Wenn Du nach San Francisco gehst, sei sicher, dass Du ein paar Blumen in Deinem Haar tragen wirst. Auf Englisch hat diesen Satz wohl schon jeder irgendwann mal gehört.
Ganz andere Gefühle als das Lied von Scott McKenzie weckt hingegen ein Zitat des Schriftstellers Mark Twain.: »Der kälteste Winter, den ich je erlebt habe, war der Sommer in San Francisco.«
Nun, wer im Winter nach San Francisco reist, wird das zweite gerne glauben. So empfängt uns eine eisigkalte Luft in der Stadt. Die Temperaturen sinken zwar nur selten unter den Gefrierpunkt. Durch die Feuchtigkeit aber ist die gefühlte Kälte einfach nur zum Bibbern.
So wundern wir uns auch nicht mehr, warum die Hippies früher so gerne dicke Pullis anhatten. Es war der pure Überlebenswille, der sie in jene Moderichtung trieb.
Zu verdanken haben die Bewohner von »Frisco« die kalten Luftmassen der besonderen Lage ihrer Stadt. Denn San Francisco liegt am Eingang der Großen Bucht, genau an der Stelle, wo ein eisiger Strom von Alaska auf die Küste trifft, bevor er wieder ab ins offene Meer dreht.
Das Wasser des Stroms ist so kalt, dass es keinem Ausbrecher gelang, von der berühmten Gefängnisinsel Alcatraz auszubrechen und bis ans Land zu schwimmen. Obwohl die Entfernung zu beiden Landseiten mit etwas Kondition machbar ist, sind sie alle im Eingang der Bucht, dem Golden Gate, erfroren.
Wie so viele Städte unserer Rundreise erreichen wir auch San Francisco bei Nacht. Anstelle über die Golden Gate Bridge fahren wir über mit 8,3 Kilometer Länge dreimal so lange Bay Bridge und die nach einer Minze benannte Insel Yerba Buena in das Lichtermeer der Stadt hinein. Nach den schönen Erlebnissen beim Ausflug in den Yosemite Nationalpark und der schläfrigen Fahrt steigt die Spannung,
als wir die Bucht von San Francisco überqueren und der Landzunge zwischen Bucht und Pazifik näher kommen. Jeder von uns kennt die Hippiebewegung, die hier ihren Ursprung hatte, so wie auch jeder von dem verheerenden Erdbeben weiß, das 1906 weite Teile von San Francisco in Schutt und Asche gelegt hatte.
In den Reiseführern wird der Bereich Fisherman’s Wharf gerne als komplett kommerzialisierte Touristenfalle beschrieben. Dieses gilt insbesondere für die Pier 39 am Ostende der Wharf. Dort endet unsere Stadtrundfahrt und bekommen wir Gelegenheit für einen Bummel entlang der Läden und Restaurants.
Bei Urlaubern besonders beliebt sind das Hard Rock Café direkt am Eingang der Pier, das Musicaltheater 39 und das Aquarium of the Bay, in dem man die Unterwasserwelt durch transparente Röhren fast wie ein Taucher erleben kann - allerdings ohne nass zu werden und den im Meer nötigen Druckausgleich.
Eine weitere Attraktion auf der Pier ist ein Simulationstheater. Wer will, kann hier virtuell durch eine Dinosaurierwelt, eine verwunschene Mine oder ein turbulentes Wildwasser rasen. Uns aber zieht es ans Ende der Pier, wo sich Seelöwen auf Schwimmpontons angesiedelt haben.
20 Jahre hatten sich die Anwohner der Pier 39 und Bootseigner darum bemüht, die Tiere mitsamt ihrem Röhren, Rülpsen und Gestank zu vertreiben. Doch weder Gartenschläuche, laute Musik noch Killerwalattrappen konnten die Kalifornischen Seelöwen längere Zeit beeindrucken. Als die Pier im Herbst 2009 plötzlich verlassen war, freute sich dennoch kaum einer, da niemand wusste, warum die Tiere fort geschwommen waren.
Von vergiftetem Seafood war die Rede, aber auch von unbekannten Erdbebensensoren, mit denen sie eine seismische Katastrophe vorausgespürt haben könnten.
Erst als weiter nördlich 1000 von ihnen wieder auftauchten, konnten die Wissenschaftler das Rätsel lösen: sie hatten Hunger. Ungewöhnlich warme Meeresströmungen hatten dazu geführt, dass vor Kalifornien weniger Fische schwammen. Um die Diät zu beenden, waren die Seelöwen kälteren Strömungen gefolgt, die sie in fischreichere Gebiete im Norden brachten.
Von warmen Strömungen kann bei unserem Besuch keine Rede sein. Zwar scheint immer noch die Sonne, doch die kalte, feuchte Meeresluft und eine leichte Brise lassen uns frösteln. Da wir zudem selbst allmählich Hunger bekommen,
spazieren wir zurück zu den Restaurants, um uns eine Pizza und einen heißen Cappuccino zu gönnen, bevor wir durch die Fisherman’s Wharf und den Pioneer Park zurück zum Hotel Holiday Inn Golden Gateway spazieren.
