Nach dem Frühstück verlassen wir das Shengwedzi-Camp. Vorsichtshalber tanken wir auch hier unser Auto voll, um weiterhin beruhigt durch den Park zu schleichen. Dann verabschieden wir uns von der Giraffe am Ausgang und halten Kurs auf die Red Rocks. Unterwegs finden wir neben Impala- und Gnuherden eine Straußendame, die es sich im warmen Sand gemütlich gemacht hat.
Die Red Rocks sind eine einzigartige historische und geologische Stätte im Krüger Nationalpark. Der Shingwedzi-Fluss hat in Tausenden von Jahren eine Schlucht und tiefe Löcher in dem roten Sandstein gebildet. Dabei wurden unter anderem Schwermetalle in die Löcher geschwemmt, was in der Vergangenheit wiederholt Goldsucher in die Gegend gelockt hat. Der Amerikaner Bill Lusk, besser bekannt als Texas Jack, entdeckte hier in den 1920er Jahren Schwemmgold.
Zugleich sind die Roten Felsen als ritueller Ort für die indigenen Völker bekannt, die früher in dieser Gegend lebten. Hier ehrten sie ihrem Gott Khubyane. Dabei opferten sie Tabak, Fleisch oder ein Stück ihrer Kleidung, in der Hoffnung, dass der Gott ihnen weiterhin Fleisch des Wildes, Regen, Glück und Schlaf für ein langes Leben beschere. Immer dann, wenn sie das Glück hatten, ein wildes Tier zu erlegen, schnitten sie ein Stück Fleisch heraus und brachten hier unter einem Amarulabaum oder auf einem der Felsen ihr Opfer dar.
Für uns ist oberhalb der Roten Felsen ein schöner und ruhiger Platz, um das Auto zu verlassen und die Aussicht zu genießen. Auch übernehme ich ab hier erstmals das Steuer. Das Links-Fahren hat bisher immer Lars übernommen. Ich denke, im Krüger Nationalpark kann ich bei dem nur langsamen Tempo kaum etwas falsch machen. Allerdings dauert meine erste Fahrt gerade mal eine Minute, bis wir den nächsten Ausstiegspunkt erreicht haben und ich den Wagen auch schon wieder stoppe. Lars ist begeistert.
Morgendlicher Game Drive beim Shingwedzi Camp. Aufnahmen von unserer Selbstfahrer-Runde mit Löwen, Giraffen und Elefanten.
Nach den zwei Stopps bei den Red Rocks bleibe ich weiterhin am Steuer sitzen. Schließlich gönne ich meinen lieben Ehemann auch mal etwas mehr von der Aussicht im Krüger Nationalpark. Und auf der linken Seite zu fahren ist doch einfacher als ich dachte. So fahren wir als Nächstes die Olifantsbad Pan an. Entsprechend ihrem Namen ist sie von Elefanten gut besucht. Auch hier hängen die Dickhäuter ihre Rüssel über die hohen Mauern des Wasserbottichs. Direkt dahinter steht ein Windrad, welches die Wasserpumpe antreibt.
Anfang der 1960er Jahre herrschte im Krüger Nationalpark eine schwere Trockenheit. Die Geschäftsführer des Parks beschlossen damals das Programm »Wasser für Wild«. Es wurden Trinkwasserstauseen, Auffangbecken und mit Windrändern betriebene Brunnen gebaut.
Meist sind diese Anlagen jedoch in Gegenden entstanden, wo es zuvor gar kein Wasservorkommen an der Oberfläche gab. Und wie so üblich, wenn sich der Mensch in ein Ökosystem einmischt, folgten verschiedene ökologische Probleme.
Neben ernsthaften Erosionsschäden kam es an den Wasserstellen zu einer deutlichen Zunahme der Raubkatzen. Dies wirkte sich ungünstig auf die seltenen Pferde- und Säbelantilopen aus, deren Population ohnehin schon durch den verstärkten Futterkampf mit anderen Antilopenarten bedroht war.
Als Konsequenz ließ die Parkverwaltung einige Wasserstellen wieder schließen oder durch natürlich vorkommende Wasserstellen im Umfeld ersetzen. Im offiziellen Reiseführer des Krüger Nationalpark sind daher sowohl die aktiven als auch die geschlossenen Wasserstellen verzeichnet.
