Nach der frostigen Erfahrung im Winter erleben wir im Herbst einen ganz anderen Wurstelprater. Bei Sonnenschein und milden Temperaturen haben bis auf wenige Fahrgeschäfte, wie die Fahrt auf dem Wildwasserkanal,
und zwei Restaurants alle Schausteller und Gastronomiebetriebe geöffnet. Wer sich hängend und mit dem Kopf voraus in eine Achterbahn stürzen oder sich wie bei Rakete in die Höhe schießen lassen will, hier ist es möglich.
Angesichts der vielen atemberaubenden Schleudermaschinen fühlen wir uns deutlich älter und beschließen, dass wir all das nicht mehr so unbedingt brauchen. Einzig ein Fahrgeschäft, das einen mit einer Maximalbeschleunigung von 3G herumwirbelt und auch mal auf dem Kopf stehen bleibt, reizt uns.
Aber mit einem grade erst verputzten Figlmüller-Schnitzel müssen wir verzichten.
So bleibt uns, staunend an den Fahrgeschäften, Spukschlössern und Geisterbahnen und vielem mehr vorbei zu schlendern, bis wir vor dem Prater Turm stehen bleiben, dem höchsten Kettenkarussell der Welt.
Wer unsere Touren am Pilatus kennt, weiß, dass ich es gar nicht mag, wenn sich direkt unter mir nichts als Luft befindet und ich das Gefühl habe, frei in der Luft zu hängen. Beim Kettenkarussell hängt man frei in der Luft!
Und doch schafft es Annette, mich für eine Fahrt zu überreden. Wobei ich das Ganze ja auch als Test für eine Ballonfahrt auf Mallorca sehe, die wir über der Sonora Wüste im Westen der USA erleben wollen. Also auf geht’s!
Noch bevor wir abheben, sehe ich, dass sich die Gurte nur mit Hilfe eines Steckschlüssels öffnen lassen. Anders als in herkömmlichen Kettenkarussells werden eben diese Gurte fest angezogen und sind immer zwei Einzelsitze fest miteinander verbunden. Das gibt ein Gefühl von Sicherheit.
Zumindest bis zu dem Augenblick, indem es nach oben geht. Schnell befinden sich zehn, vierzig, 83 Meter Luft unter unseren Füßen. Insgesamt 117 Meter ist der Praterturm hoch, an dem zwölf Arme für die 24 Sitze befestigt sind.
Auch wenn sich das Karussell nur gemächlich dreht, geht es durch den 36 Meter großen Durchmesser mit bis zu 75 km/h im Kreis herum.
Unangenehm ist der Wechsel von Luv und Lee. Dadurch fühlt es sich auf der einen Seite an, als wenn man schwebt, während man auf der anderen Seite gebremst wird und dem Turm ein Stückchen näher kommt.
Als mir außerdem einfällt, dass eine Kette nur so stark wie ihr schwächstes Glied ist und ich die lange Kette über mir sehe, beschleicht mich das Gefühl, als wenn sich meine Rückenmuskeln an dem bisschen Lehne hinter mir festzukrallen versuchen. Und ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube, sie haben es geschafft...
Was ich außerdem eine Frechheit finde: die Fahrten vor uns dauerten nur so drei Minuten, während wir eine geschätzte Viertelstunde in der luftigen Höhe aushalten müssen, bevor es ganz langsam wieder hinunter geht und der Turm nochmals für ein paar Runden Gas gibt, bevor wir wieder sicher landen.