Vom Tachi Palace Resort wollen wir am nächsten Morgen in den Sequoia Nationalpark fahren. So sieht es das Programm unserer Rundreise vor. Leider aber ist wegen Schnee die südliche Zufahrt in den zweitältesten Nationalparks der USA gesperrt.
Der Besuch des sagenhaften, 2100 bis 2300 Jahren alten General Sherman Trees, dem mächtigsten bekannten Riesen-Mammutbaum, der Jahr für Jahr um die Menge Holz zuwächst, die einem 18 Meter hohen Baum entspricht, entfällt damit.
Stattdessen fahren wir über den Highway 180 in den Kings Canyon Nationalpark. Optisch macht dies keinen großen Unterschied, da beide Parks inzwischen miteinander verbunden sind und sich in der Vegetation kaum voneinander unterscheiden.
So wächst im Kings Canyon der zweitgrößte Mammutbaum der Welt, der dafür aber einen größeren Brusthöhendurchmesser als der General Sherman Tree besitzt. Insgesamt befinden sich in den beiden Nationalparks 75 Haine der Sequoia-Mammutbäume.
Bevor wir zum Kings Canyon Nationalpark kommen, müssen wir eine ganze Weile durch das vom Nebel verhangene, triste San Joaquin Tal fahren. Erst, als wir dieses nach der ersten Kaffeepause verlassen und schon ein paar Hundert Fuß bergauf gefahren sind, lichtet sich die Nebeldecke. Um nicht zu sagen, nachdem die Luft wenige Augenblicke lang blendend weiß ist,
durchbrechen wir plötzlich den Nebel und finden uns im nächsten Moment unter einem strahlend blauen Himmel wieder. Diejenigen unserer Reisegruppe, die solch Inversionswetterlagen noch nicht kannten, sind verblüfft über diesen krassen Wechsel. Doch auch wir sind erleichtert, dass wir in den Bergen tatsächlich das Wetter bekommen, auf das wir spekuliert hatten.
Bei einem kleinen Wasserfall an der Straße legen wir einen Fotostopp ein und lassen unsere Blicke über die Berge bis hin zur schneebedeckten Gebirgskette mit dem 4418 m hohen Mount Whitney schweifen.
Auch wenn wir selbst nur wenige Meter unterhalb der Schneegrenze befinden, ist es in der Sonne angenehm warm, sodass wir die klare Bergluft in vollen Zügen genießen können.
Zur Mittagszeit kommen wir am Besucherzentrum vom Sequoia und Kings Canyon Nationalpark an. Wer sich Kalifornien bisher nur als warme Region mit traumhaften Stränden vorgestellt hat, wird über die Schneemassen staunen,
unter denen das Besucherzentrum kaum noch zu sehen ist. Tatsächlich bemerken wir es auf dem Weg vom Bus in einen Laden mit Café nicht einmal, sondern entdecken es erst, nachdem wir uns schon eine Weile hier oben aufhalten.
Dass große Schneemengen beim Kings Canyon keine Seltenheit sind, zeigt die Driving Map. Auf ihr steht neben mehreren eingezeichneten Verkehrswegen, dass sie nur im Sommer geöffnet bzw. im Winter gesperrt sind.
Neben der Kälte und den teils heftigen Schneefällen liegt das auch daran, dass man innerhalb der Nationalparks auf den Einsatz von Streusalz verzichtet, sondern es dabei belässt, mit einer kleinen Flotte Schneebrummis auf und ab zu fahren.
Auch wenn die Straßen bei unserem Ausflug gut zu befahren sind, besteht für Busse Kettenpflicht. Die Zeit für das Aufziehen nutzen wir, um zu Fuß vom Kings Canyon Besucherzentrum zum Hain des General Grant Trees zu spazieren. Unser Reiseleiter ist davon zwar nicht sonderlich begeistert und versucht uns wegen möglicher Sturzgefahr dazu zu bringen,
ebenfalls mit dem Bus zu fahren. Da wir uns mit festem Schuhwerk auf die Verhältnisse gut eingestellt haben, lassen wir uns nicht beirren und laufen mit fünf, sechs anderen dem Bus vorweg. Schön, sich in der herrlichen Luft und Landschaft die Füße vertreten zu können!
