Auf der Weiterfahrt zur Königsstadt Polonnaruwa beginnt es zu Gewittern. Zum Glück ist der Schauer lokal begrenzt, sodass in der Gegend von Giritale schon wieder die Sonne scheint. Apropos: bereits bei unserer ersten Sri Lanka Rundfahrt bekamen wir hier wild lebende Elefanten zu sehen. So soll es auch beim zweiten Mal sein,
hat sich wohl ein Bulle gedacht, der am Straßenrand grast. Denn auf einmal steigt Biankara auf die Bremse, legt den Rückwärtsgang ein und fährt ein paar Meter zurück. Erst als ein Lkw an uns vorbeifährt, folgt er ihm schnell an dem Elefanten vorbei. Sicher ist sicher.
Am späten Nachmittag kommen wir schließlich in Polonnaruwa an. Hier fahren wir zuerst an den antiken Stausee Parakrama Samudra. Als ich ein paar Bilder mache, beginnen zwei Soldaten heftig zu winken.
Fotografieren sei zwar erlaubt, aber ich solle nicht die kleine Schleuse zum Kanal aufnehmen, wegen der Rebellen.
Nachdem Anuradhapura, die erste singhalesische Hauptstadt, von den tamilischen Cholas erobert und zerstört wurde, stieg Polonnaruwa im elften Jahrhundert nach Christus zur neuen Hauptstadt der Löwenkinder auf.
Zunächst aber musste König Vijaya Bahu die Cholas in den Norden zurückdrängen, bevor sein Nachfolger, Parakrama Bahu, in der Stadt Kanäle, Parks und Prunkbauten errichten ließ.
Beim Versuch, den Prunk Parakramas zu übertreffen, wirtschaftete Nissanka Malla das Königreich allerdings bald an den Rand des Ruins.
Als im Jahre 1211 erneut Tamilen in das singhalesische Reich einfielen, fand die Blütezeit von Polonnaruwa ihr Ende. 1214 schließlich wurde Polonnaruwa aufgegeben, in den folgenden Jahrhunderten vom Urwald überwuchert und vergessen.
Erst im 19. Jahrhundert wurde die etwa fünf Quadratkilometer große Ruinenstadt von englischen Archäologen wiederentdeckt und ausgegraben. Dabei sind viele der alten Bauten bis heute sehr gut erhalten geblieben und die damalige Pracht lässt sich selbst für den unwissenden Besucher gut nachvollziehen.
Zu den bedeutendsten Bereichen Polonnaruwas zählen der Königspalast, das sogenannte Geviert und der Gal Vihara mit den vier riesigen Buddhastatuen, die von den antiken Steinmetzen direkt aus dem Granit geschlagen wurden. Die mit vierzehn Metern längste der Statuen ist eine der wenigen Buddhadarstellungen mit leicht verschobenen Füßen. Lange hielten die Archäologen dies für einen schlafenden Buddha, erst später erkannte man darin den Übertritt Buddhas ins Nirvana.
Ebenfalls aus Granit wurde die Gal Pota, ein 25 Tonnen schweres Buch mit buddhistischen Lehren, im Geviert gefertigt. Kein Wunder also, dass an den Seiten des »Granitwälzers« Elefanten abgebildet sind, welche ja auch schon den Himmel über Sri Lanka auf ihren Schultern tragen.
Höhepunkt im Geviert aber ist die Vatadage, ein rundes Reliquienhaus mit vier Buddhas und einer Menge Verzierungen rund um einer Dagoba.
Die heiligen, buddhistischen Stätten dürfen nur ohne Kopfbedeckung und ohne Schuhe betreten werden. Deswegen wird auch uns empfohlen, ein paar Socken mitzunehmen, damit das Laufen über die heißen Steine nicht zur Tortur wird. Tatsächlich nehmen wir ein paar Socken mit in die Anlage. Leider, denn das zweite lassen wir leider im Bus liegen...
Es waren zwar meine Socken, die wir dabei hatten, aber angezogen hat sie dann doch Annette. Damit musste ich zwar barfuß über die beinah glühenden Steinplatten hüpfen, das war mir aber immer noch lieber, als Annette stundenlang beim Jammern zuhören zu müssen.
Dennoch, alle Hitze kann uns nicht abhalten, den achtzehn Meter breiten Reliquienschrein der Vatadage anzuschauen. Das gesamte Bauwerk ist mit Steinreliefs verziert. Wir entdecken Lotusbluten, Elefanten, Löwen, Stiere und auch menschliche Darstellungen.
Am unteren Ende der Aufgänge sind Mondsteine in die runde Plattform eingelassen und am oberen Ende werden wir von einer der vier Buddhastatuen empfangen. Neben Schuhen und Hüten ist es hier außerdem streng verboten, sich vor einem Buddha ablichten zu lassen.
Ob wir uns daran gehalten haben oder nicht, sei mal dahin gestellt, aber seit unserem Besuch in Polonnaruwa rechnen wir mit einer derben Schelte, sollte es uns mal ins buddhistische Nirvana verschlagen.
Auf dem Weg zu den Tempeln kommen wir am Standbild von König Parakramabahu I. vorbei. Ihm hat die zweite Hauptstadt Sri Lankas ihren Ruhm zu verdanken. So ließ er während seiner Amtszeit (1153 - 1186) die meisten heute noch existierenden Tempel,
Buddhafiguren und Stauseen in und um Polonnaruwa errichten. Zugleich sah er sich als einfachen Mann, weshalb er ein Joch, wie es die Wasserbüffel tragen, in seinen Händen hält.
