Kurz vor drei Uhr mittags erreichen wir das Shingwedzi Camp. Da wir früh gestartet sind, wollen wir uns etwas ausruhen, bevor der abendliche Game Drive startet. Doch zunächst müssen wir uns anmelden, was bei der ungemein unfreundlichen und eingebildeten Rezeptionistin wenig Freude bereitet. Hatten wir die Südafrikaner bisher als sehr freundlich und hilfsbereit kennengelernt, so treffen wir hier auf die andere, üble Sorte. In den staatlichen Camps scheinen die Jobs an der Rezeption bombensicher zu sein; ganz gleich, wie sich die Leute benehmen. Oder wie Lars es ausdrückt: »Allein für den Satz 'Natürlich könnte ich im Office anrufen und das regeln, aber ich tu es nicht.' könnte sie gekündigt werden.«
Genug geärgert. Wir beziehen unseren Bungalow, der umso schöner ist. Das Shingwedzi oder der »Ort des Eisensteins« liegt mitten im Herzen der Mopane-Landschaft. Die Gegend zeichnet sich durch schwarzen Lehmboden aus. Auf dem leicht hügeligen Land wachsen vorwiegend Mopane, Ahnenbäume, Farbkätzchensträucher und glanzblättrige Buschweiden. Im Camp hingegen ist die Vegetation weitgehend vertrocknet und spenden die winterlichen Bäume bestenfalls spärlichen Schatten.
Das Shingwedzi Camp zählt zu den älteren der SANPARK Restcamps im Krüger Nationalpark. Allerdings fiel es 2013 einem schweren Hochwasser zum Opfer, weshalb es komplett neu aufgebaut wurde. Die Unterkünfte sind heute modern und sauber eingerichtet. Die überdachte Terrasse ist gleichzeitig eine komplett ausgestattete Außenküche mit affensicheren Schränken. Denn riesige Paviane streichen über das Grundstück und versuchen ihr Glück bei den Hütten. Betteln tun übrigens auch die Glanzstare. Sie sitzen auf der dritten, übrigen Stuhllehne und beobachten uns beim Frühstück.
Vom Restaurant und der Braai-Side haben wir einen herrlichen Blick auf den Shingwedzi-Fluss. Hier tummeln sich wieder jede Menge Nilpferde und Krokodile. Daneben fällt uns die seltsame Rassentrennung im Camp auf. Während sich die Weißen im Restaurant aufhalten, wird die Braai-Side von den schwarzen Familien in Beschlag genommen.
Hier qualmen die Braai-Feuer, es brutzelt überall und riecht verführerisch. Als einziges weißes Paar fallen wir sofort auf und kommen auch gleich ins Gespräch mit den Leuten. Hätten wir keinen Game-Drive gebucht, wären wir sicher länger geblieben.
Eindrücke vom Shingwedzi Camp und Fluss im nördlichen Teil des Kruger National Parks. Aufnahmen von Flusspferden, einer Löwen und Elefanten.
Bei unserer Namibia-Rundreise waren die geführten Game Drives in den offenen Jeeps immer sehr schön und mit reichlich Tiersichtungen verbunden. Allein deshalb hatten wir bei SANPARK für unsere Zeit im Shingwedzi Camp einen Sundowner-Game-Drive gebucht. Wir sind pünktlich um viertel nach fünf beim Treffpunkt und können es uns sogleich auf dem Jeep gemütlich machen.
Gegen die Kälte sind genügend Decken vorhanden. Es kann los gehen. Das heißt, es könnte, denn leider verspäten sich ein paar Teilnehmer. Ihnen werden fünf Minuten eingeräumt, eh wir aufbrechen. Immerhin sollen wir den Sonnenuntergang während der Fahrt und nicht schon im Camp erleben.
Die Tour führt uns entlang des Shingwedzi-Flusses in das Buschland. Schon bald kreuzen Giraffen die Piste und sehen wir mehrere Antilopenherden. Am Fluss ruhen riesige Krokodile. Sie scheinen satt zu sein. Denn Sattelstörche und Nilgänse suchen zwischen den Panzerechsen unbekümmert nach Essbarem. Plötzlich rennt ein Honigdachs vor das Auto und schnappt nach irgendetwas.
Er ist aber auch genauso schnell wieder im Gestrüpp verschwunden und, weil der Jeep noch kräftig schaukelte, leider nur unscharf auf unserem Foto zu erkennen. »Ja, im Busch muss man jederzeit mit der Kamera bereit sein«, witzelt unser Guide und Fahrer in Personalunion. »Ich war bereit«, grummelt Lars zurück. Er mag ihn nicht.
Ein Stück weiter treffen wir auf eine Autokolonne. Hier scheinen Löwen auf der Lauer zu liegen. Und tatsächlich: in der Ferne sehen wir ein Löwenmännchen in der Abendsonne sitzen. Ganz in seiner Nähe ruht ein Weibchen und gähnt genussvoll vor sich hin. Dahinter trabt eine Elefantenherde hinunter ans Flussufer. Es ist richtig schön hier.
