Wie sich Platzprobleme auf unkonventionelle Art und Weise lösen lassen, erfahren wir beim Alten Rathaus in der Wipplingerstraße und Salvatorgasse. Denn bis zum Jahr 1309 stand dieses zweitälteste Gebäude Wiens recht bescheiden neben dem Anwesen des Stadtrichters Otto II.. Als sich dieser jedoch mit anderen Bürgern gegen die Habsburger verschwor und an einem bald niedergeschlagenen Aufstand teilnahm, wurde er verbannt und konfiszierten die neuen Regenten sein Haus. 1316 überließ der neue Eigentümer Friedrich der Schöne auf Ersuchen der Bürgerschaft der Gemeinde das Haus und Anwesen.
Diese dürfte das Haus allerdings erst nach dem Tod von Otto II. (1333) als Rathaus genutzt haben, da der frühere Besitzer nach seiner Verbannung rehabilitiert wurde und die Bürgerschaft mit der Rückforderung seines Eigentums gerechnet hatten. Die Nutzung des Gebäudes als Rathaus ist erstmals für das Jahr 1341 urkundlich belegt. Im Lauf der Zeit wurde das Alte Rathaus mehrmals erweitert. Die erste bedeutende Erweiterung ermöglichte die Wiener Geserah (1420/21), bei der einiger Häuser vertriebener Juden konfisziert wurden und ins Eigentum der Stadt Wien übergingen. Nach einem Umbau in den Jahren 1455 bis 1457 folgten 1550, 1609 und 1650 kleinere Erweiterungen.
Doch erst nach dem Ende der Zweiten Türkenbelagerung (1683) erfasste der darauf in Wien folgende Bauboom auch das Rathaus, welches unter anderem mit einer Barockfassade prunkvoll ausgestattet wurde. Sehenswert sind die beiden mit Plastiken ausgestatteten Portale. Das 1706 fertiggestellte Westportal steht für Gerechtigkeit und Güte, das 1781 vollendete Ostportal Öffentliches Vertrauen und Frömmigkeit.
Daneben lohnt sich der Besuch heute vor allem wegen des Andromeda-Brunnens im Hof des Alten Rathauses. Geschaffen wurde dieser 1741 durch den Bildhauer Georg Raphael Donners. Lange daran freuen konnte er sich jedoch nicht. Noch im Jahr der Vollendung hatte er den Holzpyjama angezogen. Oder, wie der Wiener heute sagen würde: er hatte die Linie 71 genommen. Diese endet beim Zentralfriedhof.
Wenige Schritte weiter kommen wir zum Judenplatz. Mit einer Synagoge, Schule und einem Spital bildete er seit Ende des 13. Jahrhunderts das Zentrum des jüdischen Viertels. Um etwa 1400 lebten hier rund 800 Einwohner: Händler, Gelehrte und Magnaten (Geldgeber). In den Jahren 1420/21 wurden sie jedoch aus Konkurrenzangst vertrieben. Dabei ging die Volkswut soweit, dass 210 Menschen bei lebendigem Leibe verbrannt wurden, bekannt als Wiener Geserah. Eine zweite jüdische Gemeinde verwies Ferdinand II. im Jahre 1624 in die Leopoldstadt.
Bis zum Jahr 2000 wurde der Judenplatz zur Fußgängerzone umgestaltet. Außerdem erinnert heute ein Mahnmal an die Verfolgung der Juden während des Dritten Reiches. Zugleich wurde das Misrachi-Haus am Judenplatz 8 als Außenstelle des Jüdischen Museums zum »Museum zum mittelalterlichen Judentum in Wien«. Da der Judenplatz an sich nur wenig ansehnlich ist (vor allem bei kaltem, windigem Winterwetter), haben wir uns hier mit einer Aufnahme des Lessing-Denkmals begnügt, bevor wir unseren Spaziergang fortgesetzt haben.