Am zweiten Tag in Kandy fahren wir zum botanischen Garten Peradeniya. Peradeniya befindet sich am südlichen Stadtrand von Kandy und gilt als einer der schönsten Gärten von ganz Asien. Angelegt wurde Peradeniya bereits vor über 700 Jahren von den Singhalesen.
Als botanischer Garten wird er jedoch erst seit dem Jahr 1824 gepflegt, als die Engländer die gesamte Anlage zu einem Lustgarten umwandelten. Heute werden im Garten mehrere Tausend Pflanzen von über zweihundert Wissenschaftlern und Gärtnern betreut.
Bei der Ankunft in Peradeniya wundern wir uns über den Eintritt: »Nur 200 Rupies? Das sind ja nicht einmal zwei Euros.« Tatsächlich ist der Besuch im Park ein Vielfaches günstiger als die Besichtigung des Sigiriya-Felsens oder der Ruinenstadt von Polunnaruwa. Dies mag aber auch damit zusammenhängen, dass der Botanische Garten mit seinen vielen Nischen und Grillplätzen vor allem an den Wochenenden von einheimischen Familien als Ausflugsziel genutzt wird.
Hinter dem Eingang sind wir erstmal von der Größe des Parks überwältigt: Sechzig Hektar Gärten, Wälder, Häuser und dazwischen die vielen Wege, die sich durch all die Pracht hindurchschlängeln - wie sollten wir uns darin nur zurechtfinden?
Eine ganz bequeme Möglichkeit bietet eine Kutsche, welche von zwei Ochsen gezogen wird und fußfaule Besucher auf sicheren Wegen durch die grüne Oase fährt. Wir aber wollen doch soviel wie möglich sehen und folgen also unserem Reiseleiter, der uns zu ein paar großen Bäumen führt.
Schon von Weitem erkennen wir die Jackfruittrees, die wir schon auf unserer Fahrt durch das Land gesehen haben. Aus den 25 Meter hohen Jackfruchtbäumen werden nicht nur die traditionellen Oruvas- Boote geschnitzt, sondern außerdem dienen die Bäume mit ihren bis zu vierzig Kilogramm schweren Früchten als proteinreiche Nahrungsquelle. In der Nähe der Bäume heißt es aber auch Obacht geben, dass einem nicht zufällig eine der Fruchtbomben auf den Schädel knallt.
Schnell verlassen wir den gefährlichen Bereich und folgen Sunil ins Treibhaus mit über zweihundert Orchideenarten. Drinnen erwartet uns ein echtes Festival der Blüten und Sunil hat alle Hände voll zu tun, uns zu den vielen Namen auch noch eine genauso schöne wie falsche Erklärung zu den vielen Formen und Farben zu geben. Leider nämlich ist die Orchideenblüte zwar wirklich sehr schön anzusehen.
Die Pflanze will damit aber nicht jedem Insekt auffallen, sondern nur ganz speziellen Käfern. Um dieses Ziel zu erreichen, mimt die Blüte in ihrem Inneren das Hinterteil eines weiblichen Käfers nach. Sobald nun ein männlicher Käfer dieses sieht... genau. Der Ärmste wird regelrecht verarscht. Traurig allerdings, dass die Nachbildung des weiblichen Partners offenbar besser gelungen ist als das Original.
Auf der anderen Seite des Treibhauses erwartet uns eine eindrucksvolle Kulisse: Rosenbögen spannen sich über einen verträumten Weg, in der letzten sichtbaren Biegung ragen Palmen wie auf einer Insel in die Höhe, links daneben weist ein Nadelgehölz mit seinem Pyramidenschnitt in den Himmel und vor uns säumen Begonien mit ihren unzähligen Blüten die Beete. Fast schon haben wir das Gefühl, in einem Film zu spazieren, als uns Sunil verrät, dass in dem Garten vor uns ein paar Szenen zur »Brücke am River Kwai« gedreht wurden.
Wir kommen an einer langen Palmenallee vorbei. »Das hier, Sie sehen kubanische Königspalmen«, erklärt uns Sunil. Ein Geschenk der kubanischen Regierung. Natürlich denken wir fast augenblicklich an die große Antilleninsel, auf welcher die Königspalme an beinahe jedem Ort zu finden ist. Anders als wir es bei unserer Kuba-Rundreise gesehen haben, befinden sich die Palmen im Peradeniya nicht in Gesellschaft der etwas schwerbäuchigen Flaschenhalspalme.
Leider aber wird es bald auch keine so beeindruckende Königspalmenallee mehr bei der Königsstadt Kandy geben. Noch sind die Palmen in ihrer stattlichen Größe zwar schön anzusehen, allerdings haben sie bald ihr maximales Alter erreicht und werden in den nächsten Jahren zusammenbrechen.
Schon von Weitem sind sie zu hören: tausende von Flughunden, die wie dicke Pflaumen an den alten Parkbäumen hängen. Für den Moment sind die Gärten mit ihren vielen Blumen vergessen, werden alle Blicke von dem Gekreisch in die Baumkronen gelenkt. Obwohl Tag ist und die Flughunde nachtaktive Tiere sind, kommt die riesige Kolonie keine Sekunde zur Ruhe. Immer wieder erheben sich einzelne Tiere, um flatternd und segelnd hoch über den Köpfen der Besucher zu kreisen.
Beinahe jeder zweite unserer Gruppe versucht sich im »Flughunde-im-Flug-Fotografieren«, ein schier aussichtsloses Unterfangen. Zu weit oben ziehen die Flughunde ihre Bahnen, als dass sich mit Weitwinkel genug erkennen ließe, und wer das Bild »zoomt«, kommt den flinken Viechern entweder kaum nach oder, wer seine Kamera ruhig auf einen Bereich hält, muss feststellen, dass die Tiere stets links und rechts an dem gewählten Ausschnitt vorbeiflattern.
Hauptattraktion des Botanischen Gartens aber ist ein weit ausladender Java Ficus (Ficus benjamines), dessen Krone mittlerweile 1.600 Quadratmeter Bodenfläche überdeckt. Zweitausend Menschen sollen unter dem gewaltigen Blätterdach Platz für ein Picknick haben, auf den vielfach abgestützten Stämmen des Baumes aber darf keiner sitzen. Damit diese Regel eingehalten und auch die Rinde nicht mit weiteren Schnitzereien verletzt wird, finden sich unter dem Baum mehrere Wächter. Auch wir dürfen nicht für das Foto-Andenken auf einem der Stämme sitzen, der sich bis fast ein Meter zum Boden herabbeugt. Schnell springen wir wieder herunter, als wir unseren Fehler bemerken. Alles halb so schlimm. Der Wächter, der uns erwischt hat, grinst uns hinterher. Er weiß, dass durch uns kein Schaden entstanden wäre, und wir können uns genauso gut vor dem gewählten Stamm ablichten lassen.
Es geht weiter. Auf der anderen Seite des Baumriesen überqueren wir eine weitläufige Rasenfläche. »Bitte ein bisschen schneller laufen«, kann eine Frau nicht abwarten, den Baum ohne irgendwelche Menschen davor zu fotografieren. Das kann uns kaum stören, langsam schlendern wir über den Rasen, nehmen uns selber die Zeit, den Baum aus verschiedenen Abständen und Blickwinkeln aufzunehmen.
Zurück bei der Gruppe, führt uns Sunil zu einem Teich: »Hier Sie sehen eine Landkarte von der Insel.« Tatsächlich, der Teichrand ist so gestaltet, dass sich die Umrisse von Sri Lanka gut erkennen lassen. In den südlichen Regionen blühen prächtige Seerosen, die Zentralprovinz - sie erhebt sich als Insel aus der Teichmitte - bietet Platz für Stauden und ein paar Büsche. Währenddessen wird der tamilische Norden noch von umstehenden Bäumen beschattet.
Damit aber sind unsere Köpfe voll. Die Sonne steht mittlerweile hoch am Himmel und verwandelt den Park in einen Brutofen. Auf dem Weg zum Ausgang kommen wir an einer zerplatzten Jackfrucht vorbei. In einem Umkreis von mehreren Metern liegen Fruchtfleisch und Kerne der Frucht verstreut. Schnell passieren wir die Stelle, bevor die nächste Bombe fällt.
Dann schon verlassen wir den Park. Gegenüber des Eingangs befindet sich ein Resthouse, das für gute und günstige Speisen bekannt ist. Auf unserem Programm aber stehen noch ein paar Handwerksbetriebe, in denen wir zum Kauf von geschliffenen Rubinen und Saphiren, Seidentüchern und Saris sowie zahlreichen Holzschnitzereien verführt werden sollen.