Wenn wir uns schon nicht nach Myra und zur Kirche des Heiligen Nikolaus hatten fahren lassen, so wollten wir uns doch nicht den Tagesausflug ins Taurusgebirge nach Arykanda entgehen lassen. Damit folgten wir außerdem der Frau des Kapitäns, die uns diesen - von ihnen selbst organisierten - Ausflug empfohlen hatte. Billiger kamen wir dadurch zwar nicht weg, 25 Euro pro Person fanden wir aber ganz ok und hatten damit - wie versprochen - tatsächlich einen schönen Tag ganz ohne Touristengedränge.
Von einem kleinen Bus abgeholt, ist unser erster Halt ein kleiner Bauernmarkt am Rande des Taurusgebirges. Unter einem - fast geschlossenem - Dach werden Erfrischungen, Obst und Gemüse angeboten. Feigen, lecker gegrillter Mais, riesige Pfirsiche und Äpfel lassen uns das Wasser im Munde zusammenlaufen.
Markt bei Arykanda im Taurusgebirge
Hinter den Marktständen stürzt eine Bergquelle in ein kleines Becken und sorgt für eine feuchte und kühle Luft unter dem Sonnendach. Früher noch wurde das Wasser am Fels entlang hinter einer Mauer zu den Feldern geleitet und zur Bewässerung genutzt. Bis auf ein paar Fragmente der alten Mauer, ein Stück weiter oben im Felsen, ist hiervon jedoch nichts mehr zu sehen. Hinter den Ständen führt aber auch heute noch eine kleine Leitung mit kühlem Bergwasser und verschafft Einheimischen wie Besuchern Erfrischung und Flüssigkeitsnachschub.
Am Nachmittag erreichen wir die Ausgrabungsstätte Arykanda, eine auf fünf Terrassen angelegte Siedlung, die als eine von 23. Städten zum lykischen Bund zählte. Auch wenn sich die ältesten Funde erst ab dem 6. Jahrhundert vor Christus belegen lassen, weist die Endung »anda« auf eine Gründung aus dem 2. Jahrtausend vor Christus hin.
Als die Türken 1971 mit der Ausgrabung begannen, haben sie eine der wohl beeindruckendsten antiken Städte zutage gefördert. Allerdings zählten hierzu leider auch mehrere Mosaiken, welche die Jahrhunderte fast schadlos überstanden hatten, um anschließend durch die Unvernunft der Besucher weitestgehend zerstört zu werden.
Auch wenn seit nunmehr über 30 Jahren fleißig ausgegraben wird, sind die Arbeiten noch lange nicht abgeschlossen. So berichtet der griechische Dichter Pindaros von einem Tempel des Sonnengottes Helios-Sozon in Arykanda, der weiter oben an den Hängen des 3000 Meter hohen Berges »Kizlar Sivrisi Tepe« vermutet wird, bislang aber noch nicht gefunden wurde.
Welch Bedeutung Arykanda bereits in der Antike gehabt haben muss, verdeutlichen Berichte des griechischen Historikers Arrianos, wonach Alxander der Große oder zumindest seine Truppen im 4. Jahrhundert vor Christus hier vorbeigezogen sind.
200 Jahre später beginnt die römische Herrschaft und Arykanda wird sehr wahrscheinlich von Kaiser Hadrian besucht.
In den nächsten Jahrhunderten wird die Stadt mehrmals durch Erdbeben erschüttert. Erhält Arykanda beim großen Erdbeben im Jahre 141 finanzielle Unterstützung durch Opramos aus Rhodiapolis, erlässt Gordianus III nach dem Beben vom 5. August 240 den lykischen Städten das autonome Münzprägungsrecht, um den Wiederaufbau zu unterstützen.
Ausflug nach Arykanda im Taurusgebirge
Als in Lykien Ende des 4. Jahrhunderts die Christianisierung einsetzt, wird Arykanda byzantinischer Bischofssitz. Bereits im 5. Jahrhundert bebt allerdings erneut die Erde. Viele Einwohner verlassen darauf die Stadt und errichten in der Nähe des heutigen Catallar eine neue Siedlung.
Nach verstärkten Arabereinfälle im 7. und 8. Jahrhundert siedeln abermals Städtebewohner in andere Orte um. Warum die Stadt im 11. Jahrhundert aufgegeben wurde, ist allerdings bis heute unbekannt und Arykanda verschwand aus der Geschichte, um im Jahr 1838 durch den Endländer Charles Fellows wiederentdeckt zu werden.
