100 Länder möchte Annette zusammen mit mir bereisen. Also mindestens, nicht dass ich auf die Idee käme, danach endlich etwas Ruhe zu haben. Zählen wir für dieses Ziel nur die eigenständigen Staaten, so können wir in Swasiland Halbzeit feiern. 50 Länder sind geschafft. Nach den Kriterien des Traveler' Century Clubs kommen wir durch das kleine afrikanische Königreich sogar auf mittlerweile 60 Länder und Regionen. Wenn das kein Grund zum Feiern ist? Schon bei der Einreise köpfe ich eine Flasche Sekt, um mit den Grenzern auf diesen historischen Moment anzustoßen…
Nein, das getraue ich mich nun doch nicht. Die Feier wird auf den Abend verschoben und wohl doch eher im kleinen Rahmen bleiben. Bleibt die Frage, was man in Swasiland überhaupt erleben kann? »Nicht allzu viel«, gesteht Annette, »im (Südafrika-) Forum kam immer wieder, dass eine Nacht vollkommen ausreicht. Nach spätestens zwei Nächten reisen die meisten weiter.« Wir haben drei Nächte. Von einem Hopplahopp des Ländersammelns kann also keine Rede sein. Vielmehr erwarten wir, auch im Mlilwane Wildlife Sanctuary einige wilde und vielleicht auch seltene oder zumindest wenig bekannte Tiere beobachten zu können.
Erst später soll sich herausstellen, dass wir gut daran taten, an dem viertägigen Aufenthalt festzuhalten. Denn aller vermeintlicher Reiseerfahrung zum Trotz wird mir in Swasiland ein Missgeschick unterlaufen, welches sich leicht hätte vermeiden lassen. Oder wie es im Film Titanic so schön heißt: »Die 26 Jahre Erfahrung haben seinen Blick getrübt.« Gut, für die 26 Jahre fehlen mir noch ein paar Reiseabenteuer. Trüb trifft den Nagel aber so ziemlich auf den Kopf. Doch dazu später mehr. Nun gilt es erst einmal, Südafrika zu verlassen und die Grenzbürokratie schadlos zu überstehen.
Die Koffer sind wieder gepackt und sicher im Auto verstaut. So starten wir nach einem ausgiebigen Frühstück in unserer Lodge am Sabie River. Heute geht es nach Swasiland. Der autofreie Tag hat uns beiden richtig gut getan. So behalten wir die Ruhe, als uns unser eigenwilliges Navi in Hazyview direkt durch den Ort bzw. über Schlaglochstraßen leitet. Nervös wird Lars erst, als wir wenige Kilometer nach Hazyview von der Polizei herausgewinkt werden.
»Ich hab' jetzt gar nichts getan!« mault er aufgebracht. Das sieht wohl auch die Polizistin so und fragt lediglich nach den Papieren. Durch sie erleben wir eine weitere Premiere in Südafrika. Nach einigen Ländern mit Mietwagen müssen wir erstmals auch den internationalen Führerschein vorzeigen. Wir haben alles dabei, die gute Frau findet keinen Grund für ein »Extratrinkgeld« und gibt den Weg frei.
Auf einer Panoramaroute geht es übers Gebirge, vorbei am Barberton und dem Nelshoogte Nature Reserve. Das viele Grün hier täuscht sicherlich vielen eine intakte Natur vor. Doch durch die Monokulturen mit schnell und gleichmäßig gerade wachsenden Bäumen für die Bauholzindustrie, hat sich die Landschaft in eine halbtote Forstwüste gewandelt. Hier finden nur wenige Tiere einen geeigneten Lebensraum. Tatsächlich erinnern uns die Wälder an die riesigen Kautschukplantagen im Süden Thailands.
So erreichen wir kurz nach Mittag die Grenze zum Königreich Swasiland, dem heutigen Eswatini. Uns wird ein Zettel in die Hand gedrückt, auf dem zuvor unser Autokennzeichen vermerkt wurde. Damit müssen zuerst zur Abmeldung von Südafrika. In der Schlange vor dem Office stehen nur Schwarze. Nur direkt am Schalter ist ein weißes Ehepaar mit seiner Ausreise beschäftigt. Kaum haben sie die Bürokratie bewältigt, wenden sie sich uns zu und winken hastig. Kennen wir das Paar? Nein, es sind Südafrikaner. Für sie es nach wie vor selbstverständlich, dass Weiße gegenüber Schwarzen Vorrang haben. Uns ist das peinlich. Aber diese Bevorzugung scheint hier ganz normal zu sein. Umso schneller sind wir abgemeldet und können zur Anmeldung nach Swasiland.
Dort ist es augenscheinlich am wichtigsten, die 50 Rand Straßenmaut abzudrücken. Den Stempel im Pass haben wir Sekunden später. Dazu bekommen wir wieder einen Zettel in die Hand gedrückt, damit der Pass bei der Einfahrt ins Land kein weiteres mal kontrolliert werden muss.
So sind wir bald auf den Straßen Swasilands unterwegs. Zugleich ändert sich das Bild der Bebauungen. In Swasiland wirkt alles wohlhabender als im südafrikanischen Grenzgebiet. Wir nennen es das Andorra von Afrika. Dass der Schein trügt, bekommen wir erst später mit.