehen. Außer vielleicht, dass man bereits mittags hier ist und nicht so lange warten kann. Das schöne Ambiente lässt sich aber auch bei zwei leckeren Fruchtdrinks genießen.