Auf einer der unteren Terrassen kommen wir in ein griechisches Amphitheater mit zwanzig Sitzreihen, die in den Hang als natürlichem Untergrund hineingeschlagen wurden. Schon jetzt fordern die Hitze und der eigentlich erst kurze Aufstieg ihren Tribut und bleiben die ersten unserer Gruppe zurück. Wir selbst verweilen einen Moment im Schatten einer großen Kiefer, bevor die Sitzreihen erklimmen. An den Rändern der Treppe erkennen wir Löcher, in der früher die Pfosten für mehrere Zeltdächer zum Schutz vor Regen und Sonne verankert waren.
Ein wenig abseits der Bühne kommen wir in das Bouleuterion. Dieser gut überschaubare Raum diente dem Volksrat zur Zeit der Lykier und Römer als Versammlungsort.
Ein paar Marmorplatten veranschaulichen, wie es hier früher ausgesehen haben soll. Auch wenn wir der Rekonstruktion alter Gebäude weniger skeptisch gegenüberstehen als die meisten Archäologen, sind wir froh, dass nur ein kleiner Teil nachgebaut wurde. Wirken die neuen - teilweise schon wieder beschädigten - Platten doch irgendwie fehl am Platz und ist der Versammlungsraum auch ohne diese Erneuerung ganz süß mit seinen kleinen Eingangsbögen.
Antike Sportstätte und Amphitheater von Arykanda
Oberhalb der Theaterterrasse befindet sich das Stadion von Arykanda. Mit einer Länge von 106 und einer Breite von 16 Metern ist dieses deutlich kleiner als andere griechische Stadien.
Durch den anstrengenden Aufstieg ist nun jeder der Gruppe ins Schwitzen gekommen.
Kein Wunder, dass sich die meisten ausschließlich im Schatten aufhalten. Die Strapaze aber hat sich gelohnt, eröffnet sich uns doch ein herrlicher Blick über das Theater bis weit in die Landschaft am Rande des Taurusgebirges.
Natürlich gibt es auch in Arykanda eine Nekropole und obwohl einige schon mit dem Sonnenstich zu kämpfen haben, besuchen wir zumindest ein paar der Felsen- und Tempelgräber unterhalb des Theaters. Die Bewohner Arykandas galten damals als prass- und vergnügungssüchtig. So wundert es nicht, dass die Gräber selbst im verfallenen Zustand noch pompös wirken.
Auf dem Weg zum Gymnasium kommen wir an mehreren zweistöckigen Badehäusern vorbei. Diese sind noch bis zur Dachhöhe erhalten und hätte es noch eines Beweises für den verschwenderischen und zugleich hoch verschuldeten Wohlstand der Einwohner gebraucht, hier ist er zu finden. So wurden die Thermen nicht nur mit aufwendigen Mosaiken kunstvoll verziert, sondern außerdem mit einer Fußbodenheizung ausgestattet, deren Einrichtungen ebenfalls noch erhalten ist.
Schade allerdings finden wir, dass Arykanda auch von Banausen besucht wird, die achtlos auf den Mosaiken herumrennen oder ihre Kinder nicht im Griff haben, denn so werden die Mosaiken trotz Absperrung schon bald der Vergangenheit angehören.
Nach den vielen alten Steinen fahren wir weiter ins Dorf Arifköyü und besuchen eine alte Frau, die uns zeigt wie man dort so lebt. Gut, die Wohnung sieht alles andere als pompös aus, aber doch lässt sich erkennen, dass es sich auch im Taurusgebirge etwas besser leben lässt, wenn ab und zu Touristen ins Haus kommen.
Danach werden wir auf der Terrasse zur Tea-Time eingeladen und bekommen Gelegenheit, irgendwelche Öle gegen Sonnenbrand oder Insektenstiche zu kaufen.
Auch wir weder das eine noch das andere brauchen, genießen wir ein laues Lüftchen, welches unter einem natürlichem Pflanzendach für Abkühlung sorgt. Über uns hängen Kürbisse, die später mit geschnitzten Ornamenten verziert und danach zu Lampen verarbeitet werden.
Als letzte Station vor der Rückfahrt zum Schiff kommen wir zu einem kleinen Restaurant, in welchem wir mit leckerem Fladenbrot gestärkt werden. Ganz in der Nähe der Tische sitzen zwei nette Damen vor einer Feuerstelle und walken den Teig mit einem dünnen Stock, bevor die Fladen auf dem heißen Blech ganz frisch gebacken werden.
Auch hier stehen überall Bäume, die ein wenig erholsamen Schatten spenden. Hinter der Gaststätte plätschert ein Gebirgsbach vorbei, der für weitere Abkühlung sorgt und die Hitze von Arykanda allmählich ausgleicht.