Für unseren Ausflug ins Freilichtmuseum Skansen erwischen wir einen herrlichen Wintermorgen. Wege, Plätze und Gärten sind tief verschneit. An den Dächern hängen Eiszapfen und darüber scheint die Sonne vom leicht bewölkten Himmel. Skansen zählt zu den beliebtesten und belebtesten Ausflugszielen Stockholms. Im Sommer müssen sich die Besucher also auf lange Schlangen vor den Eingängen einstellen. Im späten Winter muss hingegen niemand lange anstehen, wenn überhaupt. So also brauchen wir nur einen Moment und schon gilt es, das älteste Freilichtmuseum der Welt zu erkunden. Immerhin gibt es Skansen seit 1891. Damit wäre es alt genug, um selber Teil eines Museums zu sein.
Im Winter ist zwar längst nicht alles in Skansen geöffnet, gibt es keine großen Veranstaltungen auf der Solliden-Bühne und zeigen nur wenige Handwerker ihr Kunstwerk. Dafür aber sind die Leute, die hier arbeiten, dann auch deutlich entspannter. Sie grüßen ehrlich freundlich und bleiben sogar ungebeten für ein Foto stehen. So lieben wir es doch! Vor allem, wenn sie dann noch mit hübschen historischen Kleidern durch das Museum laufen.
Zunächst aber kommen wir bei unserem Rundgang zu einer alten, winzigen Windmühle und, ein paar Schritte weiter, zur Väla-Schule. Sie stammt aus Västergötland und war - wie die anderen Gebäude auch - tatsächlich in Betrieb, sprich: wurde hier Anfang des 20. Jahrhunderts gepaukt, bevor das Gebäude abgebaut und ins Museum nach Skansen gebracht wurde. Neben dem kleinen Klassenzimmer war übrigens die (kleine) Wohnung der Lehrerfamilie in der Schule untergebracht. Für heutige Verhältnisse ist dies sicher undenkbar, damals aber verdienten die Lehrer nur sehr wenig, weshalb sie nicht nur Gemüse im Schulgarten anbauten, sondern sich sogar als Imker betätigten.
Weiter kommen wir zu einer schwedischen Sommerweidefarm. Die traditionelle Tierzucht der ursprünglichen Schweden war von dem Klima, der Landschaft und Weiden sowie der traditionellen Landwirtschaft geprägt. Sie waren unzugänglich für schlechtes Wetter, sie achteten sehr auf ihre Kinder und sie waren fähig, auch Zeiten mit nur wenig Nahrung zu überstehen. In den letzten Jahren ist in Schweden erkannt worden, wie wichtig es ist, diese ursprünglichen Zuchten für die Zukunft zu erhalten wie das Asen-Schaf, das Hedemora-Huhn, das einmalige schwedische Bergrind und das Schwedische Rödkulla.
Zu Skansen gehört auch eine kleine Finnische Siedlung aus dem Finnischen Värmland. Grund hierfür ist, dass Finnland mehrere Jahrhunderte lang zu Schweden gehörte. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts waren die Finnen dazu angehalten, in den königlichen Wäldern in Värmland, Delarna und Hälsingland zu siedeln, um landwirtschaftlich nutzbares Ackerland durch Roden der Wälder zu schaffen. Als Gegenleistung bekamen die Pioniere steuerliche Vorteile angeboten. Das Roden war die ursprüngliche Methode der Finnen, um Ackerland zu schaffen. Es brauchte mehrere Jahre, bis die erste Ernte eingefahren werden konnte, aber es brachte einen besseren Ertrag als die traditionell schwedischen Formen.
In der Mitte des 17. Jahrhunderts wurde das Roden verboten, da das Holz der Wälder gebraucht wurde, um Holzkohle für die Eisengießereien herzustellen. Als Folge übernahmen die Finnen die traditionellen landwirtschaftlichen Methoden und begannen mit der Viehzucht. Die finnische Siedlung in Skansen besteht aus einem Gebäude zum Trocknen und Dreschen der Ernte. Die Familie lebte in der sogenannten »Rauch-Hütte«. Diesen Namen hat sie, weil es in der Hütte keinen Abzug bei der Feuerstelle gab. Der Rauch wurde durch ein Leitungsrohr in der Decke abgezogen. Ursprünglich gab es außerdem eine Sauna und einen Stall mit Blättern für das Vieh.
Gelernt haben wir, denken wir, erstmal genug in Skansen. Also geht’s weiter zu den Tiergehegen im hinteren Teil des Freilichtmuseums. »Ich will Elche sehen!«, erklärt dann auch Annette. Zuvor aber kommen wir zu einem Freilauf mit Wölfen und einem zweiten mit Schafen und Widdern. Weitaus mächtiger sind da schon die riesigen, zotteligen Wisente - welche allerdings allesamt faul im Schnee herumliegen.
