Weiter geht die Fahrt zur Ihlara-Schlucht. Doch vorher besuchen wir die noch intakte, wenn auch unbewohnte Höhlenanlage im Pasabag-Tal. Die Feenkamine wirken wie riesige Pilze. Sie sind gedeckt mit mehreren Häuptern, unter denen Wohnungen, Kapellen und Klöster in den Fels gearbeitet sind. Einige davon können hier über Leitern besichtigt werden.
Vorausgesetzt, dass einen Leitern mit bis zu einem halben Meter Abstand von einer zur nächsten Sprosse und ausgetretene Tuff-Stufen nicht schrecken können. Der Heilige Simeon soll hier im vierten Jahrhundert Wunder vollbracht haben. Dann wurde er zum Einsiedler und lebte im Inneren eines dieser Feenkamine. Die Reiseleiter sind sich heute uneins, ob wir uns nun im Heiligen Simonstal oder im Tal der Mönche befinden.
Was wir nicht verstehen können: warum versucht fast jeder, die Leiter mit dem Gesicht »weg-von-der-Leiter« herunterzuzittern? Andersherum ist es viel sicherer. Aber jeder nach seiner Fassung. Natürlich können auch hier jeder erdenkliche Kitsch gekauft oder Kamele beritten werden. Nachdem uns Erkin für die Weiterfahrt eine Überraschung verspricht, woll sich jedoch keiner mit solchen Nichtigkeiten belasten.
Grand Canyon gefälligst? Gerne, aber nur, wenn wir dazu keine allzu weiten Wege fliegen müssen. In Kappadokien kein Problem. Hier erstreckt sich zwischen den Orten Selime und Ihlara ein breiter Canyon, dessen Grund vom Melendiz Suyu in eine grüne Oase verwandelt wird. Etwa 400 Stufen führen von Ihlara in die zehn Kilometer lange Schlucht, die wegen ihres kurvenreichen Verlaufs auch Peristremma-Tal (das um und um gewundene Tal) genannt wird. Wie die meisten Felsen in Kappadokien wurden auch die Steilwände des Ihlara-Tales schon früh besiedelt und mit zahlreichen Höhlenkirchen versehen.
Durch das direkte Nebeneinander von Natur und byzanthinischem Christentum lassen sich hier zahlreiche Schmetterlingsarten beobachten, während sich kulturell interessierte Besucher die Wandmalereien der Sümbüllü Kilise, der Hyazinthenkirche, erschließen können. Die »auf dem Felsen stehende Kirche« hingegen wurde aus der Liste der Sehenswürdigkeiten gestrichen, nachdem diese mitsamt dem Felsen auf den Talgrund gestürzt war.
Karawanserei und Doline bei Obruk Han in der Türkei
Nicht weit von der Hauptverbindungsstraße von Aksaray nach Konya befindet sich bei Obruk Han eine weitere Karawanserei. Diese allerdings präsentiert sich anders als Sultan Han in einem sehr verfallenen Zustand und dient vor allem Kindern als Abenteuerspielplatz. Wer die Ruine durchquert, wird auf der anderen Seite jedoch mit einer Überraschung belohnt. Welche das war, wollte uns Erkin (nicht nur unser Reiseleiter, sondern zudem der Entdecker der Doline) nicht verraten, nur soviel: bis jetzt war die ungewöhnlich tiefe Doline mit der intensiven Blaufärbung weder in der Reiseliteratur noch im Internet zu finden.
Entsprechend ihrem Bekanntheitsgrad ist die Doline kaum erforscht, die Blaufärbung kann daher bisher nur mit der Spiegelung des Himmels, der Wassertiefe (80 Meter?) und evtl. dem Magnesiumanteil im Wasser erklärt werden. Bis vor wenigen Jahren wurde die Doline zur Bewässerung umliegender Felder genutzt, eine weitere Absenkung des Bodens um drei bis vier Meter ließ jedoch das Pumpensystem trocken fallen. Ebenfalls fallen wird wohl bald ein Bogen der Karawanserei, wir jedenfalls fanden es doch erstaunlich, wo Leute überall durchrennen, wenn sie im Urlaub sind.
Nachmittags erreichen wir Konya. Die erste Hauptstadt der Selcuken gilt heute als religiöses Zentrum und heilige Stadt Anatoliens. Kopftücher werden hier weit mehr als in anderen Gegenden der Türkei getragen. Und obgleich Konya mit über einer Million Einwohner die achtgrößte Stadt der Türkei ist, soll die Verbrechensrate extrem niedrig sein.
Pflichtprogramm eines jeden Besuchs ist das Grabmal von Mevlana, bzw. das Mevlana-Kloster des Mevlana-Ordens. In weitem Umkreis des Klosters herrscht ein absolutes Alkoholverbot, das auch in unserem Hotel Bera besteht. Wer auf sein Bierchen nicht verzichten will, muss sich zuvor in der Bus-Minibar bevorraten. Es geht auch ohne.
Das Mevlana-Museum zu Ehren des 1273 verstorbenen Celaleddin Rumi (Mevlana ist der Beiname, welcher soviel wie »unser Meister« bedeutet) selbst darf nur mit »ohne Schuhe« betreten werden. Gläubige müssen sich zudem einer rituellen Waschung unterziehen. Für Touristen gilt das leider nicht, wodurch neben dem hygienischen ein geruchliches Problem zum Himmel stinkt. Im Innern sollte darauf verzichtet werden, seiner Liebsten einen Schmatz auf die Wange zu drücken... Es ist das nächste Fettnäpfchen, in das ich trete. Außerdem sind im Innern verschiedene Kalligrafien ausgestellt. Unter anderem kann hier der kleinste Koran bewundert werden.
Obwohl in Konya kaum Kriminalität herrscht, wird uns geraten, uns nicht weiter als 600 Meter vom Hotel zu entfernen. Keinesfalls sollen wir das Viertel verlassen. Soweit so gut. Doch bereits bei der nahegelegenen Moschee und damit keine 200 Meter vom Hotel entfernt eilt ein Mann auf uns zu. Wir (eine Familie aus Chemnitz, Annette und ich) sollten nicht weiter in diese Richtung gehen. Denn die drei jungen Frauen wären mit ihren schulterfreien Tops unangemessen gekleidet. Dies könnte bei gewissen Leuten zu Problemen führen, zumal zur Abendzeit schon einige Männer Alkohol getrunken hätten.
Sprich: in Konya gibt es so gut wie keine Kriminalität, weil erst gar keine Möglichkeit zu einer solchen Handlung gegeben wird. Witzig jedoch ist der hotelnahe Basar, bei welchem grade ein Kopftuchausverkauf stattfindet. Ebenfalls witzig finden wir, in einem der offenen Cafes des nahegelegenen Kinder-Freizeitparks Tee zu bestellen. Denn dieser kostet so wenig, dass wir ihn fast nicht bezahlen können.