Not macht erfinderisch. Als Schutz vor der Kälte haben wir am Vorabend unsere Badetücher genutzt, um die zugigen Spalten in den Hüttenwänden zuzuhängen. Bei unserem mitgeschleppten Moskitonetz waren zum Glück einige Pinnnadeln dabei, die sich auch für solche Einsätze bestens eignen.
Leider wacht Lars am Morgen trotzdem mit Fieber auf. Während ich also das Frühstück halbwegs versuche zu genießen, nippt er an einem Becher heißen Tee. Armer Kerl! Trotzdem will er mir den Ausflug zum Swazi Cultural Village beim Mantenga Nature Reserve nicht verderben. Also schmeißt er sich zwei Grippostad ein und kann es los gehen.
Da das Mantenga Nature Reserve am Mlilwane Wildlife Sanctuary angrenzt, trennt uns eine nur kurze Fahrt von unserem Ziel. Es gilt die übliche Anmeldeprozedur plus circa sechs Euro Eintrittsgeld. Knapp anderthalb Kilometern hinter dem Office erreichen wir einen groß angelegten Parkplatz, auf dem allerdings nur wenige Autos stehen. Wir können uns der soeben begonnenen Führung anschließen. Die Gruppe besteht gerade mal aus einer belgischen Familie, uns beiden und dem Guide.
Die Hütten der Swazis sind die Beehives – also Bienenstöcke, denen sie ähneln. Sie werden alle paar Jahre neu gebaut. Dabei werden als Baumaterial streng traditionell Stangen, Gras, Schilf, Lederstreifen, Erde und getrockneter Kuhdung genommen. Hier im Village wurden so die Häuser einer Familie aufgebaut.
Denn Swasifamilien sind richtig groß und die Regeln streng. Männer und Frauen werden strikt in verschiedene Abschnitte voneinander getrennt. Kleine Kinder dürfen bis zum Alter von sechs Jahren bei ihren Eltern bleiben. Ab dann müssen sie in die Männer- oder Frauenhütten wechseln.
traditioneller Tanz im Cultural Village von Eswatini
Ein Grund für die großen Familien ist die Tradition der Polygamie, die nicht nur dem König vorbehalten ist. Theoretisch darf ein Swasimann so viele Frauen heiraten wie er will. Praktisch jedoch heiratet er nur so viele Frauen, wie er sich leisten kann. Da eine Jungfrau gut und gerne 17 Kühe kosten kann, hält sich der Harem meist in engen Grenzen. Deswegen ist auch unser Guide noch ledig. Bald gesellt sich eine schwarze Touristenfamilie zu uns. Der Vater ist beim Thema Polygamie ganz Ohr.
Besuch des Swazi Cultural Village beim Mantenga Nature Reserve. Traditionelle Lebensform im Swasiland bzw. dem heutigen Königreich Eswatini. Blick in einen der Beehives.
Bei den Erläuterungen, wie so eine Vielehe funktioniert, kriegt er sich schier nicht mehr ein vor Lachen und wünscht sich wahrscheinlich, ein Swazi zu sein. Die Miene seiner Frau hingegen verdüstert sich zusehends. So nimmt die erste Frau eines Swasis den größten Stellenwert ein und steigt später als Oma zu einer Art Familienoberhaupt auf. Trotzdem muss sie weiter rücken, sobald die nächste Frau kommt. Schlimmer noch: Sie muss das Liebesnest für ihren Mann und der neuen Gemahlin richten und die beiden bewirten.
Das Swazi Cultural Village ist zwar eine touristische Einrichtung, aber es ist sehr schön gemacht und ermöglicht seinen Besuchern Einblicke in das Leben der Swasis. Klar ändert sich auch in diesem Land einiges und leben inzwischen die wenigsten Swasis in diesen Beehives. So ist unsere Inforunde kurz vor der traditionellen Tanzaufführung zu Ende. Dort sind wir überrascht, wie viele Besucher inzwischen eingetroffen sind. Darunter befindet sich auch eine große schwarze Reisegruppe.
Traditionelle Tänze im Swazi Cultural Village beim Mantenga Nature Reserve im Swasiland, dem heutigen Königreich Eswatini.
Und ausgerechnet diese sorgt dafür, dass Schwarze und Weiße strikt voneinander getrennt auf der Tribüne Platz nehmen. Irgendwie ist die Rassentrennung nach wie vor in deren Köpfen fest verankert. Ich jedoch bin froh, neben einem Schwarzen zu sitzen, der immer wieder über die gesungenen Lieder lacht. Stolz erklärt er mir, was gesungen wird, mit welch Heldentaten sich die Männer feiern, während die Frauen mit ihren Versen über ihre Männer herziehen. So groß scheinen die Unterschiede zwischen den Völkern nicht zu sein.
Nach der Vorstellung unternehmen wir noch einen Abstecher zum nahen Wasserfall. Dieser ist zwar nicht allzu gewaltig, aber ein schöner Abschluss für den Ausflug. Doch das reicht dann auch für heute, denn mein kranker Lars braucht dringend Schlaf. So fahren wir bald wieder zurück ins Mlilwane Wildlife Sanctuary, wo wir nach etwas Drängen zum Glück in ein windgeschütztes und ruhig gelegenes Beehive umziehen können.