So spontan wir unsere Venedig-Reise angetreten sind, so wenig Zeit blieb für die Vorbereitung. Wundervolle Geheimtipps, verschiedene Top 10s der Sehenswürdigkeiten und eine Armada an Must-Sees stellen jedoch klar: es gibt Tipps und Tourenvorschläge noch und nöcher. Da wir uns immer darüber freuen, wenn wir bereits besuchte Ziele in irgendwelchen Filmen wiedererkennen, passt zu uns eine Tour auf den Spuren des berühmten Commisario Brunetti.
Drehorte zur Krimiserie der Autorin Donna Leon sind inzwischen im Netz gut zu finden. Somit werden wir wohl einen ganzen Tag in den Gassen der Sestieri San Marco und Castello verbringen und dort verschiedene Schauplätze der Mordfälle, Umweltskandale und Korruption entdecken.
Nach dem einfachen Frühstück im Hotel Ca’ del Nobile sind wir bald in Richtung Rialto unterwegs. Es ist ruhig in der Lagunenstadt. Wir wähnen uns abseits der typischen Touristenwege. Erst später erfahren wir, dass die Calle dei Fabbri normalerweise prallvoll mit Menschen ist. Hier quetschen sich die Leute durch, die vom Markusplatz zur Rialtobrücke wollen. Immer der Masse nach – welch herrliche Art der Orientierung! Wir haben unsere Ziele ins Wandernavi eingegeben.
Dieses piepst uns allerdings schon leicht genervt sein »GPS-Empfang verloren« entgegen. Der Stadtplan, den ich bei der Actv erhalten habe, ist ebenfalls nur bedingt nützlich. Hier wurde an der Größe der Karte gespart, um den vielen »Behaviours« mehr Platz einzuräumen. Wer den Wunsch hegt, in den Kanälen schwimmen zu gehen, muss mit 350 EUR Strafe rechnen. Das kann ich selbst ohne Brille lesen. Im Stadtplan erkenne ich dafür leider nichts.
So gut es geht, folgen wir also unserem Navi und finden so in die ein oder andere Sackgasse. Das ist ganz normal, denn Venedig ist ein wahres Labyrinth. Dabei haben wir noch das Glück, dass wir nicht nach bestimmten Adressen suchen. Die Hausnummern eignen sich nämlich nicht zur Orientierung. Venedig ist in sechs Stadtteile eingeteilt.
Alle Häuser eines sogenannten Sestiere sind fortlaufend durchnummeriert. Wer auf eine solch irre Idee kam? Es waren die Franzosen! Napoleon hatte die Systematik eingeführt. Und die Venezianer halten bis dato daran fest. Die 6828 in Castello ist die höchste Hausnummer. Alle sind sie wild verteilt, ohne eine erkennbare Logik.
Wir finden unser erstes Ziel, indem wir über den Canal Grande zum Sestiere San Polo schauen. Schräg gegenüber vom herrschaftlichen Palazzo Pisani Moretta steht das Haus mit der Dachterrasse der Familie Brunetti. Gut, das Haus könnte etwas Putz und einen frischen Anstrich vertragen, doch der Commissario hat Glück mit seiner Wohnung mit Blick auf den Canal Grande.
In der Folge »Feine Freunde« bangt die Familie um ihre Bleibe. Signor Rossi wirft der Familie Bauen ohne Genehmigung vor und droht mit dem Abriss. Wenig später fällt Rossi einem Verbrechen zum Opfer. Die Dachterrasse der Brunettis ist nicht zugänglich und am besten von einem Vaporetto aus oder vom Bootsanleger Sant Angelo im Sestiere San Marco, vor dem Palazzo Barocci, zu sehen.
Weiter geht es durch die Gassen in Richtung Rialtobrücke. Diesmal ist sie tatsächlich unser Ziel. Vom Bootsanleger am Ende der Calle del Traghetto hat man bereits einen guten Blick über den Canal Grande auf die Rialtobrücke. Es ist zugleich einer der schönsten Blicke auf eine der berühmtesten Brücken der Welt.
