Ist das eisig! Es ist kaum zu glauben, aber so wie wir im Bryce Canyon Nationalpark das erste Mal den Bus verlassen, habe ich das Gefühl, dass es beim Einatmen in der Nase gefriert. Ich will nichts sagen, sonst bin ich ein Spinner, der sich das nur einbildet. Und doch, wenn wir uns umschauen, finden wir uns in einer herrlich verschneiten Landschaft wieder, die wir so nicht erwartet hatten. Nun, eigentlich hatten wir am Bryce Canyon mit überhaupt gar keinen Schnee gerechnet. Nach ein paar Augenblicken bin ich mir sicher, ich bilde mir nichts ein, es ist wirklich bitterkalt!
Auf dem Spazierweg über den Rim Trail zum Inspiriration Point knirscht der Schnee unter meinen Wanderschuhen. Ich bin froh, warme Klamotten mitgenommen und auch angezogen zu haben. Denn andere Teilnehmer unserer Gruppe haben zwar warme Sachen dabei, diese jedoch im Koffer gelassen. Stattdessen mühen und klappern sie sich mit Sandalen und zu dünnen Kleidern zum Aussichtspunkt. Aber was heißt hier klappern? Es geht nicht lange, dass mich ein Mann fragt, ob ich ein Objektiv von seiner Kamera lösen kann. Seine Finger seien taub.
Was vor Ort keiner von uns weiß: Als wir zum Inspiration Point laufen, herrschen Temperaturen zwischen 12 und 15 Grad Celsius Minus! Dabei müssen wir uns noch glücklich schätzen. Denn in der Nacht zuvor wurden -10° Fahrenheit bzw. -23° Celsius am Bryce Canyon gemessen.
Doch alles halb so schlimm, wenn man weiß, dass die Quecksilbersäule am Grand Canyon zur gleichen Zeit Temperaturen von -30° Celsius anzeigte. Schade, dass ich nur die dünnen Handschuhe anstelle der dicken, warmen mitgenommen hatte...
Am Inspiration Point angekommen, entschädigt uns die fantastische Aussicht. Der Aussichtspunkt befindet sich oberhalb des sogenannten Bryce Amphitheaters, eine irre Landschaft, die unterhalb vom Aussichtspunkt zunächst steil abfällt, um sich dann in zahlreichen Hoodoos vom Talboden des Canyons in die Höhe zu recken.
Sie sind die Zeugen eines prähistorischen Plateaus, aus dem Wasser, Frost (ach nee) und Wind bis zu 45 Meter hohe, unterschiedlich dicke Felsnadeln geformt hat. Die Säulen selbst bestehen aus Kalkstein, der am Bryce Canyon durch eingelagerte Minerale in verschiedene Gelb- und Rottöne verfärbt ist.
Bald fordert die Kälte ihren Tribut. Während andere Besucher des Parks nur einen kurzen Blick in den Bryce Canyon werfen, um dann gleich wieder zu verschwinden, halten Annette und ich zwar gut durch.
Allmählich arbeitet sich der Frost aber auch durch unsere Funktionsklamotten, sodass auch wir nach einer Viertelstunde am Inspiration Point zum Bus zurückkehren und weiter zum nächsten Aussichtspunkt, dem Sunset Point, fahren.
Als die Sonne untergeht, erreichen wir den Sunset Point. Und welch Überraschung, auch hier klirrt die Kälte. Egal, die Jacke etwas enger gezogen, Kapuze aufgesetzt und los! Schließlich ist es nur ein Katzensprung vom Parkplatz zum Aussichtspunkt.
Dort angekommen, staunen wir abermals über die herrliche Landschaft des Bryce Canyons. Neben den Hoodoos entdecken auch mehrere Höhlen, die der Wind aus einer Felswand links vom Sunset Point geblasen hat. Oder war es doch das Wasser? Wir wissen es nicht.
Dafür, dass wir den Bryce Canyon vor unserer USA-Reise noch nicht einmal kannten, sind wir vor Ort schwer beeindruckt. Denn wie die Berge und Täler im Zion Nationalpark ist auch der Bryce Canyon ein klasse Wandergebiet, das sich lohnt, auf mehreren Touren erkundet zu werden.
Im Gegensatz zu den Trails im Grand Canyon sind die Wanderungen hier außerdem deutlich leichter, sodass man weniger Gefahr läuft, sich zu verausgaben oder in der Hitze (?) zu dehydrieren.
Der kürzeste und steilste Abstieg auf den Grund des Canyons beginnt direkt am Sunset Point. Bis nach unten braucht man über den Navajo Loop Trail eine Stunde. Hält man sich dann links, führt der Pfad über den Queens Garden Trail wieder hoch zum Sunrise Point, der über dem Rim Trail mit dem Sunset Point verbunden ist. Eine weitere schöne Möglichkeit ist, den Navajo Trail mit dem Peek-A-Boo Loop Trail zu verbinden und über den Bryce Point zurück zum Ausgangspunkt zu laufen.
Leider aber fehlt die Zeit dafür und sind wir, gemessen an den doch etwas kühlen Temperaturen, suboptimal angezogen. Doch auch die Eindrücke, die sich von den Aussichtspunkten des Rim Trails sammeln lassen, lohnen den Besuch allemal. Nicht zuletzt ist auch die Kälte ein Erlebnis, das wir so noch nicht kannten. Zumindest haben wir dem Blizzard dieses Farbenspiel zwischen den weißen, im Schatten bläulichen Schnee, und den rötlichen Hoodoos zu verdanken.
Eindrücke vom Red Canyon mit den Felsen »Salt und Pepper« sowie dem verschneiten Bryce Canyon Nationalpark bei Temperaturen von etwa -20 Grad Celsius.