Palmen, Papageien, Kakteengärten und sogar ein Sandstrand bilden die exotische Seite in Südtirol. Nach einem langen Wandertag im Hirzergebiet freuen wir uns auf einen ausgedehnten, aber gemütlichen Spaziergang durch die Gärten von Schloss Trauttmansdorff. Nun ja, das mit dem »Gemütlich« verwerfen wir bald wieder.
Die Fahrt durch die Gassen von Meran führt uns mehr und mehr hinein in den Berghang des Grumser Bühal. Denn anders als klassische botanische Gärten, welche in einer Ebene liegen, erstrecken sich die Gärten von Schloss Trauttmansdorff über den Hang. Dabei überwinden sie einen Höhenunterschied von rund 100 Metern.
Leidenschaft und Innovationsgeist stehen Pate für eine Erlebniswelt aus über 80 Gartenlandschaften. Und das auf gerade mal zwölf Hektar, die sich in Form eines natürlichen Amphitheaters an den Berg schmiegen. Beeindruckende Perspektiven und atemberaubende Ausblicke machen Trauttmansdorff zum beliebtesten Ausflugsziel von Südtirol. So wurde die Anlage als »schönster Garten Italiens«, als »Europas Garten Nr. 6« sowie zum »Internationalen Garten des Jahres 2013« auf der International Garden Tourism Conference im kanadischen Toronto ausgezeichnet. Eine frühe Ankunft versteht sich von selbst, will man einen Parkplatz ergattern. Denn durch die topologischen Gegebenheiten sind diese rar. Im Jahr unserer Reise jedoch ist alles anders. Schon bei der Ankunft erkennen wir an den wenigen Autos, dass es ein ruhiger Ausflug in die Pflanzenwelt des botanischen Gartens wird.
Bereits beim Parkplatz sticht das Schloss ins Auge, vor dem schlanke Zypressen in den Himmel ragen. Schon 1300 wurde das Gebäude als Burg Neuberg erstmals urkundlich erwähnt. 1543 nahm sich die Adelsfamilie von Trauttmansdorff ihm an und ließ es großzügig zu einem Schloss erweitern. Nach einer wechselvollen Geschichte war dies dem Verfall preisgegeben. 1846 übernahm Graf Joseph von Trauttmansdorff das Schloss, sanierte die Anlage und verlieh ihm seinen Familiennamen. Der Graf schien seine Sache gut gemacht zu haben. Denn 1870 war Kaiserin Sissi mit ihrer kranken Tochter hier zu Gast. Es gefiel der Kaiserin von Österreich-Ungarn so gut, dass sie hier zweimal auf Winterkur verweilte. Parallel dazu entwickelte sich Meran zu einem Kurort von europäischem Rang.
Mit den beiden Weltkriegen endete diese Blütezeit von Trauttmansdorff. Es folgten Verkauf, Konkurs und später die Enteignung. Seit 1977 ist die Südtiroler Landesverwaltung Eigentümer. Zwischen 1989 und 2001 erweckte sie das Anwesen zu neuem Leben. Im Schloss wurde das Touriseum der Geschichte des Tourismus in Südtirol gewidmet, während drum herum der botanische Garten entstand.
Aufgeteilt ist dieser in vier Zonen: Waldgärten, Sonnengärten, Wasser- und Terrassengärten sowie die Landschaften Südtirols. Fließend gehen diese ineinander über. Im Lageplan sind für alle Zonen Rund- und Panoramawege eingetragen. Und auch wenn 12 Hektar an sich überschaubar sind, denken wir: »Ui, da sind wir eine ganze Weile beschäftigt!«
Wir halten uns zunächst an die Nummerierung im Faltplan des Gartens Trauttmansdorff und beginnen mit den Waldgärten. Es wird exotisch. Hier gedeihen Miniaturwälder mit Pflanzen und Bäumen aus Asien und Amerika. So sind wir bald umgeben von riesigen Bambusrohren, deren dichtes Grün angenehmen Schatten spendet.
Der Bambuswald vermittelt ein typisches Bild von Asien, wie wir es von unserer Rundreise auf Borneo kennen. Leider befindet sich das Glashaus während unseres Besuchs im Umbau. Denn wie der Bambus, gehören bunte und formenreiche Orchideen zu den Gärten des asiatischen Kontinents.
Vorbei an einem Wasserfall, führt uns der Weg durch einen Wald Südamerikas, bevor es steil bergauf geht. Im Blumenbeet am Berghang arbeitet ein Gärtner, der gerade die Fleißigen Lieschen ausputzt. »Die haben auch schon bessere Zeiten hinter sich!«, denke ich, schon stehen wir vor einem Hinweisschild.
Wenige Tage zuvor hatte ein gewaltiger Hagelschlag große Schäden an einigen der Beeten verursacht. Besonders schwer hat es den Lotus getroffen, dessen große Blätter durchlöchert in den Teichen hängen. Das Wetter kennt kein Erbarmen mit Gärtnern.
Hoch über den Waldgärten kann sich Lars seinem allzeit beliebten Hängemattenjournalismus hingeben. Weißer Sand und hohe Palmen, garniert mit gemütlichen Liegen und einer herrlichen Aussicht erwarten uns am Palmenstrand von Trauttmansdorff. Hier lässt es sich aushalten. Anstelle des Autolärms, der von Meran den Hang hinauf schallt, stellen wir uns ein Meeresrauschen vor und alles ist wunderbar.
