Hermannstadt, oder auf Rumänisch Sibiu, gehört zu den schönsten Städten Rumäniens. Auch die Rumänen selbst nennen das Städtchen gerne als das Schönste ihres Landes. Passend dazu wurde Sibiu 2007 zur Europäischen Kulturhauptstadt gekürt. Es lohnt sich also, hier mehr als nur einen Besuch auf der Durchreise zu verbringen.
Eindrücke vom Besuch der rumänischen Stadt Sibiu bzw. Hermannstadt. Sie gilt als schönste Stadt des Landes und hat einige schöne Plätze zu bieten.
Bei der Hotelauswahl achte ich auf ein idyllisches Haus in zentraler Lage. Das ist etwas fies meinem lieben Mann und Fahrer gegenüber. Denn die schmalen Gassen sind für Autofahrer auf Parkplatzsuche schlichtweg ein Graus. Doch der Besitzer des Casa Timpuri Vechi stellt für uns sein Auto ins Parkverbot und macht uns damit fast vor der Türe Platz. Das ist doch mal ein Service! Wenn wir jetzt noch ein Parkticket für 10 Leu lösen, darf das Auto den ganzen Tag über hier stehen bleiben. Für eine solch beliebte Stadt ist das äußerst günstig.
Weniger günstig hingegen gestalten sich die Ruhetage der Museen von Hermannstadt. Wer montags und dienstags schlechtes Wetter erwischt und dieses mit einem Museumsbesuch zu überbrücken sucht, hat Pech und steht allerorts vor geschlossenen Türen. Freizeit muss sein, da kennt der Rumäne kein Erbarmen.
Uns Museumsmuffeln kann das egal sein. Bei schönstem Wetter können wir unsere Stadtbesichtigung starten. Denn vom Hoteleingang trennen uns keine 200 Meter von der Piata Mare, dem Großen Ring von Sibiu. Patrizierhäuser säumen den großen Platz und zeugen vom Wohlstand der einstigen Bewohner der Piata.
Doch neben dem »Wohnzimmer der Mächtigen«, war der Große Ring ein Ort der Hinrichtungen. Auch die kleineren Strafen wurden hier verbüßt. So standen mitten auf dem Platz ein Schandpfahl und der »Narrenkäfig«. In diesem Cusca nebunilor fanden sich Randalierer und Betrunkene wieder, wurden dort öffentlich zur Schau gestellt und der Lächerlichkeit preisgegeben. Dabei waren längst nicht nur Bürger der Stadt betroffen. Auch ortsfremde Händler saßen immer wieder mal im Käfig. Sie konnten sich dann doppelt ärgern. Denn neben der Schmäh war es ihnen nicht möglich, ihren Geschäften nachzugehen.
Das auffälligste Gebäude an der Piata Mare ist die Primaria, das Rathaus von Sibiu. Viel Stuck und ovale Fenster im Jugendstil zieren die halbrunde Fassade des ehemaligen Bankhauses. Das Gebäude stammt aus dem Jahr 1903 und diente als Sitz einer landwirtschaftlichen Bank. 1950 änderte sich dies, als die Kommunisten Industriebetriebe, Versicherungen und Banken enteigneten. So nannte die PCR, der Partidul Comunist din Romania, auch dieses Gebäude ihr Eigen und zog dort ein.
Gleich neben dem Rathaus befindet sich das Barock-Palais des Baron Samuel von Bruckenthal. 1778 bis 1788 ließ der Gouverneur von Siebenbürgen das Gebäude nach dem Vorbild der Wiener Paläste als seine Residenz errichten. Bruckenthal war begeisterter Kunstsammler, sodass hier heute das nach ihm benannte Museum eingerichtet ist. Aber wie gesagt, an den Montagen herrscht Ruhetag. Das gilt auch für die beiden Innenhöfe des Palais, wie uns der Wachmann davor mit strengem Mienenspiel klar macht.
Gut, dann besuchen wir halt die Katholische Stadtpfarrkirche auf der anderen Seite des Rathauses. Als Besonderheit besitzt Sibiu gleich zwei Stadtpfarrkirchen. Bis 1688 waren die meisten Kirchen von Hermannstadt protestantisch. Dann wurde Siebenbürgen in die Habsburgermonarchie eingegliedert. Es entstand eine katholische Gemeinde und Jesuiten siedelten sich an. Nachdem diese einige Verkaufslauben am Großen Ring betrieben hatten, forderten sie die Genehmigung für ein richtiges Gotteshaus.