Und weil es so schön ist, auf Schotterpisten zu fahren, biegen wir bald wieder ab auf den Shongololo Loop. Zwei Kurven weiter erblickt Lars einen Elefanten. Die Sache ist die: Zusammenstöße mit Elefanten geschehen im Krüger Nationalpark weit öfter als man denkt. Vor allem auch deshalb, weil solch Konflikte immer nur den anderen passieren. Soweit die Theorie. Langsam folge ich der sich verengenden Piste durch ein Wadi in die Praxis. Just in dem Moment, läuft der Elefant zwei, drei Schritte rückwärts auf die Piste, wendet sich zu uns und stellt die Ohren.
Nun lautet die oberste Devise, Ruhe zu bewahren. So bin ich es auch von meinem Mann gewohnt. Nach seinem teletubbyartigen »oh-oh« ist jedoch praktisch jedes Gefühl von Ruhe dahin. Bedrohlich kommt der Dickhäuter auf uns zu. Mein Puls kocht. Hastig lege ich den Rückwärtsgang ein und lass den Wagen langsam zurückrollen. Doch da ist ja noch das Wadi.
»Achtung, da sind Gabionen!« warnt Lars und schon sitzen wir in der Falle. Sekunden später entspannt sich die Szene. Das kurze Zurücksetzen hat dem Elefanten offensichtlich gereicht, um sich sicher zu fühlen. Er wendet sich ab, gibt die Piste frei und entschwindet im nächsten Augenblick auch schon in den Büschen.
Büffel im Kruger Nationalpark
Hatte ich mich bisher immer auf Elefantenbegegnungen gefreut, hoffe ich nun mit klopfendem Herzen, sie fortan nur noch aus der Ferne zu beobachten. So sind mir die neugierig dreinblickenden Giraffen nach dieser Elefantenbegegnung plötzlich viel lieber.
Auf dem weiteren Weg zum Pioneer-Reservoir begegnen uns stattdessen mehrere freundliche Büffel. Wieder etwas beruhigt steigen wir beim Reservoir aus und beobachten die schlafenden und manchmal vor sich hin grunzenden Nilpferde.
Die nächste Nacht verbringen wir außerhalb des Krüger Nationalparks. Es wird also langsam Zeit, in Richtung Phalaborwa Gate zu fahren. Wir folgen der M14 Mopani - Phalaborwa Road und genießen die in dieser Gegend eher tierarme, aber dennoch reizvolle Landschaft. Lediglich bei der Brücke über den nahezu ausgetrockneten Letaba begrüßt uns noch ein Sattelstorch.
Als wir es fast schon aufgegeben haben, nach Tieren zu suchen, treffen wir auf mehrere parkende Autos. Gut, fragen wir mal, was es hier Schönes gibt? »Dort schläft ein Leopard im Baum«, erklärt uns ein aufgeregter Familienvater und deutet zu einer circa 20 Meter entfernt stehenden Gehölzgruppe. Na, das ist ja mal eine Ansage. Wir parken direkt vor seinem Auto und suchen die höheren Bäume ab.
Wer hat dieses Tier gefunden? Es ist äußerst schwierig, eine derart getarnte Raubkatze überhaupt aus solch einer Entfernung zu sehen. Dennoch verliert die Familie hinter uns bald das Interesse an dem schlafenden Leoparden und fährt davon. Flugs setzen wir unseren Wagen bis auf ihren Platz zurück und »Bingo!«, haben auf einmal eine viel bessere Sicht auf den von der Sonne angestrahlten Ast.
Wie der Panther im Mogli-Film liegt der Leopard im unteren Bereich der Baumkrone. Er schläft und lässt seine Pfoten und den Schwanz hinabhängen. Das reicht, um uns zu faszinieren. Da wacht das Tier auf. Es macht einen Satz zur Astspitze und schon stürzt irgendetwas mit einem dumpfen Geräusch auf den Boden. War das seine Beute? Sogleich macht er kehrt und rennt den Baumstamm hinab. Das Ganze geht so schnell, dass wir ihm kaum folgen können. Wo ist er hin? Durch seine Tarnfarbe und das Fellmuster ist er im niedrigen Buschwerk unauffindbar verschwunden.
Erst zu Hause erkennen wir in unseren Bildern, dass der Leopard ein Stachelschwein gerissen und auf den Baum geschleppt hatte. Vor Ort aber sind wir erst einmal glücklich, nach solch einer kurzen Zeit in Südafrika bzw. nur einer Nacht im Krüger Nationalpark die Big 5 bereits alle gesehen zu haben.
Eindrücke von der Shongololo Loop im Kruger Nationalpark. Aufnahmen von trinkenden Elefanten, dem Pioneer Reservoir und einem Leopard mit Beute auf dem Baum.