Für den Ausflug in das Tal des Todes müssen wir vom Hoover Dam zurück nach Las Vegas und von dort weiter über die Highways 160 und 190 Richtung Nordwest fahren. Mit dem Bus dauert dies etwa drei Stunden. Voaussetzung dafür ist, man fährt in einem Stück durch. Leider aber entscheidet unser Reiseleiter nahe der Death Valley Junction, bei einer verlassen wirkenden Lodge eine Toilettenpause einzulegen.
Eine Fehlentscheidung, wie wir meinen. Denn obwohl nur ein Mann danach gefragt hatte, kostet uns dieser Stopp 20 Minuten und damit genauso viel Zeit, wie wir anschließend von der Todestal-Kreuzung bis zum ersten Aussichtspunkt brauchen. Weil es dort natürlich auch sanitäre Anlagen gibt, hätten wir allein hier deutlich länger verweilen können.
Auf der Fahrt dorthin bangen Annette und ich darum, dass wir den Death Valley Nationalpark vor Einbruch der Dunkelheit erreichen. Denn immer noch ist es Winter in Nevada und Sonnenlicht kostbar. Trotzdem ist der Winter die bessere Jahreszeit für Ausflüge in das Death Valley.
Denn im Sommer, von Juni bis September, wird es im Tal über 40 Grad Celsius im Tagesdurchschnitt bzw. bis über 50° in der Spitze heiß. Weil dies neben Turnschuhsohlen auch Reifen zum Schmelzen bringen kann, untersagen viele Camper-Verleiher in dieser Zeit Fahrten in den Nationalpark.
Wer sich im Sommer dennoch in den Brutkessel wagt, sollte auf jeden Fall Kühlwasser, Ölstand sowie den Keilriemen überprüfen und den Tank füllen. Ereilt einen im Tal eine Panne, darf man in der Hitze auf keinen Fall zu Fuß loslaufen, um Hilfe zu holen. Besser ist es, im Auto zu warten, bis jemand kommt.
Außerdem wird empfohlen, reichlich Wasser mitzunehmen. Überhaupt wird für die heißen Sommermonate empfohlen, sich immer nur wenige Minuten draußen aufzuhalten, um gleich wieder ins Wageninnere zu verschwinden und die Reifen zu bewegen, bevor sie am Asphalt kleben bleiben.
Wir haben Glück. Eine Stunde vor Sonnenuntergang und damit bei idealen Lichtverhältnissen erreichen wir den Zabriskie-Point. Er ist der bekannteste Aussichtspunkt im Tal des Todes und im Sommer für viele Besucher der einzige Halt im Nationalpark.
Denn die Reiseveranstalter wollen nicht riskieren, dass ihre Teilnehmer aus den Latschen kippen. Schließlich ist es leichter, sich zu überschätzen, als zwei Liter Wasser pro Stunde zu trinken, wenn man sich im Freien aufhält - und die braucht es, um den Flüssigkeitsverlust auszugleichen.
Aber das sind nicht unsere Sorgen. Im Gegenteil. Auf dem Weg vom Besucherparkplatz bis hoch auf den Aussichtspunkt pfeift uns ein kühler Wind um die Ohren. Reißverschlüsse werden hoch, Kapuzen über gezogen, bevor die Hände in die Jackentaschen wandern. Andererseits haben wir der eisigen Winterluft eine bessere Sicht als sonst zu verdanken.
Denn damit ist die Luft deutlich klarer als in den warmen Monaten. Als Ergebnis erleben wir die Aussicht über die Schluchten rund um den Zabriskie Point sowie den vor neun Millionen Jahren ausgetrockneten Lake Zabriskie in einem goldfarbenen Licht.
Wie der Name des Aussichtspunktes vermuten lässt, erinnert der Zabriskie-Point an einen Polen. Genau genommen, an den Bergarbeiter Christian Brevoort Zabriskie, der sich beim Abbau von Borax (auch Tinkal oder Natriumborat genannt), als besonders fleißig hervor tat und Vizepräsident und Geschäftsführer der Pacific Coast Borax Company war.
Das Mineral Borax wurde früher für die Seifenproduktion gefördert und in großen Wagen, denen zwei Pferde und achtzehn Mulis vorgespannt waren, aus dem Death Valley heraustransportiert.
