Für heute leihen wir uns Fahrräder bei der Unterkunft. Weil sie kein Schloss haben und wir inzwischen wissen, dass es Touristen gibt, die sich nicht einmal die Farbe ihres Leihrads merken können
(ja, so einen haben wir wirklich getroffen), nehmen wir ein kleines Kofferschloss mit. Damit lassen sich die zwei Fahrräder zumindest über die Bremskabel aneinander schließen.
Über die Fahrt von La Passe über La Retraite zur Südostküste kann man geteilter Meinung sein. Während wir andere Urlauber schimpfen gelesen haben, dass es auf der Insel La Digue ständig bergauf geht, sehen wir in der Fahrt eine angenehme Abwechslung.
Gut, der Buckel in der Mitte der Insel strengt schon ein wenig an. Die Landschaft mit einem hübschen Wald, unzähligen Dieffenbachien entlang eines Bachlaufs und etlichen anderen Pflanzen macht die Mühe allemal wett.
Hat man den höchsten Punkt erreicht, geht es außerdem nur noch bergab, sodass man das Rad einfach rollen lassen kann. Aber nicht zu schnell, da sich die Straße unten etwas ruppig in drei sandige Wege verliert. Nach etwas Rätseln, wo es weiter geht,
entscheiden wir uns für den Weg, der halb rechts von der Straße führt. Wir liegen richtig, denn der Weg ganz rechts endet bei einer Hütte und geradeaus geht es, so wie es aussieht, nirgends hin. Einen Augenblick später erreichen wir die Grand Anse.
Die Grand Anse ist die Hauptbucht im Südosten von La Digue. Straßen gibt es hier keine. Ein Umstand, der wohl auf die starke Brandung während des Südostpassats zurückzuführen ist.
Weil nämlich von Juni bis August fast unablässig hohe Wellen gegen die Küste branden, ist das Baden gefährlich genug, dass an jedem der Strände vor der Strömung gewarnt wird - in fünf Sprachen!
Natürlich bleiben auch trotz der Schilder noch Leute übrig, die sich dennoch in die Fluten stürzen. Mehr als ein Bad in Strandnähe aber wagt fast niemand.
Durch das Fehlen der Hotels und, weitgehend, der Tagesausflügler, ist es hier andererseits ausgesprochen ruhig, sodass sich die Strände wunderbar zum Spazieren und Sonnen eignen.
Also lassen wir die Räder beim Sammelplatz hinterm Loutier Coco zurück und sind dann auch schon auf dem Weg zum Strand.
Nachdem wir die Grand Anse bis zu ihrem südlichen Ende gelaufen sind, stehen wir vor einem Rätsel: wo, bitte sehr, ist der Weg zur nächsten Bucht? Leider versperrt ein Dickicht, zusammen mit steil aufragenden Felsen den direkten Durchgang zum Pointe Canon. Erst als wir ein gutes Stück weit am Strand zurücklaufen, erkennen wir einen Pfad, der durch Palmen und Pinien (?) auf eine mit Stauden und hohem Gras bewachsene Wiese führt.
So, wie wir einen zweiten Pfad, der zu einer Hütte (und weiter oben zur Straße) führt, passiert haben, können wir Pfad problemlos entlang eines Wasserschlauchs nach Süden folgen. Bevor wir in den nächsten Waldstreifen kommen, überrascht uns zu unserer Rechten ein idyllisch gelegener Teich mit Seerosen und sogar einer aufgeschreckt flüchtenden Ralle.
So etwas hatten wir hier nicht erwartet. Doch gerne lassen wir kurz unsere Blicke über die dunkle Wasseroberfläche schweifen, bevor wir in den Wald eintauchen und auf den abenteuerlichen Teil des Spazierwegs wechseln.
Der Weg ist das Ziel. Wie wahr dieser Spruch sein kann, erleben wir zwischen der Bucht Grand’ Anse und der felsigen Bucht Pointe Canon. Teilweise führt der Pfad zwischen hohen Granitfelsen hindurch, in denen die Palmen und Takamaka-Bäume dennoch irgendwo genug Halt finden, um die Landschaft in einen herrlichen, tropischen Dschungel zu verwandeln. Immer wieder bieten sich uns neue Einblicke in die dichte Vegetation, bevor wir die Bucht am Pointe Canon erreichen.
Einmal öfter sind wir in diesem Urlaub alleine. Rund um uns herum gibt es keinerlei Spuren der Zivilisation, keine Straßen, keine Gebäude, keine Leitungen, einfach nichts. Es fühlt sich komisch an, sind wir doch immer noch auf einer der beliebtesten Urlaubsinseln auf der Welt. Aber gerade das ist es, was La Digue auch heute noch ausmacht.
Es sind die weitgehend unberührten Strände im Osten und die nahezu unerreichbaren Buchten im Süden, es ist das gewaltige Rauschen vom Meer, es sind die teils spielerisch, oft kunstgerecht verteilten Granitfelsen. Es ist die Kombination von all dem, was uns immer wieder aufs Neue beeindruckt.
Nach einem weiteren Fotostopp laufen wir weiter zur Grand L’ Anse. Im Gegensatz zum ersten Pfad sind es diesmal nur wenige Meter, die wir bewältigen müssen. Doch auch die haben’s in sich. Leider nämlich hat irgendeine uns unbekannte Art Busch ein so dichtes Dickicht geschaffen,
dass wir gebückt durch einen Tunnel laufen müssen, um den nächsten Strand zu erreichen. Belohnt werden wir mit einem Strand, der - wie so viele auf den Seychellen - wunderschön ist, den wir im Gegensatz zur Anse Lazio oder Anse Georgette auf Praslin aber mit niemanden teilen brauchen.
Gleich nördlich von der Grand Anse befindet sich die Petite Anse. Der Name täuscht, denn die Kleine Bucht ist alles andere als klein. Vielmehr erwartet uns hier ein langer Sandstrand, der auf beiden Seiten von Granitfelsen abgegrenzt wird.
Da größere Bäume und damit schattige Plätze in Strandnähe fehlen, zählt die Petite Anse als eine der wenigen Buchten auf La Digue nicht zu den schönsten Stränden der Seychellen bzw. der Welt.
Das aber kann uns egal sein. Denn weil vom Grand’ Anse neben dem Weg über die Felsen am Meer noch ein zweiter (Dschungel-) Weg im Hinterland zu den nördlich gelegenen Buchten führt und wir zwei Engländern zu demselben folgen,
finden wir erst auf dem Rückweg von der Anse Caiman zum Grand Anse zur Petite Anse. In der Regel sollten ein bis zwei Blicke reichen, um zu sehen, dass der Strand in dieser Bucht nicht mit den umliegenden Stränden mithalten kann.