Wenige Blocks vom Holiday Inn Golden Gateway entfernt kommen wir bei unserem alleinigen Stadtrundgang zur Chinatown San Francisco. Am schönsten ist es, diese von der Grant Street durch das Dragon Gate zu betreten.
Denn unter den traditionellen Dächern des Tors begegnen einen hier zwei typisch-chinesische Wächterlöwen, die bösen Kräften den Zutritt verwehren sollen. Aber keine Angst, zu Besuchern sind sie in der Regel ganz lieb. Also meistens.
Auch wenn der Chinatown genannte Bereich zwischen der Stockton und Kearneys Streets bzw. dem Broadway und der Bush Street sich heute überwiegend auf den Verkauf von sinnfreien oder kitschigen Andenken und Staubfängern eingestellt hat, ist das Viertel nach wie vor sehenswert.
Sei es wegen der roten Lampions, die an Schnüren aufgereiht über der Straße hängen, sei es wegen der geschwungenen Pagodendächern, die auch heute noch einige der Gebäude zieren, oder auch einfach wegen der bunten Reklame, für das Auge gibt es hier vieles zu entdecken.
Da San Francisco an sich nicht allzu groß ist, brauchen wir allerdings auch nicht allzu lange, um die wichtigsten Straßen der Chinatown abgeklappert zu haben. Schließlich haben wir schon viel zu viel Zeugs aus fernen Ländern bei uns daheim herumstehen,
als dass uns mechanisch winkende Katzen oder von der Decke hängende Drachen zum Kauf verleiten könnten, und zum Essen gehen in den sicherlich vorzüglichen, touristisch bepreisten Restaurants ist es auch noch zu früh.
An unserem Tag zur freien Verfügung stellen wir immer wieder fest: im Vergleich zu den anderen Städten unserer Rundreise durch den Südwesten der USA ist es in San Francisco wirklich toll, sich zu Fuß fortzubewegen.
Anstelle von riesigen Parkplätzen ebenso großer Einkaufszentrum besteht die Stadt aus überschaubaren Vierteln und statt mehrspuriger Stadtautobahnen haben die Straßen hier oft nur eine Spur für jede Richtung. Mal abgesehen davon, dass in vielen Straßen von San Francisco kaum Verkehr herrscht.
Apropos Straßen von San Francisco: Das strenge Schachbrettmuster der hügeligen Stadt, in der die Straßen ungeachtet der Geländeform gebaut wurden, ermöglichte in der Krimi-Fernsehserie »Die Straßen von San Francisco« erst die spektakulären Verfolgungsjagden. Flüchtende wie Verfolgte jagten die Straßen wie Rampen hinauf, um oben über den Knick der Straße hinauszuschießen.
Bis heute gibt es wohl keine Serie, bei denen die Autos öfter durch die Luft flogen - und danach noch fahrbereit waren. Leider hat dies viele Privatleute dazu animiert, ihren Wagen auf diesen Rampen hinauf zu beschleunigen, um einmal den Nervenkitzel des Fliegens zu erleben. Doch genau da ist das Problem. Denn die Knicks, über denen sie abheben, sind überall da, wo sich Straßen kreuzen, was zu schweren Unfällen geführt hat.
Durch Sperrungen und Umbaumaßnahmen hat die Stadtverwaltung dem Treiben ein Ende gesetzt. So heißt es heute von der Lombard Street, sie sei die Straße mit den meisten Kurven der Welt. Zumindest für San Francisco mag dies stimmen.
Denn um ihr die Steile zu nehmen, hat man die einst gerade Straße mit kleinen Serpentinen versehen, die heute nur noch Schrittgeschwindigkeit zulassen.
Am oberen Ende dieser Serpentinen angekommen, erreichen wir die Linie der Cable Car »Powell-Hyde«, der wir nach Norden zum Hyde Street Pier folgen. Unten angekommen, lohnt es sich, bei der Endstation eine Weile zu warten. Denn die alten Cable Cars werden auch heute noch allein durch Muskelkraft herumgedreht, bevor sie die Strecke wieder zurückfahren.
Wobei Muskelkraft wohl doch ein wenig übertrieben ist. Es sind städtische Angestellte, die wir beobachten, wie sie sich einfach mit ihrem Gewicht gegen die Bahn und ein Schild lehnen, um das Wendemanöver zu vollbringen.
Wenige Meter von der Endstation entfernt, kommen wir auf den Hyde Pier. Auf ihm sind unter anderem das Maritime Museum und der Maritime National Historic Park untergebracht. Von hier ist es dann auch nur noch ein Katzensprung zu den touristisch geprägten Straßen der Fishermans Wharf und den Pieren 45, 43 1/2, 41 und zuletzt wieder 39, wo es eine im Winter etwas zugige, aber dafür in schöner Aussichtslage gebaute Pizzeria gibt - aber da waren wir ja schon.
Aufnahmen von den Robben am Pier 39 in San Francisco sowie vom Wendemanöver einer Cable Car beim Hyde Pier.