Der Weg vom Besucherzentrum Grant Grove Village führt über die Straße zum Rundweg durch den Hain Grant Grove. Da sie geräumt ist (sonst hätten auch die Busse Probleme) und die Sonne den restlichen Schnee auf dem Asphalt weitgehend abgetaut hat,
kommen wir aller Bedenken zum Trotz mühelos voran. Erst kurz vor dem Parkplatz beim Grant Grove holt uns der Bus wieder ein, sodass alle wieder beisammen sind und wir als Gruppe über den Rundweg zum General Grant Tree spazieren könnten.
Ja, könnten. Denn trotz des winterlich-eisigen Erlebnis’ im Bryce Canyon Nationalpark haben es immer noch nicht alle geschafft, aus ihrem Koffer geeignete Schuhe zu holen bzw. sich in den Geschäften in der Casinostadt Las Vegas zu besorgen.
Andere scheinen einfach nichts für Schnee in Kalifornien übrig zu haben und halten sich lieber im Bus oder auf dem Parkplatz auf, als dass sie sich kalte Füße holen; oder mit Schnee bewerfen lassen, der durch das Tauwetter munter von den riesigen Sequoia-Bäumen fällt.
Glücklich ist, wen solche Kleinigkeiten kalt lassen. Denn weil außer uns lediglich ein paar Japaner und zwei US-Bürger auf dem General Grant Tree Trail unterwegs sind, können wir die gewaltigen Mammutbäume im Grant Grove in aller Ruhe bestaunen. So kommen wir schon nach wenigen Metern zu einem besonders mächtigen Exemplar, das sich wunderbar für einen Größenvergleich Mensch-Baum eignet.
Gleich danach erreichen wir den Gefallenen Monarchen (Fallen Monarch).
Der Stamm liegt schon über 100 Jahre nahezu unverändert an derselben Stelle. Das Umkippen ist übrigens die gängige Todesursache der gigantischen Bäume. Denn während sie durch Chemikalien in der Rinde gegen Schädlinge weitestgehend resistent sind, haben sie nur flache Wurzeln, die ihnen bei Sturm nicht genügend Halt geben, wenn es stürmt. Es wird vermutet, dass ein Feuer den Stamm vom Fallen Monarch ausgehöhlt hat, wobei allerdings unklar ist, ob dies schon vor oder erst nach seinem Fall geschah.
Nachdem wir ein Stück weit in den hohlen Sequoia-Mammutbaum hineingegangen sind, spazieren wir weiter zum gut 81 Meter hohen General Grant Tree. Mit einem geschätzten Alter von rund 1500 Jahren ist er seit 2003 der zweitgrößte, bekannte Baum in der Welt. Seit 1926 ist der General Grant Tree der Nationale Weihnachtsbaum der USA und seit 1956 eine nationale Gedenkstätte.
Für die meisten Besucher ist hingegen ein gleichermaßen interessantes wie schwieriges Fotomotiv. Denn durch die benachbarten Mammutbäume ist es schier nicht möglich, den General Grant Tree als Ganzes vernünftig abzulichten. Und wer sich davor fotografieren lässt, hat die Wahl: entweder beschränkt man sich auf einen winzigen Teil des Baums oder man erhält ein Suchbild.
Da der Ausflug in den Kings Canyon Nationalpark bzw. zum General Grant Grove der einzige Programmpunkt des Tages ist, lassen wir uns auf dem kurzen Rundweg reichlich Zeit. Um nicht zu sagen, statt der zuerst angesetzten rund 20 Minuten halten wir uns fast eine Dreiviertelstunde in dem Wald auf, laufen noch von der anderen Seite durch den Fallen Monarch
(durch den Stamm sind die beiden Seiten des Rundwegs miteinander verbunden) und lassen die Winterlandschaft auf uns wirken. Nein, ehrlich, wer sich bei so einem klasse Wetter nicht die Zeit nimmt, dies ausgiebig zu genießen, hat den Sinn einer Rundreise nicht verstanden. Zumindest sind wir uns vor Ort einig, dass wir im Kings Canyon Nationalpark das Glück hatten, ein einzigartiges Erlebnis zu teilen.
Fahrt in den winterlich verschneiten Sequoia and Kings Canyon Nationalpark, Spaziergang zum Grant Grove mit den Sequoa-Riesenmammutbäumen wie dem General Tree.