Das Schloss Wilanow befindet sich am südlichen Stadtrand von Warschau. Zusammen mit dem Schlosspark gilt es als die kostbarste Schlossanlage Polens und wird an den Wochenenden von vielen Familien als Ausflugsziel genutzt. Der Eingang befindet sich in der Nähe des Busbahnhofs hinter einem einst weißen Postgebäude, wo unser Ausflug startet.
Nach der ersten Orientierung erblicken wir hinter dem Parkplatz ein weiteres weißes Gebäude. Es diente früher als Schmiede und bittet heute als Restaurant Kuznia, zur Schmiede, zu Tisch. Spezialität des Restaurants sind übrigens die einzig originalen »Bliny«, eine Teigware, die mit Lachs oder Kaviar als Vorspeise serviert wird. Das Rezept steht in keinem Rezeptbuch, sondern geben die Kuznia-Köche einzig an ihre Nachfolger weiter.
Da wir bereits früh am Morgen eintreffen, lassen wir das Restaurant mitsamt seiner Spezialität jedoch genauso links liegen wie das Restaurant Wilanów, welches bereits vor dreihundert Jahren als Herberge und Schenke diente. Stattdessen halten wir uns kurze Zeit bei der Kirche der heiligen Anna sowie dem Grabmal von Aleksandra Potocki auf.
1772 im neobarocken Stil gebaut, befindet sich die Kirche der heiligen Anna gegenüber dem Restaurant »Wilanwo«. Später (1857 - 1870) gestaltete Enrico Marconi die Kirche im Stil der Neorenaissance um.
Eine Besichtigung des Kircheninnenraums war bei unserem Besuch leider nicht möglich, da wir uns ausgerechnet den polnischen Weißen Sonntag als Ausflugstag ausgesucht hatten und es in und um der Kirche herum vor festlich gekleideten Familien nur so wimmelte. Dieses hätte uns wahrscheinlich auch einen Abstecher in eines der beiden Restaurants erschwert, denn die Bedienungen waren überall damit beschäftigt, Tische zusammenzurücken und zu dekorieren...
»Probier’s mal mit Gemütlichkeit, mit Ruhe und Gemütlichkeit, dann schmeckt der Milchkaffee besonders gut. Denn wenn Du stets gemütlich bist und ein Café einladend ist, dann setz Dich hin, genieße Deine Zeit.«
Wenn das nicht alles sagt? Noch bevor die Hektik, sprich: eine polnische Weiße-Sonntag-Großfamilie ins Parkcafé von Wilanow einfiel, haben wir es tatsächlich mal geschafft, den Tag ganz ruhig anzugehen. Der Kaffee ist hier zwar etwas teurer als in der Innenstadt, dafür aber konnten wir die halbe Stunde auf der Sonnenterrasse richtig schön genießen.
Und außerdem waren da ja noch die Spatzen, die sehr zum Ärger der Bedienungen immer wieder auf den für die große Feier hergerichteten Tischen landeten und versuchten, einzelne Salatblätter aus der Dekoration zu stibitzen...
Bis zum Jahre 1677 befand sich in Wilanów ein Gutshof. Weil der polnische König, Jan III. Sobeski, welcher 1683 vor Wien das Heer der Türken und Tartaren schlug, seiner Frau Marie denselben Prunk bieten wollte wie sie ihn aus den Schlössern ihrer französischen Heimat kannte, ließ er den Gutshof prächtig ausbauen. Dabei änderte er den ursprünglichen Namen von »Milanów« in »Villa Nova« (Neues Landhaus). Dieses allerdings nur für kurze Dauer, denn in der Bevölkerung hieß die Residenz schon sehr bald »Wilanów«.