Und vor allem ist es hier ruhig. Gegenüber dem Anleger steht der Palazzo Papapdopoli. In Brunettis »Venezianisches Finale« fällt für den Stardirigenten Wellauer in diesem noblen Haus zum letzten Mal der Vorhang.
Sowie wir die Rialtobrücke passiert haben, ist es vorbei mit der Ruhe. Im Jahr 1591 wurde die steinerne Brücke nach einigen Jahren Bauzeit für die Öffentlichkeit freigegeben. Für viele Jahre war sie die einzige Brücke über den Canal Grande.
Dadurch entwickelte sich rund um der Rialtobrücke das eigentliche Zentrum der Stadt. Rathaus, Banken, Post und Venedigs wichtigster Markt, alles war hier in der Nähe. So muss es uns kaum wundern, dass selbst bei ruhigen Zeiten in Venedig an der Brücke immer noch der Bär steppt.
Mit der Ponte de la Guerra überqueren wir den Rio de San Zulian und wechseln so von San Marco nach Castello. Geradeaus geht es zum Campo Santa Maria Formosa. In der Verfilmung Acqua Alta erhält Brunetti auf dem Platz von einer Architektin interessante Details über den hoch gesicherten Palazzo des launenhaften Kunstsammlers La Capra. Rundherum gibt es schön gelegene Kanäle, die von malerischen Brücken überspannt sind. Am Campo selbst nagt der Zahn der Zeit, was ihn als authentische Kulisse auszeichnet.
Einige Gassen und Brücken weiter durch das Sestiere Castello, erreichen wir den Campo San Giovanni e Paolo. Hier befindet sich die Scuola Grande di San Marco mit dem Ospedale Civile, unter anderem Drehort der Folge »Sanft entschlafen«. Direkt am Platz befindet sich außerdem die traditionelle Pasticceria Rosa Salva.
Den süßen Teilchen ist Brunetti nicht abgeneigt. Wir hatten uns überlegt, dort einen Kaffee zu trinken. Leider aber gehört die Pasticceria längst zu den Geheimtipps, die inzwischen jeder kennt. Daneben bildet der Platz mit dem stattlichen Reiter aber auch eine traumhafte Anlegestelle für die Gondolas.
Über die pittoresk gelegene Ponte dei Conzafelzi erreichen wir die Libreria Acqua Alta. Die alte Buchhandlung ist eine der angepriesenen Top 10 Highlights von Venedig.
Hier stapeln sich gammlige Bücher in einer ausgedienten Gondola. Im Eingangsbereich regeln Flatterbänder den Andrang der Leute. Wir verzichten und belassen es lieber bei unserer ruhigen Tour.
Nahe der Bücherei befindet sich der Campo San Lorenzo mit der gleichnamigen Brücke. Hier befindet sich die Questura aus den Romanen von Donna Leon. Nahe dem idyllischen Platz gibt es tatsächlich eine Polizeistelle. Die echte Questura wollte scheinbar nicht als Filmlocation herhalten. Die Questura aus den Filmen ist aber gleich um die Ecke
Auf seinem Weg zum Bootsanleger überquert Commissario Brunetti den Campo San Francesco mit seinen auffallenden Säulen. Leicht versteckt, befindet sich dahinter der Eingang zum Kreuzgang des Convento Reverendi Padri Francescani. Ein angenehm ruhiger Ort, der von venezianischen Studenten gerne zum Lernen genutzt wird.
Leider wird der Palazzo, der als Questura dient, während unseres Rundgangs saniert und ist eingerüstet. Dafür haben wir den Steg, von welchem der Commissario in sein Polizeiboot steigt, ganz für uns alleine.