Eichhörnchen und Wisente in Skansen
Dann endlich, im hintersten Winkel von Skansen, entdecken wir das Elch-Gehege. Doch, wo sind sie bloß? Eigentlich sind Elche ja nicht unbedingt klein. Leider aber sind sie nahezu erdfarben und laufen außerdem am Ende des Winters ohne ihre prächtigen Geweihe durch die Landschaft bzw. liegen und dösen einfach am hinteren Ende ihres Geheges herum.
Elche und Rentiere im Freilichtmuseum Skansen
Einiges agiler sind da zwei Fischotter, die sich in der Kälte offensichtlich wohl fühlen. Immer wieder wechseln sie zwischen Wasser und Land hin und her, wälzen sich auf dem Schnee und lassen sich durch die Besucher überhaupt nicht stören. Einfach putzig!
Allmählich sind wir bei Temperaturen um den Gefrierpunkt leicht durchgefroren (Annette stark) und froh, dass ein paar der alten Häuser in der Skansen-Siedlung geöffnet sind. Wie ein alter Eisenwarenladen, in dem es so ziemlich alles gibt, was man heute in vielen Haushalten nicht mehr findet - und oft nicht mehr braucht. So gehören auch die alte Kasse mit den schweren Knöpfen und der Kurbel genauso zu den Ausstellungsstücken, wie der nette Mann, der dahinter steht.
Als wir rechts an der Ladentheke vorbeigehen, kommen wir erst in eine - unbewohnte - Stube und gleich danach in eine - bewohnte - Küche. »Willkommen in den 1930er Jahren«, begrüßt uns eine junge Frau. Sie strahlt uns an und, wie in Skansen üblich, trägt sie Klamotten aus der Zeit, aus der das Gebäude stammt. Sie strickt, vor ihr steht eine Tasse Tee und sie spielt sogar mit, als ich ihr strahlendes Lächeln mit meiner »digitalen 2000er Jahre Spiegelreflexkamera« aufnehme und sie frage, ob sie so ein Gerät schon mal gesehen hat? »Oh nein«, entgegnet sie, »was für eine seltsame Sache ist das in deinen Händen...?« Und mit Blick auf die Aufnahme: »Wow, es ist wirklich sehr gelungen.«
Nach dem Eisenwarenladen besuchen wir eine düster gehaltene Apotheke, in der Kräuter und Süßigkeiten feilgeboten werden, stärken uns in der kleinen, sehr gut besuchten Bäckerei und schauen kurz in ein Milchgeschäft, in dem es nur weiße Eier und Milch (aus großen Milchkannen abgefüllt) zu kaufen gibt. Als wir die Siedlung schließlich verlassen, kommen wir zum Handwerker- und Künstlermarkt. Es duftet nach frisch gebrannten Mandeln, nach Duftölen und -stoffen, aber auch nach geräuchertem Fisch. Ihn haben die Schweden wahrscheinlich bewusst ans hintere Ende verbannt.
Zuletzt zieht es uns zu den ländlichen Gebäuden und Höfen Skansens. Wie zu dem großen Älvros Bauernhof mit zweistöckigem Speicher, Kuhstall, Scheune, Stall, Wohnhaus und Sauna. Angenehm finden wir (also vor allem Annette), dass ein Feuerchen im Kamin brennt. Leider aber ist es recht düster und sitzt die Oma, welche uns eigentlich das Haus erklären sollte, genau vor einem Fenster, sodass sie kaum zu erkennen ist. In einer Ecke liegen Spielsachen, auch eine Spindel, etwas Handwerkzeugs und Küchenutensilien gehören zur Einrichtung. Insgesamt ist das Innere jedoch karg, sodass sich ein längerer Aufenthalt nicht wirklich lohnt.
Zu den auffallendsten und buntesten Gebäuden in Skansen zählt die Flachsmühle. Sie stammt aus Hälsingland und wurde Anfang des 19. Jahrhunderts erbaut. Die Flachsmühle gehörte mehreren Familien gemeinsam, die in einem Bezirk wohnten, die für ihre Leinenproduktion bekannt war. Bis billige Baumwolle problemlos importiert werden konnte, war Leinen ein wichtiges Handelsgut in Schweden. Vor Ort lernen wir, dass es sehr aufwendig war, aus Flachs Leinen herzustellen. Die Mühle verringerte den Aufwand der körperlichen Arbeit erheblich.
Nicht fehlen darf natürlich ein Besuch von Artur Hazelius, den Gründer des nordischen Museums und von Skansen, bzw. ein Abstecher zu dem Haus, in welchem er auf die Welt gekommen war und das er sich später inmitten seines Museums hat hinstellen lassen. Das Gebäude stammt aus dem frühen 18. Jahrhundert und stand ursprünglich in Surbrunnsgatan in Stockholm. Seine gegenwärtige Erscheinung stammt vom Wiederaufbau aus dem Jahr 1803. Und wäre es nicht verschlossen, könnten wir uns im Erdgeschoss anschauen, wie die schwedische Mittelschicht in den 1830er Jahren eingerichtet war. Die Einrichtung und die persönlichen Gegenstände im Hazelius-Haus stammen aus der Wohnung im Gelben Haus von Skansen, in welcher er ab 1892 bis zu seinem Tod im Jahr 1901 gelebt hatte.