Die erste Bauphase dauerte bis 1679. Bis dahin hatte das Gebäude noch keine Seitenflügel, sondern bestand lediglich aus einem kleinen Landhaus mit vier Eckbauten. Zwei Jahre später ließ der Architekt Locci die Schatztürme und Galerien errichten. In dieser Zeit wurden auch die Außenfassaden nach römischen Vorbild verziert. Erst in der dritten Phase schmückten unzählige Statuen die Gärten rund um das nun reich verzierte Schloss.
Mit seiner Hufeisenform und niedrigen Bauweise erinnert die Residenz an das Schloss in Pillnitz. Dabei wechseln sich barocke, streng geometrisch geformte Buchshecken und Rasenflächen mit asymmetrisch geschnittenen Eiben, Blauregen und Rosenbeeten ab. Wer an der Außenseite des Hufeisens herumgeht, trifft immer wieder auf verwinkelte Bereiche, die mit ihren kleinen Gärten interessante Blickwinkel ermöglichen.
Innerhalb seiner 300jährigen Geschichte hat das Schloss zehnmal den Besitzer gewechselt. Kein Wunder also, dass immer wieder neue Bauten hinzukamen, Fassaden und Formen geändert wurden und so mehrere Baustile teilweise an nur einer Wand zu entdecken sind.
Von einer Veränderung zum Glück blieb das Schloss allerdings verschont. So sollte es nach seiner Ausbeutung im Zweiten Weltkrieg zu einem Offizierskasino umfunktioniert werden. Mit Ende des Krieges ging Wilanow ebenfalls in Staatsbesitz über und ist heute Teil des Nationalmuseums.
Bereits beim Eingang in den Park warten einige Zweier-Fahrräder mit Sitzen nebeneinander auf fußfaule Besucher. Zugegeben, wer das gesamte Wegenetz ablaufen will, hat sich einiges vorgenommen. Viele der Wege verlaufen jedoch parallel oder führen um zwei verschiedene Hecken zum selben Ziel, sodass sich jeder Bereich des sowohl englischen als auch chinesisch gestalteten Landschaftsparks auch bequem zu Fuß erreichen lässt. Und auch auf das schattenspendende Dach lässt sich leicht verzichten, da im englischen Teil des Parks genügend natürliche Schattenspender wachsen.
Auf unserer Tour entdecken wir immer wieder kleine Skulpturen und Gebäude auf dem Gelände. In den Bäumen wimmelt es von Vögeln und hier und da watscheln ein paar Enten durch das ungemähte Gras.
Nach einer hohen, geschnittenen Hecke kommen wir zum Fluss Jezioro Wilanowskie. Sein Lauf wurde nach dem Vorbild barocker Gärten umgelenkt, sodass der Kanal den Park als Querachse abschließt. Auf der anderen Seite lassen Weiden ihre Zweige bis tief übers Wasser hängen, während eine Gondel mit leisen Ruderschlägen durchs grünliche Wasser gleitet.
Zwischen Hecke und Fluss laden einige Bänke zum Verweilen ein. So gönnen auch wir uns eine zweite Pause und erleichtern ein wenig unser Ausflugsfresspaket (Erdnüsse, Äpfel und Orangensaft), während unsere Blicke der Gondel auf ihrem Weg zur Anlegestelle am mittelalterlich gestalteten Pumpenhaus folgen.
Schließlich folgen wir selbst dem Fluss zu der kleinen Pseudoburg und entdecken dort außerdem einen chinesischen Pavillon. Hier sollte man eigentlich einen Tee genießen. Dafür nämlich wurde er gebaut. Aber wer schleppt schon einen Tee durch den ganzen Park? Wir nicht.
Ein Stück weiter entlang eines großen Teichs wollten wir eigentlich eine römische Arkadenbrücke überqueren und dann auf der anderen Seite zum Schloss zurückkehren. Dies aber ist leider nicht möglich, da an eben dieser Seite leider mehrere Luxusvillen mit ihren Grundstücken bis ans Wasser reichen und den Weg somit versperren. Naja, vielleicht auch nicht leider, denn bei näherer Betrachtung sah die Brücke doch arg zerfallen aus...