Unser Guide erzählt uns von den Zebras. So ist das für uns kaum unterscheidbare Streifenmuster wie ein Fingerabdruck. Zebramütter stehen deshalb mit ihrem Jungtier die ersten paar Tage alleine. Das Jungtier muss immer wieder um seine Mama herumlaufen und sich ihr Muster einprägen. Erst dann geht es zurück zur Herde.
Minuten später senkt sich die Nacht über den Shingwedzi. Flugs werden Lampen verteilt. Wir sollen in die Baumwipfel leuchten und Leoparden finden. Eine Leopardensichtung wäre natürlich das Highlight unseres Game Drives. So wird eine Französin in der Reihe vor uns bald garstig, weil ihr Mann scheinbar falsch in die Büsche leuchtet. Sie übernimmt seine Lampe und findet tatsächlich … auch keinen Leoparden. Das wäre auch zu einfach gewesen. Leider ist unser Guide alleine und vollauf damit beschäftigt, keinen Elefanten im Dunkeln zu rammen.
Ein zusätzliches gekonntes Auge wäre hier sicher von Vorteil. Und als wir es schon gar nicht mehr glauben, leuchten uns plötzlich zwei Augen aus einem Baumwipfel an. Im Schein zweier Lampen können wir zweimal kurz nacheinander die Silhouette einer Katze klar erkennen. »Du, da war ein Leopard«, bemerkt Lars. Blöd nur, dass unser Guide mittlerweile recht schnell unterwegs ist. Bis wir ihn gestoppt haben und rückwärts fahren, ist es schwer, den Baum von vor 50 Metern wieder zu erkennen. Schade eigentlich.
Wir kommen zu dem Entschluss, dass wir solch einen Game Drive auch mit dem eigenen Auto hätten unternehmen können. Die gesamte Fahrt verlief auf den gewöhnlichen Wegen des Parks und spätestens im Dunkeln braucht es einfach jemanden, der sich im Busch auskennt und weiß, worauf er achten muss. Und dieser hat bei dem Abend Game Drive des SANPARK schlichtweg gefehlt.
Wie gesagt: Einen Game Drive kann man im Krüger Nationalpark auch sehr gut auf eigene Faust unternehmen. So sind wir am nächsten Morgen schon früh auf den Beinen. Noch vor dem Frühstück fahren wir die selbe Strecke wie abends zuvor bei der geführten Tour.
Vielleicht haben wir Glück und die Löwen sind noch in der Gegend. Zunächst aber spaziert ein kleiner Buschbock an uns vorbei, gefolgt von einigen hübschen Impalas. Auch Giraffen lassen sich erneut in der Nähe des Camps blicken.
In der Ferne ist die Autokolonne wieder oberhalb einer Aufweitung des Shingwedzi zu erkennen. Haben die hier übernachtet? Wir versuchen unser Glück und fahren ebenfalls dorthin. Schon deutet uns einer, dass hier etwas sein muss. Wir finden eine Lücke zwischen den anderen Fahrzeugen und glauben im nächsten Moment unseren Augen kaum: Keine fünf Meter von uns entfernt hockt ein Löwe und streckt uns seinen Allerwertesten entgegen.
Na wunderbar! Er schaut zum Fluss und wartet wohl auf seine Frauen, die wir am Abend gesehen hatten. Irgendwann besinnt er sich eines Besseren und blickt zu uns zurück – Dankeschön, genauso mögen wir das! Ihm ist es in der Morgensonne zu warm geworden. So erhebt er sich auf und trottet gemütlich zu einem schattigen Busch.
Doch die Gegend entlang des Shengwedzi-Flusses hat mehr zu bieten als nur große Katzen. So zerpflücken einige Elefanten gerade die Botanik. Und wo die Dickhäuter etwas übrig lassen, knabbern Giraffen die feinen Blätter aus den Baumwipfeln. Insgesamt können wir mit unserem eigenen Guten-Morgen-Game-Drive sehr zufrieden sein.
Mit einigen schönen Eindrücken machen wir uns schließlich auf den Weg zum Frühstück. Bei der Rückfahrt erspähen wir in der Ferne nochmals die Löwenmähne. Sie ist nun wieder so weit weg wie gestern Abend. Lars sieht keinen Anlass, dafür nochmals anzuhalten. Er ist hungrig - wie ein Löwe.
Beim Frühstück auf unserer Bungalow-Terrasse sehen wir schließlich, wie wichtig die Warnhinweise wegen der Affen sind. Es schlendern riesige Paviane über das Grundstück und versuchen, die Mülleimerdeckel zu öffnen. Da diese wegen der Affen schwer und auch schwer zu handhaben sind, haben sie wenig Erfolg.
So blickt ein Pavian stattdessen unter die Abdeckung eines Anhängers, während sich ein anderer einen mit Wasser gefüllten Putzeimer schnappt. Schon schlau, diese Tiere. Das gilt auch für die Glanzstare, die uns beim Frühstück beobachten und fast schon bettelnd neben dem Tisch sitzen. Als wir am Aufräumen sind, traut sich einer bis auf die Türschwelle zum Bungalow und schaut, ob es vielleicht innen etwas zu holen gibt.