Schritt für Schritt, Meter für Meter kämpften sich 1849 zwei Gruppen durch das unwirtliche Tal. Verfolgt von Banditen, hatten sich die Siedler in das Todestal geflüchtet, um eine Abkürzung des Old Spanish Trails zu finden und sich vor den Gangstern in Sicherheit zu bringen. Sicher waren sie, ja, vor den Schurken, die wussten, wie heiß es in dem Talkessel werden kann.
Einmal in das tief eingeschnittene Tal eingedrungen, war es ihnen aber nicht möglich, die erhoffte Abkürzung zu finden. Stattdessen irrten sie wochenlang durch das Tal. Neben dem Durst litten sie Hunger. Kein Bach und kein Wild konnten sie finden.
Wer dem Track angehörte, lernte zu leiden. Um in dieser Einöde überhaupt zu überleben, waren sie gezwungen, mehrere ihrer kostbaren Zugochsen zu schlachten und über einem Feuer zu garen, für das sie das Holz ihrer Planwagen verbrannten. Schließlich ließen sie ihre restlichen Wagen auf dem Talgrund zurück und fanden über den Wingate Pass einen Ausweg. Oben angekommen, soll sich eine der Frauen umgedreht und hinab gerufen haben: »Good bye, Death Valley!«
So böse die Geschichte klingt, die sich damals im Todestal abgespielt hat, so verwunderlich ist es, dass bis auf einem schon vorher altersschwachen Greis keiner der Gruppe bei der Durchquerung ums Leben gekommen sein soll. Nachdem William Lewis Manly, einer der tapferen Teilnehmer, seine Erinnerungen in »Death Valley in ‘49« autobiographisch festgehalten hat, bietet heute die gemeinnützige Organisation Death Valley ‘49ers Touren mit Westernatmosphäre durch das Tal an.
Wir hingegen fahren vom Zabriskie-Point ganz bequem in den Talkessel zum tiefsten Punkt Nordamerikas hinab. Auf halber Höhe passieren wir ein unscheinbares Schild. Eigentlich wäre es einen Fotostopp wert. Denn immerhin markiert es die Höhenlinie, ab der wir uns unterhalb des Meeresspiegels befinden.
Doch die Sonne verschwindet bereits hinter der Bergkette im Westen und bis zum Talgrund mit dem Badwater Basin sind es noch einige Meilen. Mit anderen Worten: Die Zeit drängt.
Dort angekommen, lesen wir, dass wir uns 282 Fuß oder 85,5 Meter unterhalb des Meeresspiegels befinden. Nach ein, zwei Standardbildern beim Badwater-Schild spazieren wir den fest getretenen Pfad zum seichten, salzigen Wasser von Badwater. Kaum vorzustellen, dass sich einmal ein 200 Meter tiefer See befand, der vor 3.000 Jahren austrocknete.
Auch heute noch gibt es ab und zu heftige Regenfälle, die den Talboden mit Wasser bedecken. Die Lebensdauer der dadurch entstehenden Seen ist jedoch sehr gering. Denn der durchschnittlichen jährlichen Niederschlagsmenge von weniger als 5 cm steht eine mögliche Verdunstung von 381 cm gegenüber. Mit anderen Worten: ein dreieinhalb Meter tiefer See würde binnen eines Jahres völlig austrocknen.
Da schon bei der Ankunft an Badwater klar ist, dass wir die letzte Station des Ausflugs erreichen, wenn es bereits Nacht ist, bleiben wir doppelt so lang wie zunächst vorgesehen und lassen unsere Blicke über die Salztonebene und die schneebedeckte Gebirgskette dahinter schweifen.
Erst, als es dämmrig wird, schlendern wir gemütlich zum Bus zurück und fahren weiter zur Furnace Creek Oase mit dem Besucherzentrum, wo wir noch eine längere Pause einlegen. Auch hier gibt es natürlich reichlich Möglichkeiten, US-Dollar in Souvenirs umzutauschen. Wir indes bleiben unbeschwert, eh es dann am Ende eines langen Tages zurück nach Las Vegas geht.
Ausflug in den Death Valley Nationalpark mit Eindrücken vom Zabriskie-Point und Bad Water.