Nach einer Nacht im Resort bei Sun City steht der erste reine Transfertag nach Musina zur African Extreme Safaris bush lodge auf unserem Programm. Nach dem Großeinkauf in Mogwase liegen gut 550 Kilometer vor uns. Wir wollen uns Zeit lassen für die Tour, wundern uns aber bald, wie lange die Fahrt laut unserem Navi dauern soll. 13 Stunden? Das ist aber arg viel. Ein genauerer Blick auf die elektronische Routenplanung lüftet das Geheimnis. Unser Garmin will uns über Pretoria schicken, von wo es im großen Bogen Richtung Norden gehen soll.
Wir fahren stattdessen nach der Karte und hoffen, dass sich das Gerät im Laufe des Tags eines Besseren besinnt. Dadurch kommen wir noch vormittags am Shona Langa Reserve vorbei. Wir schmunzeln über Bernards Orientierung. Denn wir erkennen sogleich, dass wir die Straße gefahren sind, auf welcher wir wenige Tage zuvor die Einfahrt verpasst haben und umkehren mussten.
Entgegen unserer Befürchtung verläuft die Fahrt ganz gut. Irgendwann wissen wir auch, weshalb unser Navi elendig weite Umwege fahren will. Wir hatten wegen unserer Wanderungen im Elsass die Mautstrecken unterdrückt. Jetzt können wir uns zum Glück nach dem Gerät orientieren. Wegen der langen Strecken nehmen wir natürlich die Mautstraßen.
Das im Auto eingebaute Gerät registriert automatisch die Gebühren, welche später von der Autovermietung verrechnet werden. Da die Chip-Bezahlsysteme mittlerweile in allen nordöstlichen Regionen üblich sind, ist es für uns einfach, durch Südafrika zu fahren. Auch die Tankstellen sind modern und sehen genauso aus wie bei uns. Selbstverständlich wird auch hier inzwischen mit Karte bezahlt.
Wenn alles so gut läuft, wird man allerdings auch bald übermütig. So ignoriert Lars bei Polokwane leider die Geschwindigkeitsbegrenzung durch Baustellenschilder. Da wie schon mehrmals zuvor auf der Autobahn trotz Schilder nirgendwo eine Baustelle zu sehen ist, orientiert er sich an den Südafrikanern, bleibt aber doch deutlich langsamer als diese. Das klappt, bis wir zu einer schattigen Brücke kommen und sich ein mutiger Polizist mitten in die Straße stellt, um uns herauszuwinken. Na Prima. Außerordentlich freundlich fragt er uns, wie es uns geht. Dann bemerkt er – fast schon beiläufig – wir wären anstatt der erlaubten 60 km/h satte 85 km/h gefahren. Ja, das mag schon so stimmen. Weil alle anderen schneller waren – und dem Wegelagerer einen Augenblick später fast der Arsch von einem rasanten Jeep abgefahren wird, beginnt Lars zu meutern. Doch ich zische ihn an, er soll bloß die Klappe halten.
Der Spaß soll uns 700 Rand Strafe kosten. Das sind 45 EUR! Ups, das ist für solch ein Land unerwartet viel. Als wir uns gegenseitig fragend anblicken, fragt der Polizist plötzlich: »Is it too much for You?« Ja, schon! Das ist eine Menge, merkt Lars an. »I can give You discount!« Für 400 Rand könnten wir sofort weiterfahren. Wir willigen ein. Ich krame ihm die Scheine heraus und wir fahren weiter, bevor er es sich anders überlegt. Natürlich wissen wir, dass der Polizist das Geld in die eigene Tasche steckt.
Genauso wie er wusste, dass er sehr leicht an das Geld kommt, wenn er zunächst einen deutlich höheren Preis nennt. Doch es ist die Aufgabe des Staates, gegen die Korruption im eigenen Land vorzugehen, nicht die der Touristen. Oder, wie es Lars später formuliert: »Ich bin das erste Mal an einen korrupten Polizisten geraten und es hat mich nur 25 Euro gekostet. Wenn das kein Schnäppchen ist?!«
Trotzdem sind wir fortan vorsichtiger. Dadurch entdecken wir im nächsten Ort eine erneut sehr praktische Stelle für Polizisten, wie sie einer nach dem anderen unter schattigen Sträuchern nach ahnungslosen Touristen Ausschau halten. Die Frage, wie es einem geht, hilft den Strauchdieben übrigens, Einheimische, Auswärtige und ganz Fremde besser zu unterscheiden. Auf den Straßen Richtung Simbabwe fahren wir nun über die Soutpansberge, bevor wir die Region Musina erreichen.
Die wenigen Siedlungen entlang der Schnellstraße sind deutlich schlechter entwickelt als die Orte im südlichen Limpopo. Nach der letzten Mautstelle, dem Baobab-Tor, biegen wir rechts ab. Ab dort trennen uns noch knapp neun Kilometer vom Zufahrtstor der African Extreme Safaris bush lodge. Wir sind zwar gut in der Zeit. Aber nach der langen Fahrt und der Aufregung hoffen wir auf etwas Entspannung im Umfeld der Lodge und in der Gegend der Baobabs.