Von den Waldgärten geht es über zu den Sonnengärten. Wer weiterhin stur der Nummerierung des Plans folgt, erwartet ein anstrengendes Auf und Ab. Jetzt, wo wir den Berg schon mal erklommen haben, bleiben wir oben und besuchen die Voliere. Weit oben, unterm Dach, putzen sich gerade zwei gelb-blaue Aras ihr Gefieder. Einiges geselliger sind die Gebirgsloris.
Die auch als Regenbogen- oder Allfarbloris bekannten Papageien sind in den Wäldern von Australien, Tasmanien, Indonesien und Neuguinea heimisch. Hat sich ein Pärchen gefunden, hält es ein Leben lang die Treue – wie lieb! Die Vögel scheinen sich wohl zu fühlen. Immerhin leben in der Voliere von Trauttmansdorff Jungvögel aus der eigenen Brut.
Schön und auch ruhig ist die Aussichtsplattform an der Voliere. Während wir die Aussicht alleine genießen, tummeln sich auf dem Matteo Thun´scher Gucker jede Menge Leute. Während wir von der Seite auf das Schloss Trauttmansdorff schauen, bietet der Thun´scher Gucker jedoch einen weit besseren Blickwinkel. Doch zuerst landen wir in einer Sackgasse; einer richtig hübschen Sackgasse.
Es ist der verspielte Garten für Verliebte. Grüne Ecken und verborgene Winkel sollen ermöglichen, Ruhe und Zweisamkeit auszukosten. Sinnliche Pflanzen, Kunstwerke und literarische Zitate schaffen einen emotionalen Raum. Es ist schön hier und das ist bekannt. Denn obwohl sich der Garten für Verliebte am höchsten Punkt der Gärten befindet, so zählt er offenbar zum Pflichtprogramm eines jeden Besuchers. Drei Pavillons inmitten eines seichten Wasserbassins bilden überdimensionierte Blumensträuße. Sie symbolisieren das Verliebtsein, die Liebe und die Wertschätzung. In drei Schritten zelebrieren wir ein Ritual: loslassen, versprechen, verewigen.
Wie der Liebesgarten gehört auch der Matteo Thun´scher Gucker zum Pflichtprogramm der Trauttmansdorffschen Gärten. So schlendern auch wir die Wege dorthin hinab und genießen ein weiteres Mal die Aussicht über Meran und über die Landschaften Südtirols. Wie ein überdimensionales Fernrohr hängt die spektakuläre Aussichtsbühne des Architekten Matteo Thun über dem steilen Gelände. Das Bauwerk schwankt bei jedem Schritt, nicht jeder traut sich über die Gitter zu laufen. Von hier sehen wir das Schloss von seiner schönsten Seite. Darunter befindet sich das Gartencafé am Seerosenteich, unser nächstes Ziel.
Über die Sissi-Promenade – bei solch königlichen Gästen muss auch ein Weg nach ihr benannt sein – spazieren wir langsam wieder hinab. Leider sind die Beete der Kakteen und Sukkulenten arg mit Metall umbaut. Natürlich muss diese Pflanzenwelt im Winter vor Kälte geschützt werden. Dennoch wäre es schöner, wenn sich die dafür benötigte Konstruktion im Sommer weitgehend abbauen ließe. Dafür bieten der Rosengarten, das Labyrinth des Irrgartens und der Palmenwald ein traumhaftes Bild.
Der Garten von Schloss Trauttmansdorff ist unglaublich vielfältig. Bei frischen Früchten sitzen wir im Palmencafé und überlegen, ob wir genug gesehen haben und zur Altstadt von Meran fahren sollen. Wir haben bereits mehrere Stunden in den Gärten verbracht. Aber nach der unterhaltsamen Pause im Café lassen wir uns von den Chilenischen Honigpalmen um den See locken. Und wenn wir schon mal da sind, gönnen wir uns außerdem eine weitere Runde durch die Landschaften Südtirols.
Das Motto für das Jahr 2020 lautet »Diversity«, im Zeichen der Biodiversität. Es soll zeigen, wie wichtig die biologische Vielfalt für Mensch, Tier und Pflanze ist. In der Zone Landschaften Südtirols fällt dieses Thema besonders auf. In den vielfältigen Gartenlandschaften stoßen wir auf bunte Blumenwiesen, alte Obst- und Gemüsesorten und brummende Insekten. In einem Bienenhaus können wir die emsigen Tierchen durch Glasscheiben bei ihrer Arbeit beobachten. Einen Steinwurf davon entfernt entdecken aufmerksame Besucher zwei Apfeldiebe, die sich in der Streuobstwiese ans Werk machen. Es sind Adam und Eva im Apfelbaum der Erkenntnis. Und wer hätte das gedacht? Adam leistet seiner Eva Beihilfe zur Vertreibung aus dem Paradies!
Man muss sich wirklich Zeit nehmen für die Gärten von Schloss Trauttmansdorff. Wir selbst haben fast einen ganzen Tag hier verbracht und noch längst nicht alles gesehen. Beim Gespräch mit anderen Besuchern erfahren wir, dass viele schon öfters hier waren.
Mit den Jahreszeiten verändert sich das Erscheinungsbild der Gärten. So werden auch wir gerne zu einer anderen Saison wiederkommen, um das Blütenmeer der Tulpen und Narzissen im Frühjahr oder auch das bunte Laub im Herbst zu bewundern.