Die Corbii de Piatra, eine Höhlenkirche nahe Argisch, ist das erste Ziel unserer Rundreise durch Rumänien. Ins Deutsche übertragen bedeutet der Name so viel wie »steinerne Raben«. Kurz wird der Ort auch einfach Corbi bei Arges genannt. Zunächst aber müssen wir nach der Ankunft in Bukarest erst einmal dorthin kommen.
Eindrücke der Felsenkirche Corbii de Piatra, einem Kloster in der Großen Walachei von Rumänien. Die in Sandstein gehauene Kirche ist mit alten byzantinischen Fresken verziert. Ausblick vom Rabenfelsen.
Ab dem Flughafen fahren wir zunächst von Kreisel zu Kreisel. Über den äußeren Ring verlassen wir den Großraum Bukarest, bis wir die A1/E81 erreichen. Auf dieser könnten wir bequem bis nach Sibiu fahren. Doch das wären über vier Stunden Fahrt, sodass wir uns doch einen Zwischenstopp wünschen. Zu unserer Überraschung ist die rumänische Autobahn in einem besseren Zustand als wir erwartet hatten. Wir kommen zügig voran durch die Ebene der Großen Walachei.
Rumänien ist ein Billiglohnland und wird das Bangladesch von Europa genannt. Neben der Bekleidungsindustrie betreibt auch Dr. Oetker gleich an der Autobahn, nahe Bukarest ein großes Werk. Damit die Arbeiter wissen, wo sie ihr gut verdientes Geld sogleich wieder ausgeben können, sind die uns bekannten Ketten Kaufland, Lidl für den schnellen Konsum sowie IKEA und Hagebaumärkte für Sachen von längerem Bestand überall vertreten. Das investierte Geld muss ja im Kreislauf der westlichen Firmen bleiben. Bei vielen Rundreisen besuchen wir zu Beginn einen Supermarkt und decken uns mit Knabbereien und Getränken ein. Hier in Rumänien verzichten wir darauf. Wir lassen das Geld lieber in kleinen Läden der Dörfer liegen.
Es wird langsam gebirgiger. Kaum haben wir die Autobahn verlassen, fahren wir durch kleine Ortschaften, die uns an unseren Roadtrip durch Moldawien erinnern. Auch hier besitzen noch viele Grundstücke einen Ziehbrunnen. Die mehr oder weniger gepflegten Eimer lassen erkennen, dass die Wasserversorgung in Rumänien schon fortgeschrittener als im Nachbarland ist. Viele der Brunnen dienen nur noch der Deko oder werden für die Gartenbewässerung genutzt. So auch in dem Dörflein Corbi, in dessen Hintergrund ein gelblicher Felsblock erscheint. Dort müsste sich die Höhlen- bzw. Felsenkirche befinden.
Kaum haben wir die Hauptstraße verlassen, wird es holprig. Unser Auto sieht so aus, als hätte es schon die ein oder andere Schotterpiste überlebt. Wir nehmen es gelassen und holpern in Richtung des gelben Felsen. Der Eingang zur Manastirea Corbii de Piatra ist kaum zu verfehlen.
Das Tor im gepflegten Gartenzaun ist geöffnet. Davor lümmeln ein paar Dorffrauen und winken uns zu. Kaum sind wir ausgestiegen, halten sie uns kleine Körbe mit frisch geernteten Fichtentrieben unter die Nase. Wir sollen uns damit einen Tee aufgießen. Ist sehr gesund. Klar doch!
Wir belassen es bei einem Klosterbesuch. Beim Kassenhäuschen will ich drei Tickets lösen. Doch die Verkäuferin tipselt lieber auf ihrem Smartphone herum. Das Häuschen stellt sich als Souvenir-Shop heraus, wo Honig und Fichtennadelgelee feilgeboten werden.
Was auch sonst? Wir spazieren den Weg hinauf zur Felsenkirche, die sich tapfer unter der Last einer 20 Meter hohen Felswand behauptet. Daneben befindet sich das offene Refektorium des ehemaligen Klosters.
Die erste urkundliche Erwähnung der Manastirea stammt vom 23. Juni 1512, als die Nonne Magdalena das Anwesen geerbt hatte. Sie hat das Kloster im Rabenfelsen gegründet und Neagoe Basarab, dem damaligen Herrn der Walachei, gewidmet. Die Höhlenkirche selbst ist orthodox und wurde nach rein byzantinischer Tradition erstellt. Der in den Sandstein gehauene Innenraum ist durch eine Altarwand zweigeteilt.
Die alten byzantinischen Fresken aus dem 14. Jahrhundert sind heute noch in Teilen erhalten und die Motive zum Teil sogar gut zu erkennen. Die für Rumänien einzigartige Höhlenkirche ist baugleich mit den Felsenkirchen im türkischen Kappadokien. Ein großer Unterschied ist jedoch, dass hier noch immer Gottesdienste gefeiert werden.
Ein steiler Weg führt neben dem Kirchlein hinauf auf den mit einem Kreuz gekrönten Felsen. Nach dem Aufstieg blicken wir über die Dächer von Corbi, welches idyllisch im grünen Tal des Flusses Doamnei gelegen ist. Da wir nicht wissen, wie weit der Spazierweg über den Felsen hinweg führt, belassen wir es jedoch bei einem kurzen Abstecher. Wir sind bereits eine gute Weile unterwegs und haben langsam Durst. Bei der Anfahrt hatten wir im Ort einige Läden gesehen, von denen wir den nächstgelegenen ansteuern.
Leider lassen wir uns auf dem Weg dorthin von der Dorfkirche jenseits des Doamnei ablenken, die erst abgelichtet werden will. Denn genau während unseres Fotostopps schließt der Laden seine Türen. Na prima! Ein paar Meter weiter finden wir dafür an der Hauptstraße eine Sportbar. Hier trifft sich gerade die Dorfjugend zum Biertrinken, Rauchen oder Eis schlotzen. Wir teilen uns mit ihnen den Balkon. Die Statik wirkt zwar wenig vertrauenerweckend, wird uns aber wohl aushalten. So kann die Fahrt leicht ausgeruht und entspannt weitergehen und freuen wir uns auf die Bergwelt von Rumänien.