Nach den Nächten im Shona Langa Resort Bushveld können wir auch bei Annemarie gut schlafen. Als Bonbon haben die Betten sogar elektrische Wärmedecken. Doch bereits bei der niedrigsten Einstellung wird uns bald zu warm. Kaum merkt Annemarie am Morgen, dass wir wach sind, kommt sie auch schon mit dem ersten Tee und Gebäck zu uns ins Zimmer. Die Verwöhntage gehen also in die Verlängerung. Wir sollen uns in Ruhe für den Tag richten und dann zum Frühstück kommen. Genau das tun wir und werden mit frisch zubereitetem Porridge und einem Fischauflauf überrascht. Dabei sind wir fast noch satt vom letzten Abendessen. Kein Problem, denn hier wird immer etwas mehr gekocht als auf dem ersten Blick notwendig. Immerhin ist das Hausmädchen schon mit Putzen im Haus beschäftigt, während sich der Gärtner um die Sträucher und Blumen kümmert. Beide werden später sicher Hunger haben und sich auch über das leckere Essen freuen.
Besuch der Diamantenmine Cullinan bei Pretoria. Eindrücke vom Betrieb Unter Tage im Kimberlitschlot sowie Aufnahmen vom riesigen Loch des alten Tagebaus.
Annemarie hat uns bei der Cullinan Diamond Mine angemeldet. Nach dem Frühstück brechen wir sofort auf, da wir im Umfeld von Pretoria mit Stau rechnen müssen. Außerdem müssen wir noch eine Freundin von Annemarie abholen. Sie wohnt in einer ähnlichen, allerdings etwas luxuriöseren Wohnanlage als wir jetzt. Kaum sind wir komplett, überlegen die Freundinnen auch schon, welche Strecke zur Mine heute wohl die beste sein wird, um den schweren Stau zu umgehen. Wer die Autobahnen rund um Stuttgart kennt, wird sich jedoch wundern, was in Südafrika schon als Stau angesehen wird.
Ohne große Verzögerungen erreichen wir den idyllischen Ort Cullinan. Es scheint ein sicherer Ort zu sein. Hier reiht sich ein hübsches Häuschen ans nächste. Alles wirkt sehr touristisch, aber schön. Auf hohe Ummauerungen und Stacheldraht verzichten die Einwohner. So liegt es Lars, mit den südafrikanischen Sicherheitsvorkehrungen Bekanntschaft zu schließen. Es passiert, als uns Annemarie kurz im Auto zurücklässt, um Infos zu holen. In der Morgensonne wird das Auto rasch wärmer. Leider sind die Scheiben elektrisch und damit außer Betrieb. Aber vielleicht lässt sich ja die Türe öffnen. Zu dumm, dass die Einbruchsicherung auch bei Ausbruch losheult. Und solch eine Alarmanlage kann gefühlt ganz schön lange heulen. Vor allem, wenn man im Auto gefangen sitzt.
Beim Infocenter der Premier Diamond Tours gibt es erst einmal einen Kaffee. Wir sind viel zu früh und müssen noch auf die anderen Teilnehmer der Tour warten. Doch es ist recht kurzweilig hier, da einer der Guides ein paar Wochen lang unsere Nachbarstadt besucht hat und uns nun über alles Mögliche ausfragt. Dann werden wir zur Umkleide geschickt. Wer bis in den Untergrund der Mine will, braucht spezielle Schutzkleidung, Schuhe und Helm. Erst wenn jeder der Gruppe mit den extrem unbequemen Sicherheits-Gummischuhen (was ein Widerspruch) durch die Gegend stapft, beginnt die Tour im angrenzenden Museum.
Die Cullinan Diamond Mine ist die älteste Diamantmine der Welt. Als Thomas Cullinan im Jahr 1898 von einem Bauer ein dreikarätiger Diamant übergeben wurde, vermutete er, weit mehr dieser Schätze in der Gegend finden zu können. Zunächst aber musste er das Land seinem rechtmäßigen Eigentümer, Joachim Prinsloo, abkaufen. Der sture Bock dachte jedoch gar nicht daran, seinen Grund und Boden den Wühlmäusen zu überlassen. So musste Cullinan bis auf Prinsloos Tod warten. Erst dann war es ihm möglich, das Grundstück für 52.000 Britische Pfund von dessen Tochter zu kaufen.