1726 hatte ihr Anliegen Erfolg und wurde der Grundstein gelegt. 1733 konnten die Jesuiten ihre Kirche einweihen. Und auch, als der Orden seine Niederlassung 1773 auflöste, blieb das frühbarocke Gebäude am Großen Ring als katholische Pfarrkirche bestehen. Sie zählt natürlich zu den Zielen sämtlicher Stadtführungen in Hermannstadt, weshalb wir zum Fotografieren etwas Geduld aufbringen müssen. Doch im Vergleich zu den Massen, die täglich das Straßburger Münster aufsuchen, geht es hier in Sibiu eher beschaulich zu.
Wieder auf der Piata Mare bemerken wir bald, dass sich »Großer Ring« mächtiger anhört, als es ist. Klar, der Platz ist riesig und die Pflasterer haben sicher eine kleine Ewigkeit für ihre tolle Arbeit investiert. Doch die Vorbereitungen für das große Fest an Christi Himmelfahrt sind in vollem Gange.
Der halbe Platz ist mit Bauzäunen abgesperrt, was das Bild stört. An der Statue des rumänischen Schriftstellers Gheorghe Lazăr vorbei erreichen wir den Turnul Sfatului, den Großen Ratsturm von Hermannstadt. Durch ihn hindurch kommen wir vom Großen in den Kleinen Ring.
Uns ist irgendwie nach Kaffee. Leider hat sich auf dem Großen Ring, wie bei so vielen wichtigen Plätzen der Welt, Starbucks breit gemacht. In einer solch edlen Stadt wie Sibiu können wir uns Besseres vorstellen, als einen Kaffee aus einem schnöden Pappbecher zu schlürfen. Wir sind sicher, einen angemesseneren Rahmen für die Kaffeepause zu finden.
Vorher aber steigen wir hinauf auf den Turnul Sfatului, dessen Eintritt von zwei RON nicht wirklich erwähnenswert sind. Das denkt sich wohl auch die Angestellte hinter der Kasse, die mit Abwesenheit glänzt. Gut, wir sind ehrlich und nehmen uns vor, zu bezahlen, wenn wir wieder hinunter kommen.
Im Gebäude neben dem Ratsturm versammelte sich einst der Rat der Stadt. Das erklärt, warum der Turm nicht neben dem heutigen Rathaus steht. Er diente zeitweise als Kornspeicher, Arrestzelle oder als Brandmeldestelle. Heute beherbergt er ein kleines Museum mit wechselnder Ausstellung.
Die meisten Besucher indes klettern die Wendeltreppen einzig dafür hinauf, um die Aussicht über die Ziegeldächer von Hermannstadt zu genießen. Tatsächlich ist die Kasse nach unserem Abstieg verwaist. Tja, da können selbst wir nichts machen und verlassen zusammen mit einer ebenso ratlosen Asiatin den Ratsturm.
Die Piata Mica, der Kleine Ring von Hermannstadt schließt sich auf der anderen Seite an den Turnul Sfatului an und wirkt nicht ganz so vornehm wie der Große Ring. Hier wohnten Handwerker und Kaufleute in gedrungen aneinander stehenden Häusern. Anstatt einer großen Showbühne, wie auf dem Großen Ring, dürfen sich hier die kleinen Marktbuden für das anstehende Fest niederlassen. Leider darf außerdem auf der Piata Mica geparkt werden. Ohne das ganze Blech wäre der Platz mit seinen hübschen Restaurants und den Arkadengängen der Kaufmannshäuser deutlich stimmungsvoller.
Die Zufahrt der Strada Ocnei aus der Unterstadt zieht sich als Einschnitt durch die Piata Mica, sodass diese zweigeteilt wirkt. Überspannt wird die Lücke von einer hübschen, gusseisernen Brücke. Die Podul Minciunilor, auf Deutsch »Lügenbrücke« wurde 1859 erbaut und verbindet die Ober- mit der Unterstadt für die Fußgänger.
Diese allerdings sollten sich besser in Acht nehmen. Laut einer Legende soll die Brücke sofort einstürzten, wenn Passanten auf ihr eine Lüge laut aussprechen. Bisher hat sie gehalten. Wobei, die Touristen, welche die Brücke nutzen, verhalten sich auffallend ruhig. Besser ist das.
Wir lassen uns nicht beirren, Lars hat Redeverbot und so spazieren wir über die Lügenbrücke in Richtung der Evangelischen Stadtpfarrkirche. Denn noch immer wollen wir unser Verlangen nach Kaffee stillen. Und aus der Gasse entlang dem Gotteshaus dringen angenehme Klavierklänge zu uns.
Sie stammen von der beschaulichen Terrasse des Café Wien, auf der gerade noch ein Tisch frei ist. Im Innern herrscht zwar gemütliche Kaffeehaus-Atmosphäre. Doch bei dem tollen Wetter sitzen wir lieber unter freiem Himmel. Zumal das Klavier draußen steht und klingt.
Die Karte hält, was der Name des Cafés verspricht. Egal ob Kleiner Schwarzer, Verlängerter, Einspänner oder einfach nur Wiener Melange, hier bekommen wir jede österreichische Kaffeespezialität serviert. Dazu eine Sachertorte oder Apfelstrudel mit Schlagobers, Kalorienbomben hin oder her, wir lassen es uns gut gehen und genießen die Ruhe. Anders als bei den beiden Ringen finden wir diese hier, untermalt vom wohlklingenden Spiel des Klavier. Die Gegend ist frei von Autos und lediglich ein paar Touristengruppen kommen hin und wieder durch die Gassen geschlichen.
Anschließend hätten wir gerne die Catedrala Evanghelica Santa Maria, die Evangelische Stadtpfarrkirche auf der Piata Heut besichtigt. Immerhin gehört ihr Glockenturm mit den bunten Dachziegeln und den vier Ecktürmen zu den auffälligsten Gebäuden der Stadt. Zudem befindet sich in dem Gotteshaus das Grab des Mihnea I. cel Rau, dem Sohn des Vlad Tepes.
Genauso grausam wie sein Vater, erhielt er den Beinamen »der Böse« oder auch »der Schlechte«. Auf den Stufen der Kirche fand er bei seiner Flucht nach Siebenbürgen den Tod, als ihm sein Mörder auflauerte und das Schlechte sozusagen ausmerzte. Seine letzte Ruhestätte befindet sich unter einer Grabplatte im Gotteshaus. Dieses wird während unseres Aufenthalts jedoch saniert, womit die Eingänge versperrt sind.
Als Alternative befindet sich ganz in der Nähe die Orthodoxe Kathedrale von Sibiu. Das 1864 wiedererrichtete Gotteshaus ist eines der wichtigsten religiösen Zentren der orthodoxen Kirche in Rumänien. Will man einen Blick ins Innere werfen, muss man somit etwas flexibel sein. Bei unserem ersten Besuch wird gerade Gottesdienst gehalten.
Und das kann in orthodoxen Kirchen durchaus eine Weile dauern. Am nächsten Tag ist es jedoch kein Problem, gemütlich durch die Kirche zu spazieren und alles genau anzuschauen. Ein Vorteil von orthodoxen Kirchen sind dabei die fehlenden Sitzbänke. So kann man sich im Kirchenraum frei bewegen.
Die heutige byzantinische Form erhielt die Kathedrale bei ihrem Umbau durch die Stiftung des Metropoliten Ioan Metianu in den Jahren 1902 bis 1906. Zwei Architekten aus Budapest ließen sich dafür von der Hagia Sophia in Istanbul inspirieren.
Sie erschufen das rot-weiße Backstein-Gotteshaus mit einer auffallenden Kuppel und einem großzügigen Innenraum. Die Wände, Balkone und die Kuppel sind mit leuchtenden Fresken verziert und die Ikonenwand ist edel vergoldet.
Anders als in Moldawien, geht es hier im Kirchenraum weit weniger streng zu. Frauen dürfen ohne Kopfbedeckung eintreten und auch das Fotografieren wird gestattet. Wir beobachten alte Frauen, die andächtig das Gotteshaus betreten und die goldenen Reliquien im Eingangsbereich küssen.
Nach einem kurzen Gebet gehen sie über zum heiteren Plausch mit ihren bereits wartenden Freundinnen. Unter den Balkonen sitzen Frauen in den Stühlen, sind mit dem Smartphone beschäftigt und genießen offensichtlich einfach nur die Stille.
Wir schlendern immer wieder gerne über die Lebensmittelmärkte in den verschiedensten Ländern. Die Piata Cibin liegt etwas außerhalb des historischen Zentrums von Hermannstadt, sodass wir die Strada Turnului, die Turmstraße hinab, immer in Richtung Cibin-Fluss spazieren. Der Marktplatz ist unverkennbar. Es duftet nach frisch geschnittenen Blumen, und schon stehen wir zwischen den Ständen der Blumenverkäufer.
Doch während die meisten Rumänen Touristen gegenüber freundlich gestimmt sind, zeigen die Verkäufer auf dem Cibin Markt nur wenig Begeisterung für unsere Anwesenheit. Sie winken ab und haben lieber kaufende Kundschaft vor ihren Ständen. Gerne hätten wir uns ein paar frische Erdbeeren oder Kirschen gegönnt. Die plötzliche Hitze setzt den früh morgens gepflückten Früchten jedoch arg zu, sodass sie gegen Abend alles andere als frisch aussehen. Schade eigentlich!
Vielleicht haben wir bei der Piata Aurarilor, dem Goldmarkt mehr Glück. Anders als die Goldene Gasse von Prag erweist sich die Goldene Gasse von Sibiu als eher günstig heraus. Offenbar haben die Hermannstädter bis heute keinen Weg gefunden, wie sie die Gasse gut vermarkten können. Die Gasse ist eng und idyllisch gelegen. Leider außerdem etwas heruntergekommen, sodass sich Kunst- und Gewerbebetriebe bislang fernhalten. So stehen wir bald wieder auf dem Kleinen Ring, wo ein Blasmusikorchester einen russischen Walzer von Dmitri Shostakovich trällert. Das ist sehr schön.
Langsam macht sich der Hunger bemerkbar. Wir haben im Restaurant Weinkeller bereits einen Tisch reserviert und den Wirt damit erstaunt, dass wir drinnen sitzen wollen. Ja, die mit Wein umrankte Terrasse ist mit Sicherheit eine der romantischsten Ecken in Sibiu.
Doch das Gleiche gilt für die kleinen Räume im Gewölbekeller. Da es am Abend abkühlt, ist der Platz innen eine gute Wahl. Wir trinken frische Limonade und rumänischen Rotwein. Dazu gibt es Kohlrouladen für uns Frauen und Gulasch für Lars. So lassen wir es uns gut gehen und beide Abende in Sibiu im Weinkeller ausklingen.
In der Nacht zuvor hatten wir einen Bären vor dem Hotel. Das ist natürlich schwer zu übertreffen, zumal das Städtlein Sibiu eher seltener bis gar nicht von Bären heimgesucht wird. Dafür zählt das das Casa Timpuri Vechi zu den sympathischsten Unterkünften während unserer Rumänien-Reise. Es ist eher eine kleine Pension als ein Hotel, mit wenigen Zimmern.
Deshalb sollten wir die halbwegs genaue Ankunftszeit mitteilen, damit jemand vor Ort ist. Dank Navi haben wir das Haus gut gefunden. Nur mit dem Parkplatz vor der Türe sieht es teilweise mau aus. Aber der Pensionswirt hat für uns einen Parkplatz blockiert und dann rasch sein Auto weggestellt, damit wir es bequemer haben. Das ist nett.
Das Casa selbst scheint nicht ausgebucht zu sein. Wir können uns die Zimmer aussuchen. Natürlich werden uns zuerst diejenigen im Erdgeschoss gezeigt, welche richtig hübsch eingerichtet sind. Die oberen Zimmer indes ähneln fast schon einem Palais und bieten reichlich Platz.
Wir entscheiden uns natürlich für letztere. Dadurch, dass die Zimmer in Richtung Innenhof liegen, bleibt es nachts außerdem angenehm ruhig. Und das trotz der zentralen Lage des Casa Timpuri Vechi und der Nähe zum Großen Ring von Sibiu.
Zum Frühstück gehen wir in den liebevoll umgestalteten Keller. Es gibt frische Brötchen, süßes Gebäck, Marmelade, Joghurt und frisches Obst. Was fehlt, sind vielleicht Wurst und Käse. Von einem rein süßen Frühstück wird mein Mann einfach nicht satt. Egal, wir werden für ihn sicher unterwegs noch etwas Herzhaftes finden. So wird Hermannstadt für uns zu einem richtig schönen Wohlfühlort in Rumänien.