»Dieses Haus ist meine Seele.« Mit diesen Worten beschrieb Friedensreich Regentag Dunkelbunt Hundertwasser selbst, was ihm das Bauwerk in der Löwengasse in Wien bedeutet. Die Wohnhausanlage der Gemeinde Wien war für den Maler der Einstieg in die Architektur. Friedensreich Hundertwasser sah sich gerne als Architekturdoktor, der Kunst und Wohnen lebendig und verspielt miteinander kombinierte.
Das Hundertwasserhaus in der Löwengasse war zugleich ein Modellprojekt, das hilfsbedürftigen Familien durch den großzügigen Wohnraum dazu anspornen wollte, wieder positiv in die Zukunft zu blicken. Der höhere Lebensstandard, den man ihnen günstig anbot, sollte insbesondere die Kinder zu mehr Leistung in der Schule anspornen, um ihre Erfolgschancen im Beruf zu verbessern. Ziel war, den Kreislauf der Armut zu durchbrechen.
Was die Macher des Projekts wohl nicht geahnt hatten: das Hundertwasserhaus wurde sofort nach der Fertigstellung ein Touristenmagnet in Wien. Auch wenn sich die Mieterschaft längst geändert hat und in dem Gebäude inzwischen Künstler, Ingenieure und Anwälte wohnen, ist der Strom der Besucher bis heute nicht abgerissen.
Um dennoch einigermaßen in Ruhe leben zu können, erklären die Anwohner auf einem Schild: »Wir, die Hausbewohner, bitten die Besucher um Verständnis, dass das Haus innen nicht besucht werden kann, da unser Zuhause dem Massenandrang nicht gewachsen ist.« Neben der deutschen Fassung äußern sie diese Bitte übrigens auch in Englisch, Italienisch und Französisch.
Im benachbarten Besucherzentrum erfahren wir, dass das Hundertwasser-Krawina-Haus eine Art buntes, begrüntes Märchenschloss ist. Zwischen den genormten grauen Großstadtblöcken soll es den Wunsch der Menschen nach Harmonie, Individualität und Menschlichkeit erfüllen. Dabei kam es jedoch immer wieder zu Konflikten zwischen Hundertwasser und dem Architekten Josef Krawina. Beide hatten völlig unterschiedliche Vorstellungen. Der eine wollte es gradlinig, was dem anderen widerstrebte. Doch der Künstler setzte sein Konzept erfolgreich durch. Heute ist es eines der meistbesuchten Gebäude in Österreich und zählt längst zu den wichtigsten Kulturgütern des Landes. Dabei war das Wohnhaus das erste Architekturprojekt, das ein Maler mit gestalten durfte.
Wir haben Glück. Mitten im Winter sind offensichtlich weniger Touristen in der Stadt. Sowohl beim Hundertwasserhaus in der Löwengasse, wie auch beim Hundertwasser Village geht es heute recht ruhig zu. Nachdem das das Hundertwasserhaus solch einer Beliebtheit erfuhr, kam die Idee für das Village. In der Kegelgasse stand ein geeignetes Objekt. Lediglich eine Reifenwerkstatt musste sich einen anderen Platz suchen. Daraufhin wurden in den Jahren 1990 bis 1991 die neuen Ideen des Künstlers realisiert. Auch hier stand die natur- und menschengerechte Architektur im Vordergrund. So entstand auf dem Dach ein richtiger Wald. Und innen können wir durch einen romantischen, bunten und verwinkelten Basar schlendern.