Bennie von der African Extreme Safaris bush lodge hat uns vorab den Pin-Code für das Eingangstor gemailt. Und es klappt, das Tor öffnet sich. Jetzt müssen wir nur noch den Schildern zum Camp Bennie folgen, die uns zielsicher zur Lodge führen sollten. Soweit die Theorie. In der Praxis übersehen wir eines der Schilder und verfahren uns, bis wir plötzlich vor einem bewohnten Bauernhaus stehen. Von einer Meute Hunde werden wir kläffend begrüßt. Also zurück das Ganze und nochmals Schilder suchen. Beim zweiten Anlauf sind wir erfolgreich und stehen wenig später vor den Gebäuden der Lodge.
Vor Ort werden wir vom Hausmädchen empfangen, das sogleich unsere Koffer zum Zimmer bringen will. Auch Bennie trifft einen Augenblick später bei der Lodge ein. Alles andere wäre auch eine Überraschung, da die Bezahlung noch aussteht. Bei der Buchung über Booking.com klang der Hinweis, »Keine Kreditkarte zur Buchung erforderlich« noch richtig gut. Dahinter verbirgt sich jedoch eine sündhaft teure Auslandsüberweisung, die den uns angezeigten Preis um rund ein Viertel erhöht hätte. Zum Glück kennt Bennie dieses Problem, weshalb er auch Barzahlungen akzeptiert.
Dafür geht hier alles ganz fix, zeigt er uns geschwind die Einrichtungen und ist dann auch schon wieder verschwunden. Das Gleiche gilt fürs Hausmädchen. Als Folge sind wir Mutterseelenallein auf der Lodge. Denn wir sind die einzigen Gäste. Dafür bekommen wir ein ganzes Häuschen für uns mit einer schönen Terrasse davor. Zum Glück haben wir reichlich südafrikanischen Wein und Leckereien im Gepäck. Andernfalls hätten wir darben oder nach Messina oder Tshipise fahren müssen.
Nach der langen Fahrt und Aufregung wollen wir lieber ein wenig über das Gelände spazieren und hoffen auf erste Tiersichtungen. Wie bei Shona Langa leben nur friedliche Tiere auf dem weitläufigen Gelände. Auch der Leopard interessiert sich laut Bennie kaum für Touristen. Dennoch wäre es schön, wenn er sich kurz blicken ließe. So bleiben vorerst zwei Gänse auf einem Baum die einzigen Tiere, die wir sehen. Schade eigentlich. Vielleicht liegt es an den Jagdtätigkeiten auf der Lodge? Denn am Wochenende kommen Südafrikaner zur Jagd hierher. Zu diesen, aus unserer Sicht weniger schönen Events ist die Lodge deutlich besser besucht. Nur gut, dass wir schon vorher wieder abreisen.
Weniger beliebt sind hier offenbar die Affen. So finden wir eine Lebendfalle, in der ein älterer Affenkadaver vor sich hin gammelt. Daneben gibt es aber auch einige schöne Sachen im Umfeld der Lodge zu entdecken. So wachsen hier einige der majestätischen Baobabs. Und anders als die Tiere sind diese jederzeit leicht zu finden. Damit erleben wir zum Schluss doch noch einen schönen Abendspaziergang, bevor wir langsam wieder zu unserer Hütte zurückkehren.
Auf der Terrasse richten wir unser einsames Abendessen. Witzig ist, dass es hier in der Abgeschiedenheit zwar keinen Handyempfang gibt, dafür aber Internet. So kann Lars gleich mal ein bisschen arbeiten, nachdem er von unserem Verlag eine Anfrage für ein neues Buch bekommt. Ich hingegen freue mich an dem Njala-Männchen, welches langsam vor die Terrasse schleicht.
Bennie hatte zuvor Heu ausgelegt, damit die Tiere etwas zum Fressen finden. So können wir in trauter Zweisamkeit zu Abend essen und gleichzeitig Tiere beobachten. Denn wenn sich erst einmal ein Njala auf das Gelände vor der Lodge traut, kann ihm auch der kleine Grauducker getrost folgen.
Sowie es dämmrig wird, huscht plötzlich irgendetwas durch die Bäume. Ob wir hier Bushbabys haben? Ich gehe auf die Suche und folge den verdächtigen Geräuschen. Im überdachten Außenbereich des Haupthauses werde ich fündig:
Vom Giebel blicken fünf Augenpaare neugierig zu mir herunter. Nach nur einer Woche auf Rundreise in Südafrika sehen wir zum bereits zweiten Mal diese putzigen Feuchtnasenaffen. Wow! Sie sind noch jung und beobachten uns lieber, als ihr Heim zu verlassen.
Wir können die beiden Abende also auch alleine wunderbar genießen. Einziger Wermutstropfen ist die abendliche, rekordverdächtige Mückenjagd in unserem Zimmer. Und auch wenn wir sicherlich die meisten der blutsaugenden Biester erwischt haben, hängen wir unser Moskitonetz auf.
Wir befinden uns schon in der Nähe vom Krüger Nationalpark. Und der gilt als Malariagebiet. So ausgestattet, verbringen wir zwei weitere, unglaublich ruhige Nächte in Südafrika, welche lediglich vom Geraschel der Fledermäuse über unserem Zimmer unterbrochen werden.