Es wird Zeit für einen Kaffee. Nach der entfallenen Pause bei Rosa Salva beschließen wir, die nächstbeste Gelegenheit zu nutzen. Wir sind vorgewarnt. Unsere Eltern hatten wiederholt betont, dass ein Kaffee in Venedig ein kostspieliges Vergnügen sein kann. Bereits ein paar Meter nach dem polizeilichen Bootsanleger treffen wir auf die Bar Al Canton. Davor sitzen ein paar alte Venezianer.
Doch auch wir sind willkommen und sogleich überrascht. Ein Cappuccino kostet schlappe 1,50 EUR. Und die Nutzung der Toilette ist auch noch inbegriffen. Dafür quatscht uns sogleich eine alte Frau die Ohren voll, kaum dass wir an unserem Getränk schlürfen. Dass wir sie nicht verstehen, ist ihr eins. Hurra! Wir haben das authentische Venedig gefunden!
Die Gegend südlich des Campo San Francesco ist beschaulich. Wir gelangen dort zur Campo do Pozzi. Die Gebäude wirken leicht schäbig und überall blättert der Putz ab. Trotzdem besitzt die Gegend ein gewisses Flair.
Frisch gewaschene Wäsche wird zum Trocknen über die Gassen gespannt. Opas hocken vor den Türen und auf Bänken und beobachten das stille Nichts. Erst als wir den Campo de l'Arsenal erreichen, wird es wieder lebhafter.
In Donna Leons Roman »Verschwiegene Kanäle« ermittelt Commissario Brunetti in der Kadettenschule San Martino. In der Privatschule erhalten die Sprösslinge reicher Eltern eine militärische Ausbildung. Nachdem der 17-jährige Ernesto Moro im Waschraum erhängt aufgefunden wird, treffen Brunetti und seine Mitarbeiter auf eine Wand des Schweigens. Anders als andere Drehorte ist das Arsenal wirklich der Sitz der italienischen Marine. Es ist somit nur von außen zu besichtigen.
Wir wollen den Rundgang Brunetti mit einem Essen in der Trattoria da Remigio abschließen. Es soll das Lieblingsrestaurant des Commissarios im Sestiere Castello sein. Entlang der Fondamenta de l'Arsenal laufen wir zur Küstenpromenade. Das ist zwar ein Umweg, aber das Sonnenlicht ist gerade traumhaft. Am Ufer der Slawen herrscht um die Mittagszeit reger Betrieb. Der Vaporetto bringt viele Leute von Lido nach Castello. Nach dem Überqueren des Rio de la Pieta flüchten wir wieder in die Gassen, wo wir nach 200 Meter die Salizada dei Greci mit der Trattoria da Remigio erreichen.
Leider hat diese am frühen Mittag geschlossen. Drinnen ist das Personal beim Schlemmen. Allein vom Zusehen werden wir nicht satt. Die Gasse selbst besitzt einen netten Retro-Charme. Sowohl die Gasse als auch das Remigio gehören zu den Geheimtipps von Venedig. Folglich drängeln sich die Leute hier eng an eng und wirken die Preise der Restaurants äußerst verwöhnt.
Was nun? Bei unserer günstigen Kaffee-Bar vom Vormittag wies ein Schild zu einem Restaurant. Wir entfliehen dem Trubel in die weniger touristische Ecke von Castello und finden nach ein oder zwei Umwegen tatsächlich zu dem Restaurant. Die Osteria Ale Do Marie besitzt einen ruhigen Garten, wo wir leckere Ravioli serviert bekommen. Damit endet unsere Runde auf den Spuren der Romanfigur Commissario Brunetti. Ist man ein klein wenig vorbereitet, führen einen die Drehorte in wunderschöne Ecken der Lagunenstadt. Wir werden sicher bald wieder Abende mit den Filmen des sympathischen Kommissars verbringen. Bei seinen Ermittlungen in mafiösen Strukturen erfreuen wir uns dann über die Orte, die wir wiedererkennen.