Am nächsten Vormittag spazieren wir von der Altstadt durch die moderne Tallinner Innenstadt nach Kadriorg. Man könnte zwar auch die Straßenbahn nehmen. Damit aber hätten wir jedoch kaum etwas von den schönen Holzhäusern gesehen, die hier Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts gebaut wurden. Wobei - auf dem Weg durch Kadriorg müssen wir leider feststellen, dass nicht mehr allzu viele von ihnen vorhanden sind bzw. instand gehalten werden.
Damit laufen wir schnurstracks zum Kadriorg Park. Er wurde zu Zeiten von Peter dem Großen angelegt, nachdem dieser ein Sommerhaus in Kadriorg erworben hatte. In seiner Form ist der Park eine, wie wir finden, gelungene Mischung aus geometrischen Elementen französischer Parks und englischen Landschaftsparks.
Der Hauptzugang in den Park befindet sich nahe der Straßenbahnlinien 1 und 3. Von dort sind es nur wenige Schritte bis zur Info und dem Park Café. Von hier führt die »A. Weizenbergi« als eine der Hauptachsen zum Schloss Kadriorg. Schöner aber ist es, nach dem Café rechts abzubiegen und zuallererst eine Runde um den quadratischen Schwanenteich zu drehen.
Nach einer kurzen Pause schlendern wir von dort weiter durch die Gärten, bis wir das Denkmal zu Ehren des Arztes Friedrich Reinhold Kreutzwald erreichen. Er hat Mitte des 19. Jahrhunderts die gesammelten Geschichten seines zu der Zeit bereits verstorbenen Freundes Friedrich Robert Fählmann zum Versepos »Kalevipoeg« verarbeitet und damit das estnische Nationalbewusstsein maßgeblich gestärkt. Bei dem Denkmal kommen wir auf die östliche Achse des Parks. Auf dieser wunderschönen Allee passieren wir das KUMU und erreichen schließlich die Broderieparterres und das Schloss.
Das Schloss Kadriorg gilt als eines der schönsten Beispiele barocker Baukunst in Nordeuropa. Die herrliche Umgebung lockte auch einige Zaren nach Tallinn, um hier den Sommer zu verbringen. Möglich hatte dies der Große Nordische Krieg gemacht, bei dem die Schweden die Herrschaft über Estland an Russland abtreten mussten.
Den Schweden ist es wiederum zu verdanken, dass das Schloss nach dem Ende der Sowjetzeit von Grund auf restauriert werden konnte. Dadurch ist das Schloss Kadriorg mitsamt seinem Park wieder eines der schönsten Ausflugsziele in Tallinn.
Heute beherbergt das Schloss einen Teil des Estnischen Kunstmuseums. Wer mag, kann sich zum Beispiel Werke von Lucas Cranach und Ilja Repin anschauen. Wir hingegen nutzen das sonnige Wetter, um durch die barocken Broderiegärten zu schlendern, eh wir durch den nördlichen Teil des Parks an die Ostsee spazieren.
Nachdem wir am Ende des Parks die stark befahrene Hauptstraße überquert haben, erreichen wir das Denkmal Russalka. Es erinnert an 177 Seeleute, welche 1893 bei der Fahrt von Tallinn hinüber nach Helsinki mit dem russischen Panzerschiff Russalka im Sturm gekentert sind. Das Wrack des Schiffes wurde erst 110 Jahre später südlich von Helsinki nahe der Seefestung Suomenlinna gefunden.
Auch wenn es bei unserem Aufenthalt nicht stürmt, bläst uns am Ostseestrand doch eine frische Brise ins Gesicht, sodass wir bald in den Park zurückkehren und unseren Kadriorg-Ausflug im Park Café ausklingen lassen, eh wir mit der Straßenbahn zurück zur Altstadt fahren.