Wenn uns der Fiaker schon von zig Punkten der Stadt den Weg zum Spittelberg zeigt, so soll es doch nicht umsonst sein. Mit der U-Bahn zur Station Volkstheater ist es zwar noch ein gutes Stück bergauf zu laufen, bis man oben in eine der schönen, engen Gassen kommt.
Zu finden ist diese (also die Gasse) allerdings ganz leicht - vor allem dann, wenn man zufällig genau die Frau fragt, deren Laden sich nicht nur in der nachgefragten Gasse befindet, sondern welcher außerdem im ADAC-Reiseführer abgebildet ist. So einfach sollte es doch überall sein (-;
Eigentlich müsste der Spittelberg bei den Wienern in schlechter Erinnerung sein. War es doch diese Anhöhe, von der es Matthias Corvinus im Jahre 1485 gelang, Wien zu erobern. Rund 200 Jahre schossen die osmanischen Truppen im zweiten Türkenkrieg von hier auf die Stadt und 1805 fiel Napoleon über den Spittelberg in Wien ein.
Stattdessen hat sich der Spittelberg, auf dem zuerst »Hungarn und Crobaten«, Handwerker, Künstler, Hofbedienstete und, zu Beginn des 18. Jahrhunderts, auch Dirnen und Zuhälter wohnten, in den letzten Jahrzehnten zu einem kunterbunten Stadtteil entwickelt.
Hinter den barocken, Rokoko-, Régence- und Biedermeier-Fassaden finden sich heute Kunstmärkte, Boutiquen, Galerien, Esotherik-Shops und eine Reihe Wirtshäuser, wie das Centimeter, das uns der Fiaker wärmstens empfohlen hat.
Schon mal auf dem Spittelberg angekommen, folgen wir auch dem zweiten Tipp unseres Fiakers und verlegen das Mittagessen ins Centimeter. Genauer gesagt, das zweite von mittlerweile sieben Centimetern in Wien.
Schon die Aufmachung mit den zugleich bunten, an die Zeit der Zwanziger Jahre erinnernden wie auch prüfenden Blicken, ob Wurst und Brot die richtige Länge haben oder das Bierglas hoch genug gefüllt ist, hat den Centimeter-Lokalen in nur wenigen Jahren zu einem Kultstatus verholfen.
Anfangs auf Studenten ausgerichtet, sind die Lokale dadurch heute oft sehr voll und geht es eine Weile, bis man bedient wird - wie wir aus anderen Berichten wissen, nicht immer freundlich.
Auch wirkt es ein wenig schmuddelig in dem Lokal. Aber sei es drum. Hier gibt es Hausmannskost zu recht günstigen Preisen, die ein über den ein oder anderen nicht abgeräumten Teller hinwegsehen lassen.
Auf der Karte finden sich kalte und warme Brote (für 10 bzw. 15 Cent/cm), Salate, Knödel und Eiernockerl, Reis- und Gemüsegerichte sowie auch zumindest vom Namen her ausgefallene Speisen wie »Eine Schaufel Mischmasch«, eine »Scheibtruhe Mist« und die Vielfraßplatte »Obelix«. Wem das nicht reicht, empfehlen wir zwei Meter Wurst oder einen Meter Spaghetti. Der letzte richtet sich dabei allerdings an drei bis vier Personen. Und wer zum Beispiel den Holzhackerteller nicht zu verputzen schafft, kein Problem, denn das Mitnehmen der Reste ist hier ganz normal.
Auf der Karte nicht enthalten ist hingegen das Wiener Schnitzel, sodass wir auf ein ebenfalls recht umfangreiches Schweineschnitzel zurückgreifen. Und nach ein wenig hin und her bekommen wir auch eine Plastikflasche Ketchup für unseren Berg Pommes. Wie die meisten Gerichte ist dieses verhältnismäßig günstig. Insgesamt aber ist im Centimeter Vorsicht geboten.
Denn abgesehen davon, dass die meisten Gerichte auf den großen Hunger zielen, ist die Zubereitung bisweilen ungewöhnlich. So haben am Tisch neben uns ein paar Leute Blunzengröschtl bestellt und später ungläubig ihre gerösteten Kartoffeln unterhalb eines Mischmaschs aus Blutwurst, Linsen und ein paar anderen Zutaten gefunden.