Das Kimberlit-Vorkommen deutete auf weitere Diamanten hin. Und bereits 1905 wurde nur neun Meter unter der Oberfläche der legendäre Cullinan-Diamant gefunden. Mit seinen 3106,75 Karat, das sind 621,35 Gramm, gilt er bis dato als der größte jemals auf der Erde gefundene Rohdiamant. Auf dem ganz normalen Postweg wurde der Diamant an König Edward VII. zu dessen 66. Geburtstag nach England versandt. 1908 wurde er schließlich in 105 Steine gespalten. Die neun großen Diamanten sind heute Teil der britischen Kronjuwelen und befinden sich im Tower of London.
Inzwischen muss man einiges tiefer als neun Meter graben, um wertvolle Steine zu finden. Die Diamanten kommen in einem karottenförmigen Kimberlitschlot vor. Bis 1945 erfolgte der Abbau im Tagebau. Bei gut 200 Meter Tiefe war damit Schluss und es wurde fortan unter Tage weiter gearbeitet. Inzwischen befindet sich die tiefste Abbausohle 820 Meter unter der Oberfläche. »Unter Tage« ist nun auch unser Ziel. Dafür müssen wir zuerst ein Sicherheitsvideo anschauen. Zudem werden wir mit Stirnlampen und einem Notfallkit ausgestattet, falls die Belüftungsanlagen ausfallen und uns unten die Luft ausgeht.
Leider ruhen bei unserem Besuch die Arbeiten auf tiefster Ebene. Der große Lift dorthin ist kaputt. Doch es gibt noch einen kleineren Lift, der uns 500 Meter in die Tiefe bringt. Ausgelegt ist das Teil für elf Personen. Die Berechnung gilt aber offenbar nur für Asiaten. Denn mit gerade mal sechs Personen ist die Kabine gequetscht voll. Eng an eng rauschen wir damit flott hinab in das tiefe Schwarz. Unten erwarten uns riesige Tunnelanlagen, in denen mit schwerem Gefährt gearbeitet wird. Leider sieht man keine Arbeiter beim Schürfen der Erde. Lediglich die Fließbänder zeugen hier vom Abbau. Täglich werden 8000 Tonnen Kimberlit-Gestein gefördert. Der Diamantgehalt der Mine gilt nicht als außergewöhnlich hoch. Doch werden oft überdurchschnittlich große farblose und blaue Diamanten gefunden. Da es auch schon im Abraum der Mine zahlreiche gute Funde gegeben hat, ist es keinem Arbeiter oder Besucher erlaubt, Gestein aus der Mine mitzunehmen.
Unser Rückweg nach oben fällt mit dem Schichtwechsel zusammen. In der kurz zuvor noch leeren Halle stehen nun jede Menge Arbeiter herum und warten auf den Lift. Das kann dauern. Doch Annemaries Freundin stammt noch vom alten Schlag. Uns ist die Vordrängelei fast schon peinlich, doch für die schwarzen Arbeiter scheint das nichts Außergewöhnliches zu sein. So stecken wir schon bald wieder in der engen Kabine. Zurück im nun gleißend hellen Tageslicht müssen wir dafür auf den Rest der Gruppe warten. Wir nutzen die Gelegenheit, um mit den auf den Lift wartenden Arbeitern ins Gespräche zu kommen. Ungewöhnlich für uns sind die Frauen, welche typische Männerjobs unter Tage verrichten.
Sowie unsere Gruppe wieder komplett ist, besichtigen wir das Betriebsgelände und die Grube des ehemaligen Tagebaus. Danach werden die Schuhe geputzt, die letzten Diamantsplitter aus der Sohle gekratzt und die Klamotten wieder abgegeben. Es ist Zeit für Diamantkäufe – wer will, natürlich. Denn der Ausgang ist nur über einen Verkaufsraum zu erreichen. Ob es sich lohnt, hier Diamanten zu kaufen, können wir nicht beurteilen. Doch insgesamt scheint hier einiges an Wert herumzuliegen. Denn als wir der Gruppe zum Ausgang folgen wollen, lässt der letzte vor uns die Türe zufallen.
Toll, dass diese sofort schließt und wir beide im Verkaufs- und Ausstellungsraum festsitzen. Leider ist auch das Personal verschwunden. Plötzlich eröffnet sich uns die Gelegenheit, binnen Sekunden zu unermesslichem Reichtum zu gelangen. Wir sind doof und suchen lieber jemanden, der uns in die Freiheit entlässt. Sagte ich doof? Ja, doof nur, dass beim Drehkreuz am Ausgang des Firmengeländes erneut kein Weiterkommen ist. Einzig Annemarie hat unser Fehlen bemerkt. So kommt dann doch unser Guide zurück, um uns lachend zu befreien. So wird die Cullinan Diamond Mine für uns sowohl eine interessante aber auch unerwartet lustige Station in Südafrika.