Bislang haben wir uns in Siebenbürgen gefühlt, als befänden wir uns abseits jedweder Touristenpfade. Doch auch in Rumänien gibt es Sehenswürdigkeiten, bei denen gilt es, zeitig aufzustehen. Direkt nach dem Frühstück brechen wir somit zum Schloss Bran auf. Andere Urlauber machen inzwischen einen großen Bogen um das vermeintliche Draculaschloss und konzentrieren sich lieber auf die Kirchenburgen. Doch wir sind optimistisch und stürzen uns ins Getümmel. Mehr noch: daheim war ich so mutig, den zum Schloss nächstgelegenen Parkplatz ins Navi einzugeben. Und was soll ich sagen? Glück gehabt, bei unserer Ankunft sind tatsächlich wenige Plätze frei.
Eindrücke von unserem Besuch in Schloss Bran, dem sagenumwobenen Draculaschloss in Transsylvanien. Und es ist wirklich zum Gruseln.
Ab dort ist es nur noch ein kurzer Spaziergang, bis wir das sagenumwobene Schloss Bran vor uns sehen. Doch wer nun an die gruseligen Dracula-Geschichten denkt, die sich um das Schloss ranken, der kennt den Basar nicht, der sich vor dem Parkeingang breit gemacht hat. Bei den Ständen voll fettiger Würste, Schinken und Käse kann einen wirklich das Grauen packen.
Der Verkaufsschlager sind augenscheinlich die Vampir-Artikel, made in China. Wobei, ja, von der Aufmachung her lässt sich eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Umfeld der Geisterbahn im Europapark Rust nicht völlig von der Hand weisen. Den Leuten zumindest scheint es zu gefallen. Und solange sie hier herumstöbern, ist es im Schloss vielleicht ruhiger.
Auch an den Eintrittspreisen lässt sich ablesen, dass wir uns hier bei einer Touristenhochburg befinden. Dafür wird es in der Parkanlage rund um den Kalksteinfelsen, auf dem das Schloss thront, schon wieder ruhiger. Ein Teehaus und der Forellenteich, umgeben von stattlichen Bäumen, erinnern eher an ein Märchen als an ein Gruselgenre.
Rundgang durch das Schloss Bran
Und genau das war es, was aus der Törzburg hätte werden sollen. Die Festung Bran entstand auf Geheiß des ungarischen Königs Ludwig I. Mitte des 14. Jahrhunderts und diente als Grenz- und Zollburg. Auch wenn die Burg umkämpft war und mehreren Belagerungen standhalten musste, ist sie weitestgehend erhalten geblieben.
Ab Mitte des 18. Jahrhunderts verlor die Törzburg an militärischer Bedeutung. Aus der Festung wurde ein Schloss, welches die Kronstädter 1920 an Königin Maria von Rumänien schenkten. Das wuchtige Gemäuer mit Türmen und Erkern strahlte schon damals einen romantischen Flair aus. So hatte die Königin das mittelalterliche Kastell in ein Märchenschloss verwandelt.
Nach dem Tod der Königin ging das Haus in den Besitz der Familie Habsburg-Lothringen über, wechselte dann in Staatsbesitz und gelangte 2006 wieder zurück an die Familie Habsburg. Diese wollte den legendenumwobenen Bau zwar an den rumänischen Staat verkaufen. Der Preis jedoch war so hoch angesetzt, dass die Regierung dankend ablehnte.
Bleibt die Frage, warum sich die Geschichten des Dracula ausgerechnet um dieses Schloss ranken? Bram Stoker hat das Schloss Bran nirgends in seinem Buch erwähnt. Lediglich die blutrünstige Persönlichkeit des Fürsten Vlad Tepes sowie dessen Beinamen Draculea nutzte er für seine Figur Dracula. Der Fürst selbst verweilte mehrfach in Transsylvanien.
Weil kein anderes Schloss der Gegend besser zur Romanbeschreibung passt als die Törzburg, kamen die Kommunisten auf die Idee, Bran als Draculaschloss zu vermarkten. Die Touristen haben es dankend angenommen. Auch wenn es keinen Nachweis dafür gibt, das Vlad Tepes jemals das Schloss betreten hat, bleibt die Legende bis heute daran haften.
Um die Gruselgeschichten zu untermalen, stehen entlang der Rampe Plakate mit Werwölfen, beißenden Vampiren und gepfählten Menschen, Vlad Tepes bevorzugte Foltermethode. Kurz vor dem Schlosseingang erwartet uns schließlich ein mystisches Steinkreuz. Gerne sieht so manch ein Besucher hier drin den Grabstein des Gruselfürsten.
Es stammt jedoch von einem moldauischen Woiwoden, der das Kreuz zu Ehren des Märtyrers Pantaleon errichten ließ. Genug der Worte, es wird Zeit, im Innern der Burg nach Anzeichen für einen einstigen Besuch des Gruselfürsten zu suchen. Zuvor jedoch müssen wir uns kurz in Geduld üben. Denn der Zugang in das Schloss erfolgt nur grüppchenweise. Andernfalls würde es nur allzu bald aus den Nähten platzen.
Im Eingangsbereich des Schlosses Bran hängen Porträts von Herrschern und Persönlichkeiten Transsylvaniens. Darunter finden wir natürlich auch das grimmige Konterfei von Vlad Tepes. Wobei, die anderen Herrschaften schauen keinen Deut freundlicher aus der Wäsche.
Erst mit der Königin Regina Maria wird die Mimik heller und fröhlicher. Vom Flur wechseln wir in den gotischen Raum. Hier war einst die Festungskapelle untergebracht. Nach 1920 richtete sich Königin Marie hier den Gelben Salon ein, in welchem sie las oder frühstückte.
Das Mobiliar wirkt durch das schwarze Holz zwar recht düster. Doch eigentlich ist das Schloss eher gemütlich eingerichtet. Großteils sind die ausgestellten Stücke keine Originale. Nachdem Bran wieder an die Habsburger Familie gegangen war, hatte man es neu eingerichtet. Dazu wurden Möbel aus dem Familienbesitz genommen oder einfach welche dazu gekauft. Um die Atmosphäre besser auf uns wirken lassen zu können, halten wir in der Ratskammer kurz inne. Denn gerade flutet ein Kollektiv an Schülern diesen Teil der Burg, schlendert mehr oder weniger interessiert durch die Räume und ist wohl eher auf der Suche nach etwas Geheimnisvollem.
Und ja, es gibt das ein oder andere Mystische im Schloss Bran. Denn währen der Renovierungsarbeiten der Königin wurde hinter einem Ofen der Ratskammer eine schmale Geheimtreppe entdeckt. Sie verbindet die erste mit der dritten Etage. Über diesen engen Gang gelangt man heute in die Schlossbibliothek. Dorthin gehören natürlich auch Bücher des Autors Edgar Allan Poe, einem der Pioniere des Genres der Horror- bzw. Schauerliteratur.
Prägend war einst auch ein Erlebnis der Prinzessin Ileana: Im Alter von sieben Jahren erschienen ihr am frühen Morgen Engel. Sie zeigten sich deutlich und klar. Und das Mädchen war weder erstaunt noch ängstlich, nicht einmal beeindruckt, nur sehr erfreut. Sie wollte mit ihnen reden und sie berühren. Jenen Engeln zu Ehren hängen heute Glocken in der Loggia. So heißt es, beim Läuten von Glocken bekomme ein Engel seine Flügel ...
Durch die Arkaden der Loggia öffnet sich schließlich der Blick auf den Innenhof, die mittelalterlichen Mauern drum herum und die verspielten Kamine, Türme und Dächer des Schlosses. Für uns ist dies der schönste Bereich von Bran. Auch hier braucht es etwas Geduld, um die hübsche Aussicht ohne Gedränge zu erwischen. Wir lassen uns Zeit. Und während eine Gruppe Chinesen auf der Dachterrasse hinter dem Menschenstau geduldig im Regen ausharrt, setzen wir uns in einen überdachten Pavillon und warten, bis es weitergeht.
Sowie sich der Stau lichtet, geht es Stockwerk um Stockwerk sowie durch enge Gänge wieder nach unten. Dabei passieren wir königliche Gemächer, Salons, Musikzimmer und einige Ausstellungsräume. Eines unter ihnen ist Bram Stoker und seinen Dracula-Geschichten gewidmet. Das aber ist so ziemlich alles, was das Castelul Bran zur Draculaschloss macht. Natürlich wurde auch eine Folterkammer eingerichtet. Aber so ein Raum ist Standard bei so ziemlich jeder Burg. Wer einen humpelnden Gehilfen des Grafen und schaurige Gruften mit Särgen besichtigen will, muss nach Irland in die St. Michan's Church von Dublin gehen.
Dort finden wir den Ort, von dem sich Bram Stoker wirklich hat inspirieren lassen. Was uns betrifft, so fanden wir auf Schloss Bran die Masse an Besuchern am gruseligsten, welche sich zeitweise durch die Gänge drückt. Trotzdem ist das Schloss sehr eindrucksvoll und einen Besuch sicher wert. Wir haben uns genug Zeit gelassen und somit immer wieder mal ruhige Momente und leere Räume im Schloss Bran erwischt.