Aus seiner Zeit stammen auch die Reste des damals siebenstöckigen Palastes. Bis auf die Mauern und Treppen der beiden unteren Etagen ließ er den Rest leider aus Holz erbauen. So hatten es Tamilen im 13. Jahrhundert relativ leicht, das Bauwerk in Schutt und Asche zu legen.
Tatsächlich war die Bedrohung durch die Tamilen bereits damals so groß, dass die Singhalesen ihre zweite Königsstadt schon Anfang des 13. Jahrhunderts ihren Feinden und dem Dschungel überließen.
Am Tage ist Polonnaruwa sicher. Durch die schwelenden Unruhen an der Ostküste und durch die gelegentlichen Anschläge in Colombo und anderen großen Städten kommen hier jedoch nur noch wenige Touristen her.
Für die Händler bedeutet dies magere bis gar keine Geschäfte. Genauso schlecht ergeht es den Ständen am Rand der Parkplätze. Sie sind bereit für einen Massentourismus, den es zurzeit aber nicht gibt.
Nach der brenzligen Erfahrung unserer ersten Sri Lanka-Reise nehmen wir dieses Mal Socken mit zu den Tempeln. Schließlich sind diese buddhistisch, was bedeutet: Schuhe aus! Erst später merken wir, dass wir sie nicht wirklich gebraucht hätten, da sich der Boden dank ein paar Wolken nur wenig erhitzt hat.
Mit am besten erhalten ist die Vatadage, ein Rundtempel, der im Jahr 1196 fertig gestellt und in ihrem Innern zeitweise eine Reliquie Buddhas beherbergte. Bemerkenswert sind die Mondsteine an den Aufgängen, zwei sehr gut erhaltene Wächterfiguren und vier Buddhas vor einer Dagoba auf der oberen Plattform.
Gegenüber der Vatadage befinden sich die Reste der Atadage sowie die ebenfalls gut erhaltene Hatadage. Auch wenn diese drei Gebäude namentlich kaum auseinander zu halten sind, vom Aussehen zumindest sind sie leicht zu unterscheiden.
So sind von der einst zweistöckigen Atadage, dem »Haus der acht Reliquien«, lediglich ein paar Säulen sowie ein stehender Buddha übrig, der den Besuchern entgegen schaut. Vor dem Bau der Hatadage war die Atadage der Aufbewahrungsort der Zahnreliquie.
Die Hatadage, das »Haus der 60 Reliquien«, ähnelt mit seiner stufenförmigen Bauweise schließlich den alten Tempeln bei Angkor Wat. Nicht ohne Grund, da die Singhalesen den Tempel zu ehren der verbündeten, kambodschanischen Soldaten errichteten.
Wenige Meter weiter kommen wir schließlich zum Gal Pota, ein 25 Tonnen schweres Buch aus Granit mit buddhistischen Lehren und dem Bericht, wie die Königstadt von Anuradhapura nach Polonnaruwa verlegt wurde.
Auf der Weiterfahrt (die Anlage erstreckt sich über zwei Kilometer) nach Gal Vihara stoppen wir kurz bei der Rankoth Vihara (eine Dagoba), bevor wir zu den Resten der buddhistischen Mönchsschule kommen und es Marlis endlich dämmert, dass »monks« keine Affen sind.
Ebenfalls in der Nähe von Gal Vihara befindet sich die Kiri Vihara, eine rund 900 Jahre alte Dagoba, die König Parakramabahu I. (wer sonst?) zu Ehren einer seiner Gattinnen errichten ließ. Die Kiri Vihara ist zugleich die besterhaltene Dagoba in Polonnaruwa,
weshalb die Außenanlagen ständig gepflegt und zum Beispiel von herabfallenden Laub befreit wird. Beachtlich ist außerdem eine Feige, die mit ihren Wurzeln einen Teil der Umfassungsmauer fest umklammert.
Unsere letzte Station endlich ist Gal Vihara, der Felsentempel, der im 12. Jahrhundert aus einem riesigen Granitfelsen herausgemeißelt wurde. Er zählt zu den Meisterwerken der buddhistischen Kunst und ist das absolute Muss eines jeden Polonnaruwa-Besuchs. Dem zum Trotz treffen wir selbst hier nur wenige Besucher, sodass wir uns die vier Buddha-Figuren in aller Ruhe anschauen können:
links den meditierenden Buddha, daneben einen in einer Höhle sitzenden Buddha mit den Hindugöttern Brahma (links) und Vishnu. Als drittes einen sieben Meter hohen Buddha, kurz nach dem Erlangen der Erleuchtung, und ganz rechts ein 14 Meter langer, liegender Buddha beim Übergang ins Nirvana. Wem das zu viel Stein ist, ganz in der Nähe befindet sich ein großer Teich mit unzähligen Lotus-Blumen.
Kurz vor Einbruch der Dämmerung fahren wir wieder Richtung Westen. Nachdem wir an der Kaserne der zweiten Infanterie Sri Lankas und bei Giritale vorbeikommen, lenkt Biankara den Bus auf eine kleine Anhöhe. Von hier oben bietet sich uns ein friedliches Bild über den still daliegenden antiken Stausee, einer kleinen Insel und den dahinter